SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Erinnerungen an das Kaufhaus der Geschwister Jordan

Das Geschäftshaus an der Münsterstraße war eine Zierde des Nordens

Ansicht einer historischen Postkarte
Ein Blick in die Münsterstraße um 1915. In der Bildmitte das Geschäftshaus Geschw. Jordan an der Einmündung der Kielstraße. Sammlung Klaus Winter

An der Entwicklung der Münsterstraße zu einer Einkaufsstraße haben im Laufe der Zeit viele Geschäfte beigetragen. Eines von ihnen war das Textilkaufhaus Geschwister Jordan, das rund vierzig Jahre seine Türen für die Kundschaft öffnete. Die längste Zeit seines Bestehens befand sich das Geschäftshaus direkt an der Einmündung der Kielstraße in die Münsterstraße.

Geschwister aus Telgte gründeten die Textilwarenhandlung

Das Kaufhaus war am 9. Februar 1898 von den Geschwistern Albert und Henriette Jordan gegründet worden. Die Geschwister waren aus Telgte im Kreis Warendorf nach Dortmund gekommen. In ihrem Geschäft boten sie Kurz-, Weiß- und Wollwaren sowie Arbeitergarderobe an. Einen besonderen Schwerpunkt setzten sie auf Hutmode.

Illustrierte Werbeanzeige der Geschwister Jordan, Münsterstraße, für elegante Damenhüte, 1900
Illustrierte Werbeanzeige der Geschwister Jordan, Münsterstraße, für elegante Damenhüte, 1900 Generalanzeiger für Dortmund vom 13.10.1900 via zeitpunkt.nrw

Die Geschäftsräume befanden sich ursprünglich im Haus Münsterstraße 26. Aber nicht einmal ein Jahr nach der Eröffnung wurden sie in das Nachbarhaus Nr. 24 verlegt. Die Neueröffnung dort fand am 21. Januar 1899 statt. Auch wurde eine Filiale in Bochum eröffnet, die jedoch nur kurze Zeit bestand.

Arthur Jordan übernahm die Geschäftsführung

Um die Jahrhundertwende kam auch der jüngere Bruder Arthur Jordan nach Dortmund. Er arbeitete zunächst als Handlungsgehilfe im Familienunternehmen mit. Im März 1902 trat er an Stelle seiner inzwischen verheirateten Schwester als persönlich haftender Gesellschaft ein.

Zu Beginn des Jahres 1905 wurde Arthur Jordan dann alleiniger Gesellschafter von Geschwister Jordan, denn Albert Jordan wagte aus unbekannten Gründen einen Neuanfang an der Rheinischen Straße. Das Angebot seines neuen Geschäfts entsprach dem an der Münsterstraße.

Neues Kaufhaus galt als Zierde des Nordens

Arthur Jordan setzte auf Expansion. Im Februar 1907 wurde bekannt, dass er das Haus Münsterstraße 45 Ecke Kielstraße für rund 147.000 Mark gekauft hatte und einen umfassenden Umbau plante. Nach dem Umbau konnte die Kundschaft in hellen Räumen im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss ihre Einkäufe tätigen.

Werbeinserat zur Neueröffnung des Geschäftshauses Geschwister Jordan, Münsterstraße 45, 1908.
Werbeinserat zur Neueröffnung des Geschäftshauses Geschwister Jordan, Münsterstraße 45, 1908. Dortmunder Tageblatt vom 03.10.1908 via zeitpunkt.nrw

Die Bauarbeiten waren im Herbst 1908 abgeschlossen. Zum Monatswechsel September/Oktober fand der Umzug von der Münsterstraße 24 aus statt.

Die Tagespresse stellte zufrieden fest, dass der Norden wieder um eine neue Zierde bereichert worden war. Die geschmackvoll dekorierten Schaufenster lenken die Aufmerksamkeit der Passanten mit Recht auf sich. Manch holde Schönheit bleibt davorstehen, um mit begehrlichem Blick die zur Schau gestellten Herrlichkeiten zu betrachten.

Firmenjubiläum fand während der Ruhrbesetzung statt

Auf das 25jährige Geschäftsjubiläum im Februar 1923, also kurz nach dem Beginn der Besetzung Dortmunds durch französisches und belgisches Militär, wiesen mehrere Zeitungen hin. Von einer Feier oder einer anderen Jubiläumsaktion ist aber nichts bekannt. Möglicherweise sind sie den Zeitumständen zum Opfer gefallen.

Zeitungsnotiz zum 25jährigen Geschäftsjubliäum der Fa. Geschwister Jordan, 1923.
Zeitungsnotiz zum 25jährigen Geschäftsjubliäum der Fa. Geschwister Jordan, 1923. Dortmunder Zeitung vom 19.02.1923 via zeitpunkt.nrw

Am Ende der Besatzungszeit gewann Geschwister Jordan im Rahmen eines Schaufenster-Wettbewerbs ein Anerkennungsdiplom. 1927 wurde die neu installierte indirekte Beleuchtung der Schaufenster des Handelsgeschäfts sehr gelobt.

Geschäftshaus wurde zweimal vergrößert

Rund zwanzig Jahre nachdem er das Haus Münsterstraße 45 gekauft und umgebaut hatte, konnte Arthur Jordan eine weitere bedeutende Vergrößerung seiner Geschäftsräume abschließen. Sie war durch die Eingliederung des Hauses Münsterstraße 43 möglich geworden.

Eine dritte Geschäftserweiterung erfolgte dann bereits 1930. Die vormals im Nachbarhaus Münsterstraße 41 beheimatet gewesene Glückauf-Apotheke wurde von Arthur Jordan für 15 Jahre angemietet, umgebaut und als neuer Flügel dem bestehenden Kaufhaus Münsterstraße 45-53 angegliedert.

Nach dem Abschluss der Bauarbeiten führten drei Eingänge in das Geschäftshaus Geschwister Jordan, dessen Anschrift nun Münsterstraße 45-41 lautete. Ein interessantes Detail des Umbaus war, dass auf dem Dach ein Garten für das Personal geschaffen worden war.

Es gab eine Vielzahl von Aktionen und reichlich Werbung

Werbeinserat der Fa. Geschwister Jordan für eine Waschvorführung, 1930
Werbeinserat der Fa. Geschwister Jordan für eine Waschvorführung, 1930 Westfälische allgemeine Volkszeitung vom 06.10.1930 via zeitpunkt.nrw

Eine besondere Aktion, die im Rahmen der Geschäftserweiterung gestartet wurde, war eine große Waschvorführung mit den bekannten Lux-Seifen der Sunlicht-Gesellschaft. […] Es wird gewaschen, getrocknet und gebügelt. […] Der Schaumturm ist eine Sehenswürdigkeit.

Anfang 1931 geriet das Geschäftshaus wegen einer außergewöhnlichen Dekoration in die Schlagzeilen: Über allen Verkaufstischen waren Pergolen errichtet, die mit blühenden Zweigen durchflochten waren.

Eine Zeit massiver Einschnitte

Zu der Zeit herrschte aber die Weltwirtschaftskrise, die sich natürlich auch auf Dortmunder Unternehmen auswirkte. So musste Arthur Jordans Bruder Albert sein Geschäft an der Rheinischen Straße aufgeben. Es wurde von Arthur Jordan übernommen und rasch weiterverkauft. Albert Jordan und seine Ehefrau Auguste wurden von Arthur Jordan angestellt.

Doch auch die Verhältnisse bei der Firma Geschwister Jordan änderten sich noch 1933. Denn am 1. Dezember des Jahres wurde ein notarieller Kaufvertrag abgeschlossen, bei dem der Kaufmann Arthur Jordan sein Textilwarengeschäft an der Münsterstraße verkaufte.

Vertraglich vereinbart wurde, dass Arthur Jordan und seine Frau Wilhelmine geb. Kahn ihre Erfahrung weiter dem Geschäft widmen und im Geschäft tätig bleiben sollten. Darüber hinaus wurde festgehalten, dass sowohl der Sohn Karl Jordan als auch der Schwiegersohn Rechtsanwalt Dr. Albert Katz eine Mitarbeit im Geschäftsbetrieb fordern konnten.

Ein Engländer als neuer Geschäftsinhaber

Von den beiden Käufern der Firma Geschwister Jordan schied der jüdische Kaufmann Hermann Falkenstein aus Recklinghausen im Sommer 1936 bereits wieder aus. So wurde der englische Staatsbürger Eric Bell alleiniger Eigentümer des Textilkaufhauses an der Münsterstraße.

Bell stand bei der nationalsozialistischen Stadtspitze im Verdacht, Jude zu sein. Mehrfach wurde er deshalb aufgefordert, seine arische Abstammung nachzuweisen. Angeblich konnte Bell jedoch die erforderlichen Urkunden von den englischen Behörden nicht erhalten.

Werbeinserat der Bell G.m.b.H., nach Übernahme der Fa. Geschwister Jordan durch Eric Bell, 1936
Werbeinserat der Bell G.m.b.H., nach Übernahme der Fa. Geschwister Jordan durch Eric Bell, 1936 Dortmunder Zeitung vom 18.06.1936 via zeitpunkt.nrw

Im August 1939 verließ Bell Deutschland dann für einen Ferienaufenthalt in Richtung Belgien. Da er seinen Geschäftsführer beauftragt hatte, ihm sämtliche Bekleidungsstücke und Wäsche nachzuschicken, ging man davon aus, dass er nicht mehr nach Dortmund zurückkehren würde.

Von Köln über Theresienstadt in die Niederlande

Seit April 1929 hatten die Eheleute Arthur Jordan im Haus Dreihüttenstraße 8 gewohnt. Sie meldeten sich am 8. April 1934 nach Köln-Braunsfeld ab. Vermutlich wurden sie von dort wegen ihres jüdischen Glaubens deportiert.

Helga Jordan, Tochter des Albert Jordan, berichtete, dass ihr Onkel Arthur Jordan in Theresienstadt interniert gewesen war und den Tod ihrer Eltern, die dort ebenfalls interniert waren, erlebt hatte. Arthur Jordan überlebte Theresienstadt. Er starb 1950 in den Niederlanden.


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