
Schutz gewähren, eine Grundversorgung sicherstellen, in akuten Notlagen helfen bis hin zur Krisenintervention – das ist die Arbeit einer Bahnhofsmission. Die Bahnhofsmission Dortmund feiert am 4. Juli 2025 ihr 125-jähriges Bestehen. Gegründet im Jahr 1900, zählt sie heute zu den bundesweit ältesten ihrer Art. Auch heute gilt: Die Bahnhofsmission ist für alle da, die Hilfe brauchen – an Gleis 2 bis 5 des Hauptbahnhofs.
Ein Seismograf für soziale Notlagen – damals wie heute
Kohle, Stahl und Arbeitsplätze: Die Industrialisierung hatte die Einwohnerzahl Dortmunds rapide ansteigen lassen. Handwerksgesellen, Landarbeiter, verarmte Kleinbauern und besonders viele Frauen und junge Mädchen, kamen auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen in die Stadt. Für alle war der Bahnhof der erste Anlaufpunkt, doch viele von ihnen strandeten hier auch. Ohne Unterkunft, ohne Kontakte, ohne Arbeit oder Ausbildung waren sie schutzlos – und wurden so leichte Opfer für Ausbeutung, im schlimmsten Fall im „Rotlichtmilieu“.

Um diesen Problemen entgegenzuwirken, gründete sich die erste Bahnhofsmission 1895 in München als Mädchenschutzverein. In Dortmund war es der „Verein Frauenbildung – Frauenerwerb“, der im März 1900 als Reaktion auf diese Not entstand. Aus diesem Engagement von Frauen für Frauen entwickelte sich die Bahnhofsmission Dortmund. Zwei Jahre später ging die Trägerschaft in kirchliche Hände über.
Schnell wurde klar, dass die Hilfe sich nicht nur auf Frauen und Mädchen beschränken konnte. Die Bahnhofsmission öffnete sich für alle Menschen, die Unterstützung suchten. In einem Zeitungsartikel hieß es treffend: „Sie nimmt sich all derer an, die sie brauchen: Flüchtlinge, Kranke, Greise – sie tut es unentgeltlich.“
Mit der NS-Zeit kam das Ende der Bahnhofsmissionen
Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland rund 350 Bahnhofsmissionen, in evangelischer, katholischer und auch jüdischer Trägerschaft. Mit der NS-Zeit kam das Ende dieser Arbeit. Zunächst wurde das Spendensammeln verboten, später wurden alle Bahnhofsmissionen geschlossen. Sie wurden durch den sogenannten „NS-Bahnhofsdienst“ ersetzt. Dessen Arbeit diente nicht der Fürsorge der Schwächeren, sondern nicht selten ihrer Aussortierung zur Stärkung der rassisch definierten Volksgemeinschaft.
Bereits zwei Monate nach Kriegsende öffnete in Dortmund die Bahnhofsmission wieder ihre Türen – und der Bedarf war riesig. Noch immer standen Mädchen und Frauen im Mittelpunkt, doch nun ging es auch darum, neben Unterkunft und Verpflegung, vor allem Menschlichkeit zu bieten.
Wieder galt: „Sie nimmt sich all derer an, die sie brauchen.“ Humanitäre Hilfe und geistlicher Trost standen in den Kriegstrümmern im Fokus. In den 1950er Jahren kamen die Hilfen für Interzonen-Reisende, illegale Grenzgänger sowie Rückwanderer in die DDR hinzu.
Eine Geschichte, die eng mit sozialen Herausforderungen verbunden ist
In den Jahren des Wirtschaftswunders, zwischen 1950 und 1963, wurden die viele Vertriebenen und Geflüchteten zu dringend benötigten Arbeitskräften. Doch auch das reichte bald nicht mehr aus. Ab Mitte der 1950er-Jahre begannen Unternehmen, gezielt „Gastarbeiter:innen“ aus Portugal, Spanien, Griechenland und der Türkei zu werben. Auch sie kamen am Bahnhof an – oft ohne Sprachkenntnisse oder Orientierung. Die Bahnhofsmission bot Hilfe, Schutz und Informationen. So mussten die Mitarbeitenden wissen: Wo werden gerade Arbeitskräfte gesucht? Bei Hoesch? Im Bergbau? Auf den Baustellen?

In den 1970er- und 1980er-Jahren waren es Drogenabhängige, die besondere Aufmerksamkeit brauchten. Bis zu 300 Mittagessen wurden in dieser Zeit täglich vor Ort gekocht und ausgegeben. Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte die Bahnhofsmission 2015, als viele Geflüchtete mit Sonderzügen ankamen – aus dem Irak, Syrien oder später der Ukraine. Die Haupt- und Ehrenamtlichen der Bahnhofsmission konnten keinen Schritt aus ihrer Einrichtung an Gleis 2-5 machen, ohne dass eine hilfsbedürftige Person zu finden war.
Während der Corona-Pandemie schloss die Bahnhofsmission Dortmund zum Schutze ihrer ehrenamtlichen Mitarbeiter ihre Türen – und war eine der ersten sozialen Einrichtungen unserer Stadt, die sie wieder öffneten. Auch in dieser Krisenzeit konnte sie Menschen beistehen, die besonders unter Isolation, Armut oder Hilflosigkeit litten. Die Bahnhofsmission ist heute wie damals ein Ort an dem alle Hilfe bekommen, die sie benötigen – Ob beim nächsten Lebensschritt oder nur beim Schritt aus der Bahn.
Feier und Gottesdienst zum 125-jährigen Jubiläum
Die Bahnhofsmission Dortmund will ihr 125-jähriges Bestehen gebührend feiern: In einem ökumenischen Gottesdienst mit anschließendem Empfang blicken die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und ihre Gästen, am 4. Juli (11 Uhr), in der Stadtkirche Sankt Petri (Petrikirchhof 1, 44137 Dortmund) auf die Geschichte und in die Zukunft der Einrichtung.
Unter den geladenen Gästen sind Bürgermeister Norbert Schilff, Thomas Wallenhorst, Leitender Ministerialrat des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, und Dr. Gisela Sauter-Ackermann, Bundesgeschäftsführung der Bahnhofsmissionen.
Der Eintritt ist frei, interessierte Menschen sind gleichermaßen willkommen wie ehemalige und aktive Ehrenamtliche, Freunde und Förderer der Bahnhofsmission Dortmund.