„Systemfehler“-Podcast: Wie blickt die Philosophie auf die Zukunft des Ruhrgebiets, Herr Trawny?

Das Ruhrgebiet als experimentierfreudiger Lebensraum

Lukas Pazzini | Nordstadtblogger

Hat das Ruhrgebiet eine eigene Kultur? Unter anderem mit dieser Frage hat sich der Philosoph Peter Trawny in seinem Buch „Aschenplätze. Philosophie dieses Subjekts“ beschäftigt. Wir haben mit ihm im „Systemfehler“-Podcast über das Ruhrgebiet und den heutigen Stand der Philosophie in gesellschaftlichen Debatten gesprochen.

Welchen Nutzen hat die Philosophie heute?

Im „Systemfehler“-Podcast hatten wir schon Soziolog:innen, Politiker:innen und Aktivist:innen. Was wir noch nicht hatten: eine waschechte Philosophin, einen waschechten Philosophen.
Welchen Nutzen hat die Philosophie heutzutage?

Im Vergleich zur Soziologie keinen für die Gesellschaft bzw. ökonomisch direkt verwertbaren Nutzen, so Trawny, doch die Philosophie stelle noch heute für die Gesellschaft wichtige Fragen, die auf den ersten Blick „nutzlos“ erscheinen.

„Das sollte gewissermaßen der Nutzen der Philosophie sein, einen Nutzen der Nutzlosigkeit aufrechtzuerhalten“ und dadurch auch zu neuen Erkenntnissen gelangen, die wieder in andere Wissenschaften miteinfließen.

Das Ruhrgebiet ist noch nicht entdeckt

Kann die Phillosophie in der Frage nach einer Ruhrgebietskultur Antworten bringen? Damit hat sich der in Gelsenkirchen geborene Trawny in seinem Buch beschäftigt. „Diese Herkunft wird man gewissermaßen nicht los“, erklärt Trawny.

Lukas Pazzini präsentiert Peter Trawnys Buch „Aschenplätze – Eine Theorie dieses Subjekts“.

Der in Wuppertal lehrende Philosoph kehrt im Denken immer wieder ins Revier zurück. Fußballplätze der Kindheit, Bergarbeiterfamilie und die schlesische Migrationsgeschichte seiner Familie seien prägend gewesen.

In seinem Buch zitiert er den Schriftsteller Heinrich Böll, der 1958 schrieb: „Das Ruhrgebiet ist noch nicht entdeckt worden.“ Trawny weiß auch heute keine Antwort: „Was das Ruhrgebiet aktuell ist, ist schwer zu sagen.“

Für Trawny ist das Ruhrgebiet heute ein „Lebensraum, in dem man vielleicht tatsächlich ganz gut experimentieren kann“, in dem durch den Wegfall der identitätätsstiftenden Schwerindustrie experimentieren lässt, was mit so großen und diversen Bevölkerung passiert.

Lokalpatriotismus keine Antwort auf Verlust

Was im Ruhrgebiet präsent ist, sind die verschiedenen Verlusterfahrungen: Die „Dynamik der Schwerindustrie und die ökonomische Dynamik“ seien zum Großteil verpufft und es habe sich nichts gefunden, was diesen identitätsstiftenden Wirtschaftszweig hätte ersetzen können.

Philosoph Peter Trawny

Lokalpatriotismus als Antwort auf diese klaffende Sinnlücke sieht Trawny nicht als Antwort. Statt auf alte Stadtgrenzen zu pochen, solle man das Ruhrgebiet „als zusammenhängenden Organismus begreifen“ und daraus einen Vorteil entwickeln.

Ob die Philosophie dabei helfen könne? Philosophie müsse sich selbst befragen, nicht erhöhen. „Die Philosophie ist selbst Teil dieses Übels“, sagt Trawny und verweist auf problematische Ideen bei Denkern wie Platon. Nur wer diese dunklen Seiten erkennt, kann Verantwortung übernehmen – und den Blick auf die Welt klarer machen.


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