Serie: „Sehenswertes in der Nordstadt“: Kirche Sankt Albertus Magnus – Überzeugende Architektur aus schwerer Zeit

Kirche Sankt Albertus Magnus
Die Kirche Sankt Alberts Magnus hat weder Kirchturm noch Kirchplatz. Fotos: Klaus Hartmann

Es scheint, als hätte sie die Zeit vergessen. Versteckt in der Enscheder Straße, einer Seitenstraße in der Nähe des Borsigplatzes, steht die katholische Kirche Sankt Albertus Magnus. So hoch wie die sie umgebenden Wohnhäuser, leicht in der Flucht zurückgesetzt, schlicht und schnörkellos, ohne Turm und Kirchplatz. Für eine Kirche ist das ungewöhnlich.

St. Albertus Magnus ist einer der letzten Sakralbauten, der in der östlichen Nordstadt errichtet wurde. Eine anwachsende Bevölkerung in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts im Stadtbezirk und somit auch steigende Mitgliederzahlen der Dreifaltigkeits-Gemeinde, deren Pfarrkirche sich an der Flurstraße befindet, bedingte den Neubau in schwerer Zeit.

Bau des Gotteshauses sollte der allgemeinen Arbeitslosigkeit entgegenwirken

Kirche Sankt Albertus Magnus
Das Kirchenfenster von Innen betrachtet.

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, eine hohe Arbeitslosigkeit und knappe Kassen, schwebten über der Errichtung des Bauwerks. Der Bauantrag aus dem Jahre 1933 formulierte als eines seiner Ziele, durch den Bau des Gotteshauses der allgemeinen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken: „Unter der Kirche sollten wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten Räume für Versammlungen und Vereinsfestlichkeiten geschaffen werden, was bis dahin bei katholischen Kirchen eher unüblich war,“ schreibt die Anlage zur Denkmalliste vom 11. Mai 1993.

Der Fertigstellung des Rohbaus in Planung und Leitung der Dortmunder Architekten Paul Spiegel und Adolf Ott geschah zwar schon im Januar 1934, danach gerieten die weiteren Bauarbeiten wegen mangelnder Finanzierung immer wieder ins Stocken. Die Kirche wurde deswegen Ende des selben Jahres nur benediziert, vorläufig geweiht, wie es im Kirchendeutsch heißt. Selbst im Jahre 1939 waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Erstaunlich: Im Jahre 1938 hatte die Luftschutzabteilung der Stadt Dortmund einen Luftschutzraum im Kellergeschoss geplant, der in den folgenden Jahren verwirklicht wurde.

Dortmunder Architekten Paul Spiegel und Adolf Ott überzeugten trotz finanzieller Schwierigkeiten

Kirche Sankt Albertus Magnus
Der Gottedienstraum dient heute zur Aufbewahrung von Mobiliar anderer nicht mehr genutzter Kirchen.

Nicht nur die finanzielle Situation, sondern auch die Grundstückslage sorgte für Schwierigkeiten beim Bau. Gerade mal 34 Meter Breite bedingten ein nahtloses Einfügen des Baukörpers in die vorhandene Bebauung, wie die Anlage zur Denkmalliste beschreibt.

„Der Fassadengestaltung kam daher eine besondere Bedeutung zu. Die Architekten Spiegel und Ott lösten diese Aufgabe trotz oder gerade wegen der geringen ökonomischen Mittel auf sehr ansprechende Weise. Die Verbindung zu den angrenzenden Häusern schaffen zwei in der Fluchtlinie seitliche Baukörper, die Türme assoziieren, in Wirklichkeit aber niedriger sind als die zurückspringende Fassade mit ihrer hohen Freitreppe.“ Die Eisenbetonfassade ist mit Ziegeln verblendet.

Bedeutendes Element der Gestaltung ist ein rundes Kirchenfenster, das durch ein einfaches Kreuz aus Beton geteilt ist: „Die wenigen gliedernden Elemente sind wie die Fassadenwand selbst und die „Turm“-Vorbauten in gut proportionierte Verhältnisse zueinander gesetzt. So erzielt die flach gedeckte Straßenfront trotz ihrer übergangslosen Einbindung…in ihrer schlichten Monumentalität eine städtebaulich und ästhetisch sehr ansprechende Wirkung…“, schreibt der Gutachter begeistert.

Sankt Albertus Magnus ist ortsgeschichtliches Dokument für die industriell bedingte Erweiterung der Nordstadt und beweist, „…dass knappe Finanzmittel und begrenzter Raum sich nicht hemmend auswirken müssen, sondern im Gegenteil zu einer überzeugenden architektonischen-künstlerischen Leistung führen können.“

Im Jahre 2007 wurde das ewige Licht gelöscht, seitdem steht die Kirche leer

Kirche Sankt Albertus Magnus
Die Kirche Sankt Alberts Magnus fügt sich völlig in die Blockbebauung der Nachbarschaft ein.

Im Jahre 2007 wurde nach einem letzten Gottesdienst durch Weihbischof Wiesemann das ewige Licht gelöscht, die Kirche profaniert. Das Gebäude verlor seinen sakralen Charakter. „Aufgrund des baulichen Zustandes des Kirchengebäudes und der Aufgabe der Nutzung der Kirche durch die Kroatische Mission, hat sich die Pfarrgemeinde Heilige Dreifaltigkeit entschlossen, die Filialkirche St. Albertus Magnus aufzugeben“, so der Erzbischof. Und weiter schreibt das Erzbistum Paderborn „…dass der Glaube nicht an steinerne Häuser gebunden sei, vielmehr den „lebendigen inneren Tempel brauche“.

Seit dieser Zeit steht das Gebäude leer, beziehungsweise wird als Depotkirche zur Aufbewahrung des Mobiliars anderer, ebenfalls profanierter Kirchen genutzt. Pläne für die Einrichtung eines soziokulturellen Zentrums oder für eine Waldorfschule in der Nordstadt scheiterten an den Kosten für die Wiederherstellung des Baus. Machbarkeitsstudien gab es viele, ebenso wie studentische Arbeiten zum Thema Neunutzung von Kirchen. Letztendlich scheinen die selben finanziellen Probleme die den Bau der Kirche begleiteten auch ihr Ende einzuläuten.

Quellen: Stadt Dortmund Anlage zur Denkmalliste Lfd Nr. : 0585; Erzbistum Paderborn: „Kerzen in St. Albertus Magnus endgültig erloschen“, 19.08.2007; Peter Ring: Der Westen, 05.11.2010, „Kirche als Ort für Waldorfschule in der Nordstadt?“

 

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