
Von Marius Schwarze und Heike Becker-Sander
Gleiche Chancen für Kinder – egal, ob sie mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung leben müssen, sozial benachteiligt sind oder aufgrund ihrer Herkunft Defizite haben. Das alles soll mit Hilfe der Inklusion gelingen. Längst ist die Inklusion nicht mehr nur Thema in den Schulen. Erzieher*innen und Kindertagespfleger*innen sind gleichermaßen gefordert, Jungen und Mädchen mit Einschränkungen oder Behinderungen in Kitas oder in der Tagespflege entsprechend zu integrieren und zu fördern. – Keine leichte Aufgabe. Blickt man zum Beispiel auf die Nordstadt, so ist festzustellen, dass an den Einrichtungen im Dortmunder Norden die Anzahl der Kinder mit einem erhöhten Förderbedarf größer ist als die der Kinder, die einen „normalen“ Entwicklungsstand haben.
Kindertagesstätten wollen für mehr Fachpersonal sorgen
Um den gestiegenen Aufgaben in den Kindertagesstätten gerecht zu werden, soll in Zukunft mehr ausgebildetes und fachlich geschultes Personal vor Ort für die Kinder verantwortlich sein. ___STEADY_PAYWALL___

„Es braucht einen anderen Fachpersonal-Kind-Schlüssel für beeinträchtigte Kinder, die einen gesonderten Förderbedarf haben“, erklärte jetzt Marlies Jung-Aswerus beim Betriebsausschuss der FABIDO (Familienergänzende Bildungseinrichtungen für Kinder in Dortmund), der im Messezentrum der Westfalenhallen tagte.
Für die steigende Zahl der Kinder mit erhöhtem Förderbedarf muss auch entsprechend geschultes Personal in den Einrichtungen vorhanden sein. Um das Problem zu lösen, könnte zum Beispiel aus jeder Einrichtung, die von der FABIDO geleitet wird, ein Erzieher oder eine Erzieherin eine Fortbildung machen.
Ziel ist es, nicht erst auf die Diagnose „erhöhter Förderbedarf“ reagieren zu müssen, sondern vorab fachliches Personal in den Einrichtungen zu wissen. Laut Betriebsausschuss ist die aktuelle Situation für Eltern, Kinder und eben die Einrichtungen kaum zu meistern. Denn: Derzeit werden Fachkräfte erst eingestellt, wenn eine Diagnose vorliegt.
Zusicherung von Fachpersonal erst nach feststehender Diagnose: besonderer Förderbedarf
So wurde das Problem vor dem Betriebsausschuss dargestellt: Es dauert circa sechs Monate bis eine entsprechende Diagnose für ein Kind mit besonderem Förderbedarf vom Arzt festgestellt worden ist. Und erst dann bekommt die Einrichtung Fachpersonalstunden zugesichert, sprich: erst nach Bestätigung einer Einschränkung bekommen die Einrichtungen den bezahlten Platz vom Träger gesichert, den es zur Anstellung einer Fachkraft braucht.
Die Idee ist es, dem zuvorzukommen, indem die Einrichtungen in ihren eigenen Reihen schon ausgebildetes Fachpersonal haben, was bei Bedarf diesen Kindern eine individuelle Förderung ermöglichen kann. Dazu müssen Seminare und Schulungen absolviert werden, auch die Auseinandersetzung mit einzelnen Krankheitsbildern gehört dazu. Damit sollen dann die Ansprüche an die Inklusion in Kita und Kindergarten erfüllt werden können.
Tagesmütter und Tagesväter sind besonders hart getroffen
Während so für die Tagesstätten und Kindergärten an einem einheitlichen Konzept für die Inklusion gefeilt wird, sieht es für den Bereich der Kindertagespflege noch etwas anders aus. Hier geht es unter anderem um die Frage der Ausbildung und der Arbeitsmaterialien und auch die Frage der gerechten Bezahlung.
Wer in der Tagespflege als Tagesmutter oder -vater inklusiv arbeiten möchte, muss einen Aufwand leisten, der sich nicht unbedingt zu lohnen scheint. Unter anderem wird in der Tagespflege bei der Aufnahme besonders förderungsbedürftiger Kinder von Gesetz wegen die Zahl der Plätze reduziert. Das heißt: Für ein Kind mit inklusivem Bedarf wird eine Betreuungsstelle gestrichen, bedeutet: weniger Einnahmen.
Ausgeglichen werden soll das mit entsprechenden Pauschalen. Bedacht wird hierbei aber nicht, dass die Tagesmütter und -väter ihre Fortbildung aus eigener Tasche bezahlen müssen. Zwischen 700 und 1300 Euro kosten diese Fortbildungen, die sich über ein Jahr hinziehen. Neben diesen anfallenden Kosten der Fortbildungen müssen die Kindertagespflegepersonen auch noch die behindertengerechten Materialien kaufen (und regelmäßig erneuern). Kosten, die kein Träger übernimmt. Alle Anschaffungen müssen die Tageseltern allein bezahlen.
Im Schreiben an den Betriebsausschuss FABIDO wurde das Dilemma dargestellt und eine Rechnung aufgemacht, die zeigt, dass Tageseltern durch eine Aufnahme eines inklusiven Kindes einen 45-Stundenplatz abgeben müssen und dafür nur etwa 22 Stunden ersetzt bekommen.
Inklusion in der Tagespflege zeigt bisher sehr positive Ergebnisse
Dennoch gibt es mittlerweile immer mehr Kindertagespfleger*innen, die eine Fortbildung abschließen. Für das Jahr 2021 stehen der FABIDO fünf fortgebildete Fachkräfte in der Kindertagespflege zur Verfügung. Und alle fünf Plätze sind bereits vergeben.

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass Kinder mit Behinderungen und sonstigen geistigen Einschränkungen in der Tagespflege eine sehr positive Entwicklung nehmen.
Die Fortbildung von Kindertagespflegepersonen ist sehr wichtig geworden, weil viele Kinder erst ab dem dritten Lebensjahr eine gesonderte Förderung bescheinigt bekommen. Weil die Kindertagespfleger*innen durch ihre Fortbildungen schon geschult sind, Auffälligkeiten zu erkennen und damit umzugehen wissen, können eventuelle Entwicklungsstörungen schon viel früher festgestellt werden.
Aus dem Schreiben an den Betriebsausschuss FABIDO geht hervor, dass die Unterstützung für Tageseltern besser gestaltet werden muss. Klar ist, dass das Modell der inklusiven Kindertagespflege immer mehr an Bedeutung gewinnt, und dementsprechend auch in der Bezahlung und Unterstützung ein Schritt nach vorn getan werden sollte.
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