„Spuren - Die Opfer des NSU“ am Sonntag im Nordpol - Eintritt frei

Vielschichtiger Dokumentarfilm über das Leiden der Opferfamilien und die Blindheit des Staates

Mehmet Kubaşık (r.) wurde am 4. April 2006 in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt kaltblütig vom NSU ermordet. „Das Bild seines Gesichts verschwimmt. Ich bekomme es nicht mehr scharf. Es ist nur noch eine Leere in mir“, so Tochter Gamze Kubaşık. Foto: Salzgeber & Co. Medien GmbH

In Kooperation mit dem Verein „Camera Paradiso“ präsentiert der „Nordpol“ in der Bornstraße 144 am kommenden Sonntag, 26. Mai um 19 Uhr, den Dokumentarfilm „Spuren – Die Opfer des NSU“ von der türkisch-stämmigen Regisseurin Aysun Bademsoy. Der Eintritt ist kostenlos. Die Filmemacherin befasst sich in ihrer Doku nicht nur mit den unmittelbaren kriminalistischen Spuren, die das rechtsextremistische Terror-Trio des NSU durch seine Verbrechen hinterlassen hat. Ihr ist es besonders wichtig, von den Verletzungen und Narben zu berichten, die die Taten bei den Angehörigen der Opfer hinterlassen haben. Denn noch während diese um ihre geliebten Familienmitglieder trauerten, wurden sie durch die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden ein weiteres Mal zu Opfern. Bademsoy beleuchtet das Scheitern von Ermittlern und Justiz und fragt, welcher Prozess helfen könnte, um die schmerzenden Wunden in der migrantischen und der gesamten deutschen Gesellschaft zu heilen.

Bis heute sind zahlreiche Fragen ungeklärt geblieben

Zwischen September 2000 und April 2007 wurden acht Männer mit türkischen Wurzeln, ein griechisch-stämmiger Mann sowie eine deutsche Polizistin ermordet. Die Ermittlungen wurden zunächst ausschließlich im Umfeld der nicht-deutschen Opfer mit Verdacht auf Drogenhandel und organisierte Kriminalität geführt.

Enver Şimşek und Familie. Sein gewaltsamer Tod im September 2000 markierte den Auftakt für eine beispiellose rechtsextremistische Mordserie in der Bundesrepublik. Foto: Salzgeber & Co. Medien GmbH

Die Familien der Ermordeten wurden so ein weiteres Mal zu Opfern, diesmal von vorurteilsvoller Stigmatisierung.

Nach einem gescheiterten Bankraub führte die Spur schließlich zu der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).

Nach dem Suizid der beiden Haupttäter begann 2013 der Prozess gegen die einzige Überlebende des NSU-Trios, Beate Zschäpe, sowie vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer und endete 2018.

Die zu milden Strafen für die Mitangeklagten und die zahlreichen ungeklärten Fragen ließen die Angehörigen der Opfer enttäuscht und desillusioniert zurück. Ihr Glaube an den Rechtsstaat ist grundlegend erschüttert.

Bademsoy: „Wir waren Deutsche und hatten Vertrauen in diesen Staat.“

Spuren – das sind nicht nur die Hinweise, die Verbrecher am Tatort hinterlassen, sondern auch die Verletzungen und Narben, die ihre Taten bei den Angehörigen der Opfer, in den migrantischen Gemeinschaften und in der gesamten deutschen Gesellschaft verursachen.

Regisseurin Aysun Bademsoy. Foto: Salzgeber & Co. Medien GmbH

In ihrem Dokumentarfilm begibt sich die türkisch-stämmige Regisseurin Aysun Bademsoy auf die Suche nach diesen Spuren und stellt sich dabei die Frage, welcher Prozess diese Verletzungen überhaupt heilen könnte.

„Spuren“ ist ein vielschichtiger Dokumentarfilm, der das Scheitern von Ermittlern und Justiz beleuchtet – und den Angehörigen der Opfer endlich eine Stimme gibt.

„Nach den Enthüllungen der NSU-Morde an acht Menschen mit türkischen Wurzeln war dies nicht nur eine Tragödie für die betroffenen türkischen Familien, sondern auch für die Generation türkischer Migranten in Deutschland, zu denen auch ich gehöre“, erklärt Regisseurin Aysun Bademsoy. „Die, die sich für Deutschland als Heimat entschieden hatten.“

Nicht wie die Eltern, die heute noch von ihrer verlassenen Heimat träumen würden, in die sie irgendwann einmal zurückkehren wollten. „Wir waren Deutsche und hatten Vertrauen in diesen Staat. Das mühsam erarbeitete Vertrauen bekam nach den Enthüllungen der NSU-Morde einen Riss.“

Dramatischer Wendepunkt im Verhältnis zu Deutschland als Heimat

Denn der Hass, der das NSU-Trio bei der Auswahl ihrer Opfer leitete, habe sich gegen genau sie gerichtet, diese zweite und dritte Generation der Deutschtürken. Eine Generation, die sich darauf verlassen hatte, dass der Staat Rassismus nicht duldet und sie davor schützen würde.

Demonstration zum Gedenken der Ermordeten. Archivfoto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

„Stattdessen versagten die Institutionen: Die Ermittlungen in den Mordfällen selbst waren geleitet von Misstrauen, Ressentiments und rassistischen Motiven“, so die Regisseurin.

„Die NSU-Morde sind mehr als menschliche Schicksale, sie sind für die zweite und dritte Generation ein dramatischer Wendepunkt in ihrem Verhältnis zu Deutschland und ihrer Sehnsucht nach einer Heimat, die Deutschland vielleicht einmal war.“

Diese Wunden, die bei den Betroffenen entstanden sind: Werden oder können sie überhaupt heilen? Und wie gewinnt man ein Vertrauen zurück, das tief erschüttert wurde?

Über den Werdegang der Regisseurin Aysun Bademsoy

Aysun Bademsoy wurde 1960 im türkischen Mersin geboren. Neun Jahre später zog sie mit ihrer Familie nach Berlin.

Foto: Salzgeber & Co. Medien GmbH

Nach Abschluss ihres Journalismus- und Theater-Studiums an der Freien Universität Berlin begann sie 1989, Dokumentarfilme zu drehen.

In ihrem ersten Independent-Film „Mädchen am Ball“ (1995) porträtierte sie ein türkisches Frauenfußballteam, mit dessen Karriere sie sich auch in „Nach dem Spiel“ (1997) und in „Ich gehe jetzt rein …“ (2008) befasste.

Als Regieassistentin und Produktionsmanagerin arbeitete sie mit Harun Farocki und Christian Petzold zusammen; zudem war sie als Filmeditorin und Schauspielerin tätig. Aysun Bademsoy lebt und arbeitet in Berlin.

Interessierte können sich hier den Trailer zum Film anschauen. (Sollte an dieser Stelle das Videofenster nicht erscheinen, bitte einmal den Browser aktualisieren).

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