Vor 30 Jahren zogen die Briten ab – heute sind aus den Kasernen lebendige Stadtteile geworden

Die Rheinarmee verließ Dortmund 1995 und gab 270 Hektar Fläche frei

Ein gigantischer Lost Place: Die Napier-Barracks auf Hohenbuschei. Bis zum Abriss verfiel das Areal mehr als 20 Jahre lang. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Am 12. Juli 1995 endete ein prägendes Kapitel Dortmunder Stadtgeschichte: Die britische Rheinarmee zog endgültig ab. Elf Standorte, insgesamt 270 Hektar Fläche – größer als Monaco – standen plötzlich leer. Was für viele zunächst unvorstellbar war, ist heute ein stadtplanerischer Erfolg: Hohenbuschei, Auf dem Hohwart und die Stadtkrone Ost prägen das Stadtbild, schaffen Wohnraum, Arbeitsplätze und Lebensqualität.

Kasernen waren „No-go-Areas“ – heute sind sie Quartiere

„1995 standen hier auf der Stadtkrone-Ost allein 270 Hektar Konversionsfläche zur Verfügung, als die Rheinarmee abgezogen ist“, erinnert Oberbürgermeister Thomas Westphal. „Das wird manchmal vergessen, weil man mehr auf Phoenix blickt.“

Luftbild der Stadtkrone-Ost aus dem Jahr 2005. Die gewerbliche Bebauung an der B1 fehlt noch nahezu vollständig. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Aber die Stadtkrone-Ost ist mindestens genauso erfolgreich – jetzt, mit der Continentale, ist der Schlusspunkt gesetzt. Statt 3.800 Soldat:innen gibt es heute 7.000 neue Arbeitsplätze. Das ist ein starkes Stück Dortmund geworden“, so Westphal.

Die großen britischen Kasernen im Dortmunder Osten waren jahrzehntelang Sperrgebiet: Truppenübungsplätze, ein Militärflugplatz, Wohnhäuser für tausende Soldatenfamilien.

„Insgesamt gab es elf Standorte der Rheinarmee, die aufgelöst wurden“, erklärt Planungsdezernent Stefan Szuggat. „Über 1.500 Wohnungen wurden damals von britischen Familien genutzt. Hohenbuschei, Stadtkrone-Ost und Auf dem Hohwart waren die größten Flächen.“

Die Herausforderung war enorm: „Schon vor der britischen Armee gab es natürlich Vornutzungen“, sagt Szuggat. „In Brackel auf Hohenbuschei war ursprünglich der zivile Flughafen. Heute hat sich das zu einem gemischten Gebiet entwickelt – mit über 5.000 Beschäftigten und einem sehr beliebten Wohngebiet.“

Hohenbuschei: Vom Militärflugplatz zum gefragten Wohnquartier

Luftbild vom damaligen Flughafen
Der zivil genutzte Flughafen in Dortmund-Brackel im Jahr 1930 – heute als „Hohebuschei“ bekannt. Bild: Sammlung Klaus Winter

Besonders prägnant ist die Entwicklung von Hohenbuschei. Einst Napier Barracks, heute modernes Wohnen, Sport und Freizeit. Der alte Dortmunder Flughafen wurde im Zweiten Weltkrieg militärisch genutzt, die Royal Air Force übernahm ihn 1945. 

Später kam eine Raketeneinheit dazu, der südliche Teil wurde Kasernenstandort, der nördliche ein Golfplatz – der Royal Saint Barbara’s Golf Club nutzt ihn bis heute.

Abbruch und Neubau: Auf Hohenbuschei wurde unter anderem das BVB-Trainingsgelände gebaut. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Mit 156 Hektar, wenn man den Golfplatz dazu rechnet, ist Hohenbuschei eine der größten Konversionsflächen Dortmunds“, so Szuggat. 

Heute gibt es hier rund 1.700 sozialversicherungspflichtige Jobs, der Fußballpark Borussia prägt das Bild ebenso wie die Wohngebiete: 708 Wohngebäude, 950 Haushalte – über 2.700 Menschen leben hier. Der BVB hat die Flächen für ein medizinisches Zentrum weiterentwickelt – auch das stärkt die Attraktivität des Quartiers.

Auf dem Hohwart: Aus der Armeeversorgung wird Wohnraum

Historische Ansicht
Ansicht der ehemaligen Polizeikaserne auf dem Hohwart, die nach dem 1. Weltkrieg gebaut wurde. Während der Ruhrbesetzung zogen die Franzosen ein. Danach konnte die Polizei kurzzeitig einziehen, bevor die Wehrmacht die Kaserne übernahm. Nach dem 2. Weltkrieg zogen die Briten ein. Bild: Sammlung Klaus Winter

Etwas leiser, aber nicht weniger wichtig verlief die Entwicklung auf dem ehemaligen Areal der Suffolks Barracks.

Südlich der Galopprennbahn lag der Versorgungsstandort der Armee und Wohnort für viele britische Familien. Nach dem Abzug entstand hier fast ausschließlich Wohnbebauung. 

„Mit der Europaschule wurde die britische Cornwall-Schule weiter als Schule genutzt“, sagt Szuggat. Heute gibt es hier 312 Wohngebäude, 1.160 Menschen leben in dem Quartier. Auch die Finanzverwaltung fand hier ihren Platz.

Stadtkrone-Ost: Früher Abzug, mutiger Umbau

Luftbild
Die Stadtkrone-Ost war ein sehr beliebtes Neubaugebiet – auch für Wohnungsbau. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Die Stadtkrone-Ost war die früheste große Konversionsfläche. „Die Briten hatten ihren Abzug Anfang der 90er-Jahre angekündigt“, erinnert sich Szuggat. Die Stadt plante damals, die Fachhochschule hierhin zu holen – am Ende wurde daraus ein Technologiepark der zweiten Generation.

„Das war eine Erfolgsgeschichte“, so Szuggat. „Das Land sah den Standort damals nicht für die FH, so entstand ein gemischtes Konzept: eine Gewerbezone entlang der B1 und ein großes Wohngebiet. Die Stadtkrone-Ost ist sehr markant gewachsen.“

Gebäudeansicht Neubau Stadtkrone-Ost
Der Neubau des Continentale Campus bildet so etwas wie den Abschluss der Entwicklung auf der Stadtkrone-Ost. Foto: Continentale Versicherungsverbund

Und sie wächst bis heute sichtbar: Nach ADAC, IBM, adesso, TK, AOK und Holiday Inn hat nun die Continentale Versicherung mit ihrem Neubau den Schlusspunkt gesetzt. „Auf der Stadtkrone-Ost gab es eine stufenweise Entwicklung in drei Abschnitten“, beschreibt Szuggat.

„Es waren ursprünglich drei Kasernen. Die großen Gewerbebauten entlang der B1 schirmen den Lärm für die Wohngebiete ab.“ Insgesamt arbeiten hier inzwischen über 5.500 Menschen – dazu kommen über 1.100 Bewohner*innen.

Wohnen, Jobs und Freizeit: Dortmund kann Konversion

Archivbild Kaserneneingang
Die Flak-Kaserne auf der Stadtkrone-Ost Ende der 30er Jahre – heute ist hier das westliche Ende des Europa-Platzes. Bild: Sammlung Klaus Winter

Von militärischen Sperrflächen zu lebendigen Quartieren mit Wohnraum, Jobs und Freizeit: Dortmund hat gezeigt, wie erfolgreiche Konversion geht.

„Insgesamt ist das eine sehr erfolgreiche Geschichte der Flächenentwicklung“, sagt Szuggat. „Und die Flächen sind schon seit längerer Zeit voll entwickelt.“

Das Hohenbuschei-Gelände heute. Foto: Sebastian Hopp

Für Oberbürgermeister Westphal ist die Bilanz klar: „Statt Panzer, Sperrgebiet und Stacheldraht gibt es heute Wohnen, Arbeiten, Sport und Freizeit – und tausende Menschen, die hier ein neues Zuhause oder einen Arbeitsplatz gefunden haben. Das ist Strukturwandel, wie er sein soll: mutig, nachhaltig und sozial.“

Impressionen von den Napier-Barracks auf Hohenbuschei (2005-2007)


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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