Dilemma: Das Interesse an einer Ausbildung wächst, aber oft fehlen passende Stellen

Die Bilanz des Ausbildungsjahres 2024/2025 in Dortmund:

Diagramm zur Nachwuchsgewinnung
Grafik: HWK Dortmund

Der Dortmunder Ausbildungsmarkt bleibt auch zum Abschluss des Ausbildungsjahres 2024/2025 angespannt. Zwar steigt das Interesse junger Menschen an einer Ausbildung im dritten Jahr in Folge, doch gleichzeitig erschweren wirtschaftliche Unsicherheiten und Eignungsprobleme die erfolgreiche Vermittlung. Industrie- und Handelskammer (kurz IHK), Handwerkskammer (kurz HWK) und Agentur für Arbeit haben nun ihre gemeinsame Bilanz vorgestellt und die zeigt ein Bild, das Chancen aber gleichzeitig auch Schwierigkeiten sichtbar macht.

Mehr Jugendliche suchen eine Ausbildung, aber es fehlen passende Stellen

Die Agentur für Arbeit Dortmund registrierte zum Ende Oktober knapp 4.000 Jugendliche, die mit einer Ausbildung ins Berufsleben starten wollen, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Das Engagement der Berufsorientierung zeigt Wirkung durch mehr Beratung, mehr Schulbesuche, mehr direkte Ansprache.

Die Aktionswoche der Ausbildung vom 13. bis 17. März bietet Eltern und Schüler:innen verschiedene Informationsangebote.
Foto: Agentur für Arbeit Dortmund

Gleichzeitig kommt das Angebot an Ausbildungsstellen kaum voran oder geht in einigen Branchen sogar zurück. Viele Betriebe bieten weniger Plätze an, weil Aufträge fehlen oder die wirtschaftliche Lage unsicher bleibt.

Dadurch entsteht ein wiedersprüchliches Bild: Es gibt rechnerisch mehr Ausbildungsplätze als Bewerber:innen, aber trotzdem sinkt die Zahl der erfolgreichen Vermittlungen. Die Interessen der Jugendlichen passen oft nicht zu den offenen Stellen, und viele Betriebe suchen Bewerber:innen mit Grundkompetenzen, die laut HWK häufig fehlen. Dazu gehören Mathe, Deutsch, Zuverlässigkeit und Grundlagen aus der Arbeitswelt.

Handwerkskammer: Schwaches Wirtschaftsumfeld sorgt für Zurückhaltung

Im Handwerk zeigt sich die Entwicklung besonders deutlich. Im gesamten Kammerbezirk sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 2,1 Prozent, in Dortmund sogar um 9,1 Prozent.

HWK-Geschäftsführerin Olesja Mouelhi-Ort leitet die Kampagne "STÄNDIG du selbst"
HWK-Geschäftsführerin Olesja Mouelhi-Ort Foto: HWK Dortmund

„Viele Betriebe melden offene Stellen, finden aber keine Bewerber:innen, die das notwendige Grundwissen oder die erforderliche Motivation mitbringen“, erklärt Olesja Mouelhi-Ort, Geschäftsführerin der Handwerkskammer Dortmund. Zugleich betont die HWK, dass gerade beliebte Berufe wie Anlagenmechaniker:in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) häufig stark nachgefragt sind.

Der scheinbare Widerspruch löst sich laut Kammer so auf: Es gibt viele Interessierte, aber die Anforderungen sind hoch, Betriebe wählen sorgfältig aus und können nicht alle Bewerbungen berücksichtigen. Die HWK setzt auf Beratung, Schulen-Kooperationen und direkte Ansprache. Doch klar ist: Das Handwerk konkurriert stark mit Büro- und Dienstleistungsberufen, die für viele Jugendliche attraktiver wirken.

IHK: Sinkende Schulabgänger-Zahlen verschärfen das Problem

Die Industrie- und Handelskammer Dortmund meldet zum 31. Oktober 4.067 neue Ausbildungsverhältnisse, ein Minus von 6,6 Prozent. Die Hauptgründe sind weniger Schulabgänger*innen, insgesamt weniger Interesse an gewerblich-technischen Berufen und fehlende Grundkompetenzen bei Bewerber:innen.

Maike Fritzsching ist IHK-Geschäftsführerin für Berufliche Bildung und Fachkräftesicherung.
Maike Fritzsching ist IHK-Geschäftsführerin für Berufliche Bildung und Fachkräftesicherung. Foto: Isabella Thiel für die IHK Dortmund

Zahlreiche Unternehmen erhalten entweder gar keine Bewerbungen mehr oder sie finden keine Kandidat:innen mit ausreichenden Grundkompetenzen“, sagt Maike Fritzsching, Geschäftsführerin für Berufliche Bildung.

Die IHK reagiert mit Ausbildungsmarketing, Speed-Datings und digitalen Lehrstellenbörsen. Doch das Grundproblem bleibt: Die Branchen, die viele Plätze haben, gehören nicht zu denen, die Jugendliche bevorzugen.

Agentur für Arbeit: Ausbildung bleibt das Erfolgsmodell

Die Agentur für Arbeit berichtet von einem deutlich gestiegenen Beratungsbedarf. Rund 9.800 junge Dortmunder:innen suchten im vergangenen Jahr Unterstützung, ein Plus von vier Prozent.

Portrait der Chefin der Arbeitsagentur
Arbeitsagentur-Chefin Heike Bettermann Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Immer mehr Jugendliche erkennen, dass die Ausbildung ein sicherer Einstieg in den Beruf ist“, sagt Heike Bettermann, Chefin der Arbeitsagentur Dortmund. Gleichzeitig werde es für Unternehmen schwieriger, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu finden.

Die Agentur will deshalb ihre individuelle Beratung weiter ausbauen, insbesondere direkt an den Berufskollegs. Auch nach dem offiziellen Ende des Ausbildungsjahres sollen Jugendliche noch in passende Angebote vermittelt werden.

Weniger unbesetzte Stellen – aber auch weniger unversorgte Jugendliche

Dortmunder Arbeitgeber meldeten im Berichtsjahr 3.969 Ausbildungsplätze, ähnlich viele wie im Vorjahr.
Zum 30. September waren noch 263 Stellen unbesetzt, was deutlich weniger ist als die 620 im Vorjahr.

Gleichzeitig hatten 217 Jugendliche keine Stelle. Typische Wunschberufe der unversorgten Bewerber:innen waren zuletzt: Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement, Medizinische/r Fachangestellte/r (kurz MFA), Anlagenmechaniker:in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (kurz SHK), Kraftfahrzeugmechatroniker:in (kurz Kfz) und Fachinformatiker:in.

Unbesetzt blieben dagegen vor allem Stellen im Einzelhandel, in der Drogerie, im Büromanagement und bei Elektroniker:innen für Betriebstechnik.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

Unterstütze uns auf Steady

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert