
Der Christopher Street Day (CSD) steht am morgigen Samstag (16. August 2025) in Dortmund an. Dieser ist eine Mischung aus Demo und Straßenfest, um queere Personen sichtbar(er) zu machen und für ihre Rechte zu kämpfen. Im Vorfeld hat Nordstadtblogger mit Paul Klammer, dem Geschäftsführer von SLADO, dem Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund gesprochen und ihm Fragen zum und rund um den CSD gestellt.
Welche Ziele verfolgt SLADO e.V. mit dem CSD in Dortmund über die Sichtbarkeit hinaus?
Paul Klammer: „Ich würde sagen die typischen Themen. Vor allem das Zeigen, dass noch viel zu tun ist. Zudem ist Sicherheit und Schutz vor Gewalt dieses Jahr wieder Thema. Die Lage wird nicht besser und es gibt statistisch nachgewiesen eine Zunahme von Kriminalität.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein anderer Punkt. Da fragen wir uns: Wie geht es da weiter? Die neue Bundesregierung will das Gesetz evaluieren und anpassen – dagegen müssen wir uns aussprechen. Wir wollen die Lage von Regenbogenfamilien thematisieren und was dort in nächster Zeit, zum Beispiel nach der Kommunalwahl, passiert und passieren könnte.
Fast alle Parteien kommen zum CSD. Da heißt, dass es dort die nächste Möglichkeit gibt, seine politischen Anliegen kurz vorzutragen. Aber grundsätzlich ist der CSD ist ein Ort von Freude und Ausgelassenheit, den wir bieten wollen. Zumindest einen Tag im Jahr können hier queere Menschen die Mehrheit sein.“
Wie schätzt ihr die aktuelle Situation in Dortmund ein? Gibt es Fort- oder Rückschritte?
„Es gibt durchaus erkennbare Fortschritte in Dortmund. Im März gab es einen Aktionsplan für LSBTIQ mit 80 Vorhaben als wichtiges Signal an queere Menschen in Dortmund. Eine Frage stellt sich aber auch immer wieder: Wie weit darf der Staat in mein Privatleben eingreifen?

Die Strukturen hier in Dortmund sind gestärkt worden, zudem wird „schlau“, eine Schulinitiative von SLADO, gefördert. Durch die Initiative „Dortmund zeigt flagge“ gab es auch spürbar viel Zulauf aus Solidarität und Akzeptanz von außen.
Über Dortmund hinaus ist die Stimmung eher polarisierend: Eine wachsende Minderheit verfolgt ein engeres Weltbild mit menschenfeindlichen Absichten. Das betrifft nicht nur Queere, sondern auch Geflüchtete und Frauen.“
Welche Erfahrungen macht SLADO mit queer feindlicher Gewalt oder Diskriminierung?
„Wir sind und haben keine eigene Beratungsstelle für Einzelfälle. Die stadtinternen Angriffe und Sticker zum Beispiel bekommen wir auch meist erst über das Internet und die Presse mit. Am häufigsten sind es Pride-Flaggen, die abgerissen oder beschädigt werdenBisher gibt es dazu leider keine statistische Erfassung, doch seit April gibt es auf Landesebene eine Anlaufstelle für queer-feindliche Fälle, die z.B. nicht bei der Polizei angezeigt werden.

Mein grundsätzlicher Rat bei solchen Vorfällen ist: sich nicht gefallen lassen, Unterstützung holen und ganz wichtig: strafrechtlich Relevantes bei der Polizei anzeigen.
Unsere Kampagne #dortmundauf hat eine Internetseite, auf der kann man die nächste Beratungsstelle finden und Anleitungen zum Anzeigen queer feindlicher Angriffe oder Beschädigungen finden. Kommt es zu Gewaltfällen, darf man es nie auf sich selbst beziehen und muss sich bewusstwerden, dass die andere Person hier zur Verantwortung gezogen werden muss. Du bist nicht schuld an der Queer Feindlichkeit, die dir entgegengebracht wird.“
Welche Unterstützung wünscht ihr euch von Akteuren wie Arbeitgebern oder den Medien?

„Viele Arbeitgeber haben schon Programme aufgelegt, sogenanntes Diversity Management. Wenn das ernsthaft betrieben wird, dann hilft das allen im Unternehmen weiter und es gibt nachweislich bessere Ergebnisse im Unternehmen.
Bei Schulen erwarten wir, dass sie Anti-Diskriminierung ernst nehmen und thematisieren, da es gerade auch an Schulen passiert. Es erfordert aktives Einsetzen gegen Diskriminierung und das Entkräften der verankerten Weltbilder.
In den Medien ist es wichtig, dass queere Lebensrealitäten gezeigt werden. Zumeist werden die außergewöhnlichen Fälle vorgeschlagen und nach dem extraordinärsten gesucht, was aber nur ein einseitiges Bild zeigt und den queeren Personen nicht gerecht wird. Journalist:innen hingegen müssen sich zu dem Thema sprechfähig machen. Es darf nicht zugelassen werden, dass sich alte Stereotype unkommentiert wiederholen.“
Wie geht ihr mit Kritik um, dass der CSD kommerzialisiert ist und Politik in den Hintergrund tritt?
„Diese Kritik ist uns noch nicht so in der Schärfe vorgetragen worden. Im Vergleich zu Köln und Berlin sind wir eher noch politisch unterwegs, dort kann ich die Kritik aber in Zügen nachvollziehen. Wir nehmen gerne Vorschläge an, welche Themen man noch aufnehmen sollte.

Wir bieten jetzt keine Spielwiese für große Konzerne, jedoch brauchen wir Unternehmen, um den CSD in der Größe aufzustellen. Wir haben gute Sponsoren wie die DSW21 und die FH Dortmund, die uns da ernsthaft unterstützen und nicht auf sich selbst bedacht oder nur Sponsoren sind, um ihr Image reinzuwaschen.
Es gibt unterschiedliche CSDs, die immer anders veranstaltet sind und das ist gut so. CSDs ohne Konzern-Unterstützung sind eine starke Leistung, fallen aber dementsprechend auch meist kleiner aus. Es gibt eben keine Musterlösung, wie man den perfekten CSD macht.“
Was sind eure Wünsche oder Forderungen an die lokale Politik für die nächsten Jahre?
„Wir wollen, dass der Aktionsplan mit Leben gefüllt wird. Das geht erstmal an die Politik, denn diese muss etwas dafür leisten: man braucht mehr Ressourcen und bessere Finanzierungspläne, denn ab 2027 sind nur noch 30.000 eingeplant. Der nächste Rat muss da weiter dranbleiben. Ohne ausreichende Ressourcen bleibt der Aktionsplan einfach ein Stück Papier.
Es ist wichtig, dass wir Strukturen langfristig sichern und wissen, welche Planungssicherheit queere Einrichtungen haben. Wir, als SLADO, wollen uns weiterhin gemeinsam mit der Politik so offen und gemeinschaftlich für queere Themen einsetzen.“
Welche konkreten Angebote machen das „KCR“ und das „sunrise“ für die queere Community?

„Das sunrise veranstaltet zum Beispiel immer wieder offene Treff-Angebote für queere Jugendliche und regelmäßige Workshops und Beratungsangebote für Fachkräfte und Angehörige der Jugendlichen.
Beim KCR gibt es noch mehr: rund 20 Gruppen für Freizeitangebote und Kulturangebote wie den offenen Samstagstreff oder den Spieleabend. Diese Angebote richten sich dann aber auch weniger an Jugendliche, dafür ist das sunrise da“
Inwiefern spielen psychische Gesundheit, Coming-out und queere Bildung eine Rolle bei sunrise?
„Genau diese Themen sind der Mittelpunkt der Angebote. Wir wollen den Jugendlichen Raum geben, um ihre eigene Identität zu finden und sie genau darin bestärken.
Die psychische Unterstützung ist für alle Altersgruppen wichtig, aber die ständigen Krisen in dieser Welt sind besonders für Heranwachsende verunsichernd. Das Umfeld in der Schule oder in der Familie konfrontiert sie häufig mit starken Meinungen und im Netz ist man davor auch nicht sicher. Bei TikTok herrscht besonders viel Queer Feindlichkeit.“
Was wünscht ihr euch für die Zukunft von KCR und sunrise?
„Das sunrise soll ausgeweitet werden, da der gesamte Bedarf der queeren Jugendlichen nicht abgedeckt werden kann. Die Ressourcen und Räume, die seit 2018 genutzt werden, reichen nicht mehr aus. Beim sunrise muss noch einiges passieren, das wollen wir in Angriff nehmen.

KCR ist neben der Aidshilfe die größte unserer Initiativen auch im Hinblick auf das umfangreiche Angebot. Wir hoffen, dass das weiter so bestehen bleibt. Die letzten Jahre stimmen uns da sehr optimistisch“
Habt ihr eine Message, die ihr gerne weitergeben würdet? Jetzt kurz vor dem CSD.
„Kommt alle vorbei, seid laut und habt Spaß! Und passt auf euch auf, denn nicht alle Menschen da draußen sind queeren Menschen gut gesinnt. Aber ob ihr queer seid oder nicht, nehmt teil und genießt den Tag!“
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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