Die Katholische Jugend „St. Bonifatius Dortmund-Mitte" lädt ein

Erinnern an die Opfer der Deportation von 1942: Rundgang mit anschließender Gedenkstunde

Ein Rundgang durch das Viertel soll die Schicksale Dortmunder Jüd:innen sichtbar machen. Foto: Lena Thormählen

81 Jahre nach der Deportation Westdeutscher Jüd:innen vom Dortmunder Südbahnhof findet am morgigen Freitag (28.April) eine Gedenkstunde an der Ruhrallee in Dortmund statt. Vorab bieten die Jugendgruppen der St. Bonifatiusgemeinde einen Rundgang durch den Stadtteil an, mit besonderem Augenmerk auf die dortigen Stolpersteine. Ziel ist ein generationsübergreifendes Gedenken.

1942: Die Reise vom Dortmunder Südbahnhof endete in polnischen Vernichtungslagern

Im April 1942 sperrte die Gestapo jüdische Menschen aus dem gesamten Regierungsbezirk Arnsberg in einer Turnhalle an der Ruhrallee 791 zusammen. Am 30. April wurden sie vom Dortmunder Südbahnhof aus in das Sammellager – „Ghetto“ – Zamość im östlichen Polen deportiert.

Eine Gedenktafel am Südbahnhof Dortmund erinnert an die Deportation von Juden.
Eine Gedenktafel am Südbahnhof Dortmund erinnert an die Deportation von Jüd:innen.

Anhand einer Statistik der Reichsvereinigung konnte nachträglich ermittelt werden, dass am 30. April 1942 insgesamt 790 Menschen nach Zamość transportiert wurden: 178 Jüd:innen aus dem Bereich der Kultusvereinigung Dortmund und 612 aus dem übrigen Regierungsbezirk Arnsberg.

Der Transport aus Dortmund erreichte Zamość am Morgen des 3. Mai. In den Tagen zuvor waren bereits zwei Transporte mit je etwa 1000 Jüd:innen aus dem tschechischen Sammellager Theresienstadt dort angekommen. Ein Teil der Menschen wurde in das nahe gelegene „Ghetto“ Komarów überführt.

Von den insgesamt 2800 Jüd:innen aus den 3 Transporten waren im Juni 1942 nur noch etwa 1000 Menschen in Zamość und Komarów verblieben. Die Übrigen waren in Vernichtungslager abtransportiert worden. Von den 790 Menschen, die am 30. April von Dortmund aus gen Polen deportiert wurden, überlebte niemand. Sie wurden größtenteils in den polnischen Vernichtungslagern Sobibór und Bełżec ermordet.

Gedenkspaziergang mit anschließender Gedenkstunde

Vorab reinigten die Jugendgruppen die Stolpersteine für den Rundgang. Foto: Lena Thormählen

Um den Opfern der Dortmunder Deportation zu Gedenken findet morgen (28. April) ein vielschichtiges Gedenken statt, veranstaltet von den Kirchengemeinden der St. Bonifatius und der Paul-Gerhardt-Gemeinde. Herzlich eingeladen wird zur Gedenkstunde um 18.00 Uhr an der Ruhrallee 96 am Parkplatz der Continentale-Versicherung.

Erstmals gibt es vorab die Möglichkeit an einem Rundgang durch die südliche Innenstadt teilzunehmen, geführt durch die Jugendgruppen des KjG. Treffpunkt ist ebenfalls die Ruhrallee 96 um 16.45 Uhr. Anhand von „Stolpersteinen“ des Künstlers Gunter Demnig vor ehemaligen Wohnungen jüdischer Menschen soll daran erinnert werden, dass die Vertreibungen und Ermordungen von Jüd:innen auch in der eigenen Nachbarschaft stattgefunden haben.

Die Studentin und ehrenamtliche Mitorganisatorin des Rundgangs Lena Thormählen freut sich sehr über die neue Form des Gedenkens. „Es ist wichtig aktives Leben mit dem Gedenken zu kombinieren“, findet die 21-Jährige. So schaffe man einen Zugang für alle Generationen.

Reinigung der Stolpersteine im Saarlandstraßenviertel

Die Kinder pflückten Blumen, um sie an den Steinen niederzulegen. Foto: Lena Thormählen

Im Vorfeld reinigten die KjG-Jugendgruppen die Stolpersteine. „Ich war sehr positiv überrascht, wie gut das funktioniert hat und wie viel Interesse die Kinder zeigten“, berichtet Mitorganisatorin Lena Thormählen. Ihr ist es wichtig, die ersten Berührungen von Kindern und Jugendlichen mit dem Thema NS-Zeit locker und freiwillig zu gestalten. Die Methode des aktiven Gedenkens schaffe einen ungezwungenen Zugang, findet sie.

„Mir liegt viel daran, die Jugend mit einzubeziehen und Erinnerungskultur zu vermitteln“, erzählt die junge Studentin. Um sicherzugehen, dass die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen neun und vierzehn Jahren mit der Thematik nicht überfordert und alleingelassen werden, wurde der die Stolperstein-Reinigung durch die Leiter:innen vor- und nachbereitet. „Mit der Methode des Bilderbuffets“, verrät Lena Thormählen, die selbst ein pädagogisches Seminar zu NS-Gedenkstättenbesuchen absolviert hat und soziale Arbeit studiert.

Ein Moment des Rundgangs sei besonders schön gewesen: Ein junges Mädchen sei auf die Idee gekommen, am Wegesrand Blumen zu pflücken, um sie an den Stolpersteinen niederzulegen. Die anderen Kinder hätten sofort mitgemacht, so Thormählen. „Es ist toll zu beobachten, wie emphatisch die Kinder sind,“ ergänzt sie. Abschließend ist es ihr besonders wichtig zu betonen: „Unsere Botschaft ist „Nie wieder!“

Ein Teil der späteren Opfer auf dem Eintracht-Sportplatz. Foto: Stadtarchiv
Ein Teil der späteren Opfer auf dem Eintracht-Sportplatz. Foto: Stadtarchiv
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Reaktionen

  1. „Eine verlorene Welt“: Vortrag in der Steinwache über osteuropäische Jüd*innen in Dortmund (PM)

    „Eine verlorene Welt“ ist ein Vortrag von Katharina Wojatzek und Dr. Rolf Fischer überschrieben: Am Donnerstag, 17. August, 19 Uhr sprechen sie in der Gedenkstätte Steinwache (Steinstraße 50) über osteuropäische Jüdinnen und Juden in Dortmund und erinnern an die nur wenig bekannte „Polenaktion“ 1938. Der Eintritt ist frei.

    Seit Ende des 19. Jahrhunderts zogen Arbeiter*innen aus den polnischen Gebieten Preußens, des russischen Zarenreiches und des Habsburgerreiches in die westlichen Industriegebiete. Im Zuge dieser Zuwanderungen wuchs die jüdische Gemeinde Dortmunds um etwa 1400 Jüdinnen und Juden aus Osteuropa. Diese sogenannten „Ostjuden“ bildeten lokale Gemeinschaften in der Dortmunder Nordstadt.

    Ihr Ende fanden diese Quartiere am 28. und 29. Oktober 1938, als die nationalsozialistische Regierung etwa 17.000 Jüdinnen und Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus dem Deutschen Reich auswies und über Nacht an die deutsch-polnische Grenze verschleppte. Auch 600 Männer, Frauen und Kinder aus Dortmund waren von dieser ersten reichsweit organisierten und gewalttätig durchgeführten Massenausweisung betroffen.

    Katharina Wojatzek hat ihre Masterarbeit zu den Memoiren Martha Appels, der Frau des Dortmunder Rabbiners Ernst Appel verfasst und arbeitet zur Zeit an ihrer Dissertation zum Thema „Arisierung in Dortmund“.

    Dr. Rolf Fischer hat das Gedenkbuch für die Dortmunder Opfer der Shoa „Verfolgung und Vernichtung“ verfasst und arbeitet an Themen zur jüdischen Geschichte und zum Antisemitismus in Dortmund.

    dortmund.de/steinwache

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