Fast 900 Unternehmen beteiligen sich an Konjunkturumfrage der Ruhr-IHKs

Verhaltene Stimmung in der Ruhrwirtschaft – sehr angespannte Situation im Gastgewerbe

Präsentierten gemeinsam die Ergebnisse der Konjunkturumfrage v.li.: Michael Bergmann (Hauptgeschäftsführer IHK Mittleres Ruhrgebiet), Heinz-Herbert Dustmann (Präsident IHK zu Dortmund) und Stefan Schreiber (Hauptgeschäftsführer IHK zu Dortmund). Foto: Stephan Schütze für die IHK zu Dortmund

Zum Jahresbeginn 2022 wird deutlich, dass die Ruhrwirtschaft die schlimmsten Auswirkungen der Corona-Pandemie überwunden hat. Dies zeigen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHKs) im Ruhrgebiet, die am Dienstag, 8. Februar 2022, in Dortmund vorgestellt wurden. An der Umfrage der Ruhr-IHKs, die als größte Konjunkturumfrage des Ruhrgebiets gilt, haben im Januar fast 900 Unternehmen mit knapp 120.000 Beschäftigten teilgenommen. Aus dem Einzugsgebiet der IHK zu Dortmund haben sich 148 Unternehmen aus Dortmund, Hamm und dem Kreis Unna mit etwa 24.000 Beschäftigten an der Umfrage beteiligt.

Positiver Vorjahresvergleich aber leichte Eintrübung gegenüber der Herbstumfrage

Im Vorjahresvergleich präsentieren sich viele Unternehmen gegenwärtig in einer robusteren Verfassung. Gegenüber der Herbstumfrage hat sich die Stimmung jedoch wieder leicht eingetrübt.

Grafik: Ruhr IHK

„Die flächendeckenden 2G- oder 2G+-Regelungen haben seit dem Spätherbst vor allem im Handel- und Dienstleistungsbereich ihre Spuren hinterlassen. Die nachhaltige Erholung unserer Wirtschaft ist alles andere als ein Selbstläufer und die Liste der Konjunkturrisiken ist lang“, kommentiert Heinz-Herbert Dustmann, Präsident der für die Ruhr-IHKs aktuell federführenden IHK zu Dortmund.

Insgesamt bewerten 84 Prozent aller befragten Unternehmen im Ruhrgebiet ihre Geschäftslage mit gut oder befriedigend. Im vergangenen Herbst waren es 87 Prozent und vor einem Jahr 74 Prozent. Von schlechten Geschäften berichten aktuell 16 Prozent.

Der Konjunkturklimaindex liegt bei 115 Punkten (Herbst 2021: 122 Punkte, Jahresbeginn 2021: 100 Punkte). Als Stabilisator der wirtschaftlichen Situation erweise sich einmal mehr die Industrie: Neun von zehn Betrieben zeigen sich in einer guten Verfassung.

IHKs fordern, 2G-Regel im gesamten Einzelhandel aufzuheben

Grafik: Ruhr IHK

Das insgesamt solide Gesamtbild dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass einzelne Branchen nach wie vor schwer zu kämpfen hätten. Im Einzelhandel etwa klage fast jedes vierte Unternehmen über schlechte Geschäfte, im Herbst 2021 seien es knapp 14 Prozent gewesen.

„Ich habe deshalb kein Verständnis dafür, dass die 2G-Zugangsbeschränkung für den Nicht-Lebensmitteleinzelhandel in Nordrhein-Westfalen aufrechterhalten wird. Der Einzelhandel war nie ein Infektionstreiber“, betonte Dussmann.

Je länger diese Zugangsbarriere beibehalten würde, umso gravierender seien die negativen wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe in den Innenstädten und Stadtteilzentren. Dustmann verwies auf das Ende der entsprechenden 2G-Regel in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachen.

Sieben von zehn Gast-Betrieben geht es schlecht – Prognosen machen wenig Hoffnung

Gastronomie und Hotellerie hatten mit dem Gastro-Stillsterben auf die Probleme hingewiesen. Foto: Karsten Wickern
Gastronomie und Hotellerie hatten mit dem Gastro-Stillsterben auf die Probleme hingewiesen. Foto: Karsten Wickern Archivfoto: Karsten Wickern

Dramatisch stelle sich die Situation gegenwärtig im Gastgewerbe dar: Sieben von zehn Unternehmen geht es eigenen Angaben zufolge schlecht, bei der Herbstumfrage 2021 war nur ein Drittel so pessimistisch.

Fast zwei Drittel der Gastronom:innen melden verringerte Umsätze, was in erster Linie auf das stark eingeschränkte Weihnachts- und Silvestergeschäft zurückzuführen sein dürfte. Fast folgerichtig sei die aktuelle Finanzlage auch nur bei gut einem Fünftel der Betriebe im Gastgewerbe unproblematisch.

Gut sechs von zehn Unternehmen würden hingegen einen Rückgang des Eigenkapitals melden und rund zwölf Prozent seien sogar von einer Insolvenz bedroht. Für die kommenden Monate gehe fast jeder dritte Gastronomiebetrieb sogar von einer noch schlechteren Geschäftslage aus.

Vielzahl von Konjunkturrisiken wie erhöhte Rohstoffpreise und Lieferengpässe

Grafik: Ruhr IHK

Der Gesamtausblick der Ruhrwirtschaft fällt weniger pessimistisch aus. 16 Prozent aller fast 900 Unternehmen bewerten die nahe Zukunft negativ, 22 Prozent erwarten bessere und das Gros von 62 Prozent gleichbleibende Geschäfte.

Sorgen würden den Ruhr-IHKs jedoch die Unsicherheitsfaktoren bereiten, die eine weitere Erholung der Unternehmen gefährden könnten.

Die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise seien für knapp zwei Drittel aller Unternehmen das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung (Herbst 2021: knapp 60 Prozent). Im Verkehrs- und Logistikbereich liege dieser Anteil bei 72 Prozent und in der Industrie sogar bei 85 Prozent. Unterm Strich würden 58 Prozent der Unternehmen bilanzieren, dass sie in erheblichem Umfang von Preisanstiegen betroffen seien.

Grafik: Ruhr IHK

„Diese starken Preisanstiege sind eine Folge des Mangels. Angebot und Nachfrage klaffen weit auseinander. Die Wirtschaft im Ruhrgebiet leidet unter anhaltenden Problemen bei der Beschaffung von Vorprodukten sowie Rohstoffen und steht vor enormen logistischen Herausforderungen“, machte Heinz-Herbert Dustmann deutlich.

Der Mangel an Vorleistungen, insbesondere Halbleiter, elektronische Bauteile, Baumaterialien, Metalle, Chemikalien und Papier, habe sich zu einer wesentlichen Bremse für den Aufschwung entwickelt.

83 Prozent der Unternehmen seien von Lieferengpässen betroffen, drei Viertel würden über Ertragseinbußen berichten, 53 Prozent von gestiegenem Planungsaufwand. Mehr als 35 Prozent dieser Unternehmen würden erst im zweiten Halbjahr 2022 mit einer besseren Versorgung bei relevanten Rohstoffen rechnen. 30 Prozent erwarteten sogar keinerlei Verbesserung.

Fachkräftemangel und marode Verkehrsinfrastruktur

Grafik: Ruhr IHK

Ein fast schon chronisches Wachstumsrisiko stelle für sechs von zehn Unternehmen der Fachkräftemangel dar. Im Herbst habe es ähnlich ausgesehen. Erneut sei es das Gastgewerbe, das besonders zu leiden habe.

Sieben von zehn Betrieben seien hier vom Fachkräftemangel besonders betroffen. Denn die Corona-Einschränkungen der vergangenen knapp zwei Jahre hätten dazu geführt, dass sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umorientiert hätten und nun dauerhaft fehlen würden.

Die marode Verkehrsinfrastruktur im Ruhrgebiet sei ein altbekanntes Problem, das durch die Ereignisse der vergangenen Wochen aktueller denn je geworden sei.

Die Vollsperrung der A45 bei Lüdenscheid sei eine Katastrophe für die Ruhrwirtschaft, so Dortmunds IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Die Vollsperrung und der notwendige Abriss der A45-Talbrücke bei Rahmede sind eine Katastrophe für die Wirtschaft. Der starke Industrieraum Südwestfalen wird förmlich vom Ruhrgebiet abgeschnitten“, betonte Dustmann. Ein moderner Wirtschaftsstandort wie das Ruhrgebiet könne ohne intakte Verkehrsinfrastruktur auf Dauer nicht funktionieren.

„Bei der Instandsetzung und dem Neubau von Autobahnen, Schienenwegen und Wasserstraßen ist viel zu lange gespart worden. Und jetzt zahlen wir die Zeche“, so der IHK-Präsident, der ein deutlich schnelleres Planungs- und Genehmigungsverfahren für Neubauten und ein intelligentes Verkehrsmanagement forderte.

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