Die vergessene vierte Säule: Auch Ziegeleien prägen die industrielle Vergangenheit Dortmunds

Einladung zur „Ziegeleiforschung“ am 26. Mai im Evinger Geschichtsverein

Blick von der Kokerei Minister Stein auf die Ziegelei Nehme und Evinger Straße, um 1950/52. Foto: Picasa

Wenn von Dortmunds industrieller Vergangenheit die Rede ist, fallen meist drei Begriffe: Stahl, Kohle und Bier. Doch eine vierte Säule wird oft übersehen – die Ziegeleien. „Um 1905 gab es in Dortmund rund 60 Ziegeleien, die zwar kleiner als die drei großen Säulen waren, aber das dringend benötigte Baumaterial für den industriellen Aufschwung, für Industriebauten und Wohnungen, lieferten“, erklärt Wolfgang Skorvanek, Vorsitzender des Evinger Geschichtsvereins. Der Verein lädt alle Interessierten am 26. Mai 2025 zu einem Treffen rund um das Thema „Evinger Ziegelei“ ein. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr in den Räumen des Vereins (Nollendorfplatz 2).

Besonders die Ziegelei Nehme ist Mittelpunkt der Forschung

Wolfgang Skorvanek und seine Mitstreiter, Bernd Süselbeck und Dr. Volker Schacke, haben sich drei Jahre lang intensiv mit einem fast vergessenen Kapitel der Stadtgeschichte beschäftigt.  In Archiven stöberten sie nach alten Plänen und Bildern, sichteten Literatur und sprachen mit Zeitzeugen über die Geschichte der Ziegeleien. Besonders in den Blick nahmen sie die Ziegelei Nehme. Diese befand sich an der Evinger Straße gegenüber der Zeche Minister Stein – zwischen Bahndamm und dem heutigen Autowaschzentrum

„Ursprünglich wollte die Stadt Dortmund auf dem Gelände den Nordfriedhof errichten“, berichtet Bernd Süselbeck. Doch der Preis war zu hoch, sodass das Grundstück an die Gelsenkirchener Bergwerks AG ging. Vor etwa 130 Jahren wurde die Fläche von der Zeche an Jos. Beisenherz verpachtet, der dort eine Ziegelei aufbauen ließ.

Im Reichsanzeiger vom 8. September 1937 ist nachzulesen, dass der Kaufmann Karl Nehme die Maschinenziegelei und das Tonwerk übernahm und weiterentwickelte. Auf dem hinteren Teil des Geländes befand sich eine Tongrube – heute ein Biotop. Im vorderen Bereich standen das Trocknungslager, ein Brennofen mit mehreren Kammern sowie die Verwaltung. Am Bahndamm wohnte das Zieglerpersonal, das meist aus dem Lipperland stammte und dort saisonal vom Ziegeleibesitzer über einen beauftragten Zieglermeister angeworben wurde.

Das Gelände an der Evinger Straße hat eine bewegte Geschichte

„Trotz aller technischen Entwicklungen war die Arbeit für die Ziegler in Ziegeleien hart und körperlich belastend“, sagt Skorvanek. Die Ziegeleibesitzer hingegen zeigten sich besorgt über den Absatz ihrer Waren. Um Produktionsmengen, Preise und Gewinne auf hohem Niveau zu halten, gründeten sie in Dortmund – wie Heimatforscher herausfanden – ein Syndikat nach dem Vorbild des Steinkohlebergbaus.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden Zwangsarbeiter der Zeche Minister Stein in der Ziegelei an der Evinger Straße untergebracht, später wurde sie von Weltkriegsbomben getroffen. In den Nachkriegsjahren diente das Areal zunächst Flüchtlingen als Notunterkunft. Nach der Schließung der Ziegelei erfolgte der Abriss des Betriebs. Lediglich das Pförtnerhäuschen blieb bestehen und wurde als Kiosk benutzt. Die von der Zeche als Klärbecken genutzte Tongrube entwickelte sich nach der Schließung der Zeche Minister Stein zum Biotop. 

„Dank einer engagierten Bürgerinitiative blieb dem Gelände das Schicksal vieler anderer Ziegeleigruben, die als Abfalldeponie endeten, erspart“, betont Dr. Schacke. Wegen der großen Artenvielfalt im Biotop wurden die geplanten Bebauungen letztlich verworfen. Lediglich die Freifläche an der Evinger Straße fand durch neue Gewerbeansiedlungen eine Nutzung.

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