Protest gegen „Giftliste“: Beschäftigte von Thyssenkrupp wehren sich gegen Sparpläne

200 Millionen Euro sollen eingespart werden - 11.000 Stellen in Gefahr

Bild zeigt den Betriebsratsvorsitzenden Moritz Engels bei der Betriebsversammlung
Moritz Engels, Betriebsratsvorsitzender zeigt sich kämpferisch Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Die Stimmung bei Thyssenkrupp Steel ist angespannt – und das nicht erst seit gestern. Seit Juni verhandeln Betriebsrat und IG Metall mit dem Vorstand des Stahlkonzerns über ein Sparpaket, das drastische Einschnitte für die Belegschaft bedeuten würde. Die sechste Verhandlungsrunde steht bevor – sie könnte die entscheidende sein.

Betriebsratschef warnt: „Hier geht es nicht mehr um Restrukturierung“

Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Die Vorschläge der Arbeitgeberseite sorgen unter den Beschäftigten für Empörung. Intern wird die Liste der geplanten Maßnahmen nur noch „Giftliste“ genannt.

Sie sieht unter anderem massive Lohnkürzungen, den Abbau von bis zu 11.000 Arbeitsplätzen und die Streichung tariflicher Leistungen wie Weihnachtsgeld oder Altersrente vor.

Moritz Engels, Vorsitzender des Betriebsrats, findet klare Worte: „Es geht längst nicht mehr um eine bloße Restrukturierung. Der Vorstand bleibt stur – und auf der anderen Seite hören wir nur: ‚Ihr müsst liefern‘. Aber so geht es nicht weiter!“

Betriebsratsvorsitzender Moritz Engels Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Vor rund 500 Beschäftigten, die sich zu einer Betriebsversammlung versammelt haben, spricht Engels auf einem improvisierten Podest von einem Klein-Lkw aus. „Wir können zwar nicht streiken – aber wir können laut werden. Und das tun wir heute.“

Was ihn besonders wütend macht: „Wenn wir nach einem Konzept fragen, schauen wir in die ratlosen Augen unfassbar gut bezahlter Vorstände.“ Die IG Metall hingegen habe konstruktive Vorschläge gemacht. „Wir wollen sozialverträgliche Lösungen. Aber der Eindruck entsteht, dass der Vorstand genau das nicht mehr will.“

Emotionale Worte: „Mein Vater fuhr hier schon Lkw“

Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Engels wird persönlich: „Mein Vater ist in den Sechzigern hier Lkw gefahren. Er war zwar nicht angestellt, aber er sagte immer: Was für ein großartiger Betrieb! Ich will nicht, dass wir in ein paar Jahren sagen müssen: Wir haben hier alles verloren.“

Auch auf die wirtschaftlichen Hintergründe geht er ein. „Ja, es fehlt an Tonnagen, es gibt eine Finanzierungslücke von 1,3 Milliarden Euro, und chinesischer Stahl überschwemmt den Markt. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Beschäftigten alleine 200 Millionen Euro jährlich schultern sollen.“

Politik zeigt Solidarität – aber auch Selbstkritik

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Auch die Politik zeigt Präsenz. Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal tritt im Anzug und IG-Metall-T-Shirt auf die Bühne. Mit klarer Botschaft:
„Stahl ist Zukunft – das dürfen wir nicht aufgeben!“

Er wirft der Unternehmensführung vor, kein echtes Interesse mehr an der Zukunft des Standorts zu haben. „Die wollen nur noch rausholen, was noch da ist. Wir als Stadt stehen an eurer Seite.“

Katrin Lögering (Grüne) Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Katrin Lögering, Fraktionssprecherin der Grünen im Rat, betritt die Bühne – nicht ohne spürbare Zurückhaltung aus dem Publikum.

Sie nimmt die Kritik an ihrer Partei ernst: „Ich spüre das Misstrauen – aber heute stehen wir hier gemeinsam: Politik, Gewerkschaft, Belegschaft. Und das ist wichtig.“
Sie betont, dass nur durch gezielte Investitionen, etwa in Wasserstofftechnologie, die Zukunft des Stahlstandorts gesichert werden könne.

Gewerkschaft: Verzicht rettet keine Arbeitsplätze

Bild zeigt Vertreter der KVL auf dem Betriebsversammlung Thyssenkrupp Steel
Aribert Peltz und Katharina Wenderoth VKL Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Zum Abschluss melden sich Aribert Peltz und Katharina Wenderoth von der Vertrauenskörperleitung (VKL) zu Wort. Ihre Botschaft ist eindeutig: „Nach unserer Erfahrung rettet Verzicht keinen Arbeitsplatz.“

Fazit: Die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel zeigen deutlich, dass sie sich nicht kampflos mit den geplanten Einschnitten abfinden werden. Der Protest ist laut, emotional und geschlossen – eine klare Botschaft an die Konzernspitze: So nicht!


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