Durch Covid-19: Verzögerungen auf dem Ausbildungsmarkt – gut 1.000 Plätze in Dortmund sind noch unbesetzt

Für 2020 werden noch händeringend Azubis gesucht: Zentrale der Vogt-Gruppe in Hombruch. Fotos: Thomas Engel

Die Folgen der Corona-Pandemie sind auch auf dem Ausbildungsmarkt zu spüren. Übliche Mechanismen können nicht oder nur verzögert greifen, die Abschlüsse von Ausbildungsverträgen verzögern sich. Zwei Monate etwa hinkt alles hinterher. Verhältnismäßig gut durch die Krise ist eine Branche gekommen, die nun mit dem Wiederrauffahren der Wirtschaft Fachkräfte wie Auszubildende händeringend sucht, weil die Nachfrage wegen der Prophylaxemaßnahmen stark anzieht: die nach desinfizierender Reinigung. Ein Beispiel: das Dortmunder Familienunternehmen Vogt GmbH & Co.

Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt hinkt coronabedingt etwa acht Wochen hinterher

Unter vielen Jugendlichen herrscht Verunsicherung. Die Corona-Pandemie hat das übliche Prozedere für den Eintritt in den Ausbildungsmarkt gehörig durcheinandergebracht. Auswahlverfahren von Bewerber*innen auf Ausbildungsstellen mussten modifiziert, durch neue Formate ersetzt werden, in den Schulen waren in diesem Jahr keine Berufsberater*innen. ___STEADY_PAYWALL___

Quelle: Agentur für Arbeit

Abgesehen davon, dass Unterricht ausfiel, weil Schulen geschlossen wurden – eine Situation, mit der die jungen Menschen erst einmal klar kommen mussten. Das alles, vor allem in den Monaten April und Mai, hat zu Verzögerungen geführt – im Vergleich zu früheren Jahren. Etwa acht Wochen läge der Ausbildungsmarkt hinten, erklärt Heike Bettermann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, beim eigens zum Thema anberaumten Pressetermin.

Gegenwärtig suchen im Agenturbezirk noch 1.138 Jugendliche eine Ausbildungsstelle – gegenüber 1.314 vakanten. Das sind rechnerisch 1,15 auf jede*n unversorgte*n Bewerber*in. 3.573 Ausbildungsstellen, 196 weniger als im letzten Jahr, waren gegenüber genauso vielen Suchenden in diesem Jahr gemeldet. Es hätte schlimmer kommen können, erklärt die Arbeitsagentur-Chefin.

Späterer Beginn einer Ausbildung in diesem Jahr zwar möglich – Berufsschule allerdings als Problem

(v.l.:) Julia Hartmann und Heike Bettermann (Agentur für Arbeit), Christoph Hohenstein (Meister und Ausbilder im Betrieb) sowie Betriebsleiterin Antje Tauscher

Sie sieht als eine zentrale Aufgabe ihres Hauses, dafür zu sorgen, dass in diesem Jahr die Ausbildung nicht nur – wie üblich – am 1. August beginnt, sondern ebenso noch Anfang September, Oktober, November die Möglichkeit dazu besteht. Die Pragmatik gebietet es, gleichwohl es kein leichtes Unterfangen sein dürfte.

Zwar hätten die Kammern ihre Bereitschaft signalisiert, Ausbildungen später beginnen zu lassen, doch die Berufsschulen öffnen jetzt. Daher wird allen, die zu einem späteren Zeitpunkt einsteigen, der bis dahin vermittelte Stoff zunächst fehlen.

Bei der Agentur für Arbeit wird damit gerechnet, dass in diesem Jahr mehr junge Leute als gewöhnlich vergeblich eine Ausbildungsstelle suchen werden und man erwartet daher für 2021 mehr Bewerber*innen.

Hilfsprogramm der Bundesregierung soll jungen Leuten den Start ins Berufsleben ermöglichen

Foto: Agentur für Arbeit

Im Übrigen können über das seitens der Bundesregierung beschlossene Förderprogramm kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeiter*innen unter bestimmten, wohl aber nicht ganz unkomplizierten Voraussetzungen eine Ausbildungsprämie erhalten, wie Julia Hartmann vom Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit erklärt.

Damit soll verhindert werden, dass die COVID-19-Pandemie den Start junger Leute ins Berufsleben weiter erschwert. Anträge können noch bis Anfang nächsten Jahres gestellt werden. Weitere Infos sind beim Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur erhältlich (s.u.).

Die Lage stellt sich gleichwohl in unterschiedlichen Branchen ganz verschieden dar. Hier in der Zentrale der Dortmunder Gebäudereinigungs- und Sicherheitsfirma Vogt GmbH & Co KG in Hombruch sucht die Geschäftsleitung noch händeringend junge Leute für eine Ausbildung. Denn gerade im Bereich Reinigung und Desinfektion sind die Folgen der Pandemie die einer erhöhten Nachfrage.

Mit dem Rauffahren des öffentlichen Lebens: steigende Nachfrage nach desinfizierender Reinigung

Weniger Bewerber*innen als in den vergangenen Jahren beklagt Antje Tauscher. Vier seien bereits eingestellt worden, bis zu 17 Azubis nähme sie noch gern, erklärt die Betriebsleiterin bei Vogt. Doch das Jahr begann mit der Corona-Katastrophe. – Und ohne Möglichkeit, das Unternehmen in den Schulklassen zu präsentieren.

Anfänglich musste auch ihr Betrieb leiden, es gab drei Monate Kurzarbeit. Doch nun, mit dem Rauffahren des öffentlichen Lebens, hagelt es Aufträge en masse. Da ist der Tierpark, da sind die wiedereröffnenden Schwimmbäder, die Spielbanken, und so weiter: überall besteht desinfizierender Reinigungsbedarf.

Sie könne jetzt sofort 30 bis 40 Leute einstellen „und bis Ende des Jahres in Arbeit bringen“, sagt Antja Tauscher. Und, anders als angenommen werden könnte, der Job als Fachkraft ist in dem Metier nicht ohne, angezeigt durch die Ausbildungszeit.

Vor allem junge Männer mit Migrationshintergrund beginnen eine Ausbildung in dem Betrieb

Die würde nun sogar erstmalig vier statt der bisherigen drei Jahre dauern. Der Grund: viele junger Männer mit Migrationshintergrund, die formell Deutsch auf B1-Niveau können (müssten), sprächen es kaum. Vom Schreiben ganz zu schweigen.

„Wir haben da wirklich Lehrgeld zahlen müssen“, so die damalige Quereinsteigerin in die Branche, die den Dortmunder Familienbetrieb seit nunmehr zehn Jahren führt. Da könne es passieren, dass sie zwei, drei Wochen in der Berufsschule fehlten, bevor der Betrieb davon erführe. „Wenn die in den Schulen sind, die leiden ja auch“, hat sie auch Verständnis für die Situation vieler Migrant*innen.

Die Konsequenz, mit der Verlängerung der Ausbildungszeit um ein Jahr: im ersten Lehrjahr werden die Azubis nur zwei Tage im Betrieb sein und dürfen sich dafür an den drei verbleibenden Wochentagen mit Tücken und Besonderheiten der deutschen Sprache vergnügen.

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  1. Ausbildung 2020: Auch ein späterer Start ist möglich – viele Unterstützungsangebote für junge Leute (Pressemitteilung Stadt Dortmund)

    Ausbildung 2020: Auch ein späterer Start ist möglich – viele Unterstützungsangebote für junge Leute

    Der 1. August gilt traditionell als Start des Ausbildungsjahres. Corona-bedingt ist im Jahr 2020 vieles anders: Ausbildungsmessen fielen aus, Vorstellungsgespräche wurden verschoben. Die Folge: Der Ausbildungsmarkt ist in seiner Entwicklung mehrere Wochen hinterher. Über diese Entwicklung tauschten sich die Mitglieder des städtischen Beirats „Übergangsmanagement Schule-Arbeitswelt“ aus – ein gut funktionierendes Netzwerk aus Schulen, Wirtschaft, Hochschulen und weiteren Akteur*innen der beruflichen Bildung. Der Tenor: Ein Ausbildungsstart ist in diesem Jahr auch nach dem 1. August möglich.

    „Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf den Ausbildungsmarkt aus. Noch sind nicht alle junge Menschen, die in Ausbildung gehen könnten, vermittelt – und dies trotz noch vorhandener Ausbildungsplätze. Wir müssen gemeinsam unsere Anstrengungen verstärken, damit es gelingt, möglichst viele junge Menschen noch im kommenden Ausbildungsjahrgang mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen – das ist wichtig für sie, aber auch für die Unternehmen, die dringend nach Nachwuchskräften suchen. Auf dieses Ziel richten wir uns mit unterschiedlichen Instrumenten aus. Der Fachbereich Schule hilft beratend, berufliche Orientierung und neue Perspektiven bei den jungen Menschen zu entwickeln“, sagt Daniela Schneckenburger, Schuldezernentin und Mitvorsitzende des Beirates.

    Für viele Jugendliche und Unternehmen beginnt aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr der Endspurt am Ausbildungsmarkt später als gewohnt. „Allerdings ist es ein Mythos, dass es keine Ausbildungsplätze in diesem Jahr mehr gibt. Der Ausbildungsmarkt hängt rund sechs bis acht Wochen in der Besetzung freier Stellen zurück. Der finale Endspurt wird sich daher in diesem Jahr nicht wie üblich im August abspielen, sondern auch in die Zeit der Nachvermittlung ziehen. Ein Ausbildungsbeginn ist bis spät in den Herbst möglich“, kommentiert Heike Bettermann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Dortmund und Mitvorsitzende des Beirates, die Situation auf dem Dortmunder Ausbildungsmarkt.

    Noch über 1000 freie Ausbildungsstellen

    Ende Juli waren in Dortmund für das Ausbildungsjahr 2020 noch 1.314 freie Ausbildungsstellen gemeldet. Arbeitgeber*innen melden der Agentur für Arbeit Dortmund täglich weitere freie Stellen und hoffen auf eine schnelle Besetzung zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs.

    „Der Ausbildungsstart 1. August ist nicht in Stein gemeißelt. Unternehmen werden auch bis in den Winter hinein noch Auszubildende einstellen“, ergänzt Michael Ifland, IHK-Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Berufliche Bildung und Fachkräftesicherung sowie Mitvorsitzender. „Umso wichtiger ist es, dass wir heute gemeinsam Unterstützungsangebote aufeinander abstimmen und die Jugendlichen bestmöglich bei ihrem Übergang in Ausbildung unterstützen.“

    Die Schulen setzen die berufliche Orientierung nach den Vorgaben der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ in diesem Schuljahr wieder um. Sie werden durch die regionalen Partner hierbei intensiv unterstützt. „Trägergestützte Standardelemente können nachgeholt werden, in den Herbstferien sollen die in den Sommerferien angelaufenen Ferienkurse „Eine Woche berufliche Orientierung extra“ für Schüler*innen der Jahrgangsstufen 9 und 10 fortgesetzt werden. Fünf Tage lang können Schüler*innen dann praktische Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern erwerben“, beschreibt Holger Nolte, Schulrat im Schulamt für die Stadt Dortmund.

    Vorstellung per Video-Chat

    Corona-bedingt mussten darüber hinaus in kürzester Zeit neue, digitale Wege entwickelt werden, um junge Menschen anzusprechen. Die Angebote reichen von der Ausbildungsplatzsuche bis hin zur Berufsorientierung oder Bewerbung auf einen Ausbildungsplatz. Junge Menschen, die noch auf der Suche sind, erhalten ab Mitte September beim gemeinsamen Azubi-Speed-Dating der IHK zu Dortmund und der Handwerkskammer Dortmund einen Monat lang (14. September bis 13. Oktober) die Chance, sich Unternehmen persönlich im Chat vorzustellen. Angeboten werden Ausbildungsplätze aus Handwerk, Industrie, Handel und Dienstleistung zur sofortigen Besetzung und für das Ausbildungsjahr 2021. Nähere Informationen unter http://www.dortmund.ihk24.de
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    Weitere Angebote im Überblick

    Die Lehrstellenbörsen der IHK-Organisation und der Handwerkskammer verzeichnet noch viele freie Stellen:
    http://www.ihk-lehrstellenboerse.de und
    https://bz.hwk-do.de/de/ausbildung/wissenswertes-fuer-schueler/lehrstellenboerse

    Auch auf der Seite des Jugendberufshauses Dortmund sind noch Ausbildungsstellen veröffentlicht: http://www.jugendberufshaus-dortmund.de

    In allen Fragen rund um die Ausbildungssuche kann die Hotline 0231 842-9860 angerufen werden. Das Jugendberufshaus bietet auch konkrete Unterstützung bei der Bewerbung.

    Bewerbungscoachings gibt es im Berufsinformationszentrum (BiZ). Kostenfreie Anmeldung dafür im Jugendberufshaus unter (0231) 842 9860. Wer sich nicht sicher ist, ob die eigene Bewerbung korrekt und attraktiv ist, kann das BiZ-Team per Mail um eine Rückmeldung/Korrektur bitten, zudem wird eine postalische Zusendung ausgedruckter Bewerbungen angeboten. Wer daran interessiert ist, schickt seine digitalen Unterlagen an Dortmund.BIZ@arbeitsagentur.de
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    Der DASA-Jugendkongress findet unter dem Namen „JobVille“ virtuell statt: am 16. September, 11 Uhr. Die Webseite dazu mit aktuellen Informationen und praktischen Tipps:http://www.jobville.de

    Die Social-Media-Kampagne „Dortmund at work“ des Regionalen Bildungsbüros im Fachbereich Schule stellt Dortmunder Unternehmen und Auszubildende vor. Ein spezielles Angebot für junge Menschen, die sich für die Teilzeitausbildung interessieren, findet vom 21. bis 24. September auf Instagram statt. An jedem Tag wird ein Beruf und ein Unternehmen vorgestellt, bei dem eine Teilzeitausbildung möglich ist.

    Weitere Informationen:

    http://www.jugendberufshaus-dortmund.de
    http://www.dortmundatwork.de
    http://www.ihk.dortmund.de
    http://www.hwk-do.de

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