Freie Fahrt: Hoeschallee wird trotz hoher Kosten gebaut – Debatte um Nutzen und Belastung

Die Stadt Dortmund muss die 62 Millionen Euro selbst finanzieren

Blick ins Plenum
Am Ende stimmte der Rat dem ersten Bauabschnitt der Hoeschallee bei deutlichen Gegenstimmen zu. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Die Stadt Dortmund macht Ernst: Der Bau der Hoeschallee auf dem Gelände der Westfalenhütte ist politisch beschlossen – trotz der Tatsache, dass die Stadt über 60 Millionen Euro aus eigener Kasse zahlen muss. Der erste Bauabschnitt umfasst den Umbau des Knotens Brackeler Straße und die südliche Strecke bis zum neuen Gewerbegebiet. Im Rat prallten erneut unterschiedliche Auffassungen aufeinander: Während SPD, CDU und FDP/Bürgerliste die neue Achse als dringend nötige Entlastung verteidigen, sprechen Grüne, Linke und Die PARTEI von einem überdimensionierten Projekt, das zusätzlichen Verkehr in die Nordstadt zieht.

CDU: „Wir wissen, dass das ein Brett ist“

Uwe Waßmann (CDU) betonte, seine Fraktion stimme dem Bau trotz finanzieller Bauchschmerzen zu: „Wir wissen, dass wir finanziell beansprucht werden – ausschließlich aus dem städtischen Haushalt, weil Fördergelder des Landes ausbleiben. Aber die Bedeutung dieser Straßenentwicklung ist enorm. Wir brauchen die Entlastung der Menschen in der Nordstadt – bei Lärm und Luftbelastung. Wir haben die Einwendungen von Verbänden wahrgenommen. Es ist ein Abwägungsprozess.“

Uwe Waßmann (CDU) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Waßmann erinnerte daran, dass die Hoeschallee als größte Maßnahme im Lärmaktionsplan eingestuft sei: „Das vergessen viele. Dass die Einwender diese Argumentation völlig negieren, hat uns erstaunt.“

„Für uns ist klar: Wir stimmen heute zu, weil wir die Notwendigkeit erkennen. Und wir bitten die Verwaltung, weiter alle Wege zu suchen, um doch noch an Fördertöpfe zu kommen – denn das Ganze ist mit über 60 Millionen Euro ein Brett“, so der CDU-Politiker.

SPD: „Wir können über die Mobilitätswende reden – aber weniger LKWs sehe ich nicht“

Carla Neumann-Lieven (SPD) hob hervor, wie lange das Thema schon durch die Gremien läuft: „Was für eine Langstrecke! Ich weiß wirklich nicht mehr genau, wie lange wir schon über die Anbindung der Westfalenhütte und die Entlastung des Borsigplatzes reden. Förderanträge sind angesprochen worden – da müssen wir dranbleiben, sonst wird es teuer.“

Carla Neumann-Lieven (SPD) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Für die SPD sei aber klar: Ohne Straße gehe es nicht. „Diese Straße brauchen wir dringend – gerade für den LKW-Verkehr. Wir können über die Mobilitätswende reden, so viel wir wollen – weniger LKWs sehe ich in den nächsten Jahren garantiert nicht.“

„Immer mehr Waren bewegen sich auf der Straße. Der erste Baubeschluss ist ein Schritt, um endlich eine Entlastung zu erreichen. Wir bleiben bei unserem Ja“, so die SPD-Fraktionsvorsitzende.

Grüne: „Wir verschließen uns nicht, aber die Dimension ist falsch“

Leander Schreyer (Grüne) stellte klar, dass seine Fraktion die Erschließung grundsätzlich nicht blockiere, aber die Planung scharf kritisiere: „Der LKW-Verkehr ist ein gutes Beispiel: Der gehört aus unserer Sicht auf die Autobahnen und dann auf direktem Weg auf die Bundesstraßen wie die B236 – nicht durch die Wohnquartiere. Es wurde den Menschen damals versprochen, dass der Hafen besser angebunden wird – aber das darf nicht heißen, dass der Schwerverkehr quer durch die Nordstadt rollt.“

Leander Schreyer (Grüne) Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Schreyer monierte, dass die Verwaltung keine modernen Alternativen mitliefere: „Wir finden es enttäuschend, dass nicht mit gleichem Nachdruck die Verlängerung der Stadtbahnlinie vorangebracht wird. Die ist seit Jahren Beschlusslage. Stattdessen plant man eine vierspurige Straße – und das zieht noch mehr Verkehr an.“

„Es fehlt auch eine Rad- und Fußverkehrsführung. Wer die Metropolradruhr-App aufruft, sieht: Die meisten Räder stehen auf der Westfalenhütte. Das zeigt doch, dass Radverkehr hier ein Thema ist“, so der Grünen-Politiker.

Kritik von „Die Linke+“: „Eine Planung aus den 1920er Jahren“

Utz Kowalewski (Die Linke+) ging in seiner Wortmeldung in die Offensive: „Nur mal, um die Zahlen zu nennen: 62 Millionen ohne Förderung – mit Baukostensteigerung schnell über 70 Millionen. Und das, während unser bestehendes Straßennetz kaputt ist. Jeder draußen kann sehen: Es bröckelt überall. Und dafür sollen wir eine neue Schnellstraße bauen?“

Utz Kowalewski (Die Linke+) Foto: Javad Mohammadpour für nordstadtblogger.de

Er sieht die Nordspange als überholt: „Die Ost-West-Tangente beginnt an der A45, soll an der A1 enden. Wer glaubt, dass das eine Entlastungsstraße ist, macht sich etwas vor. Die Prognosen zeigen eine Verkehrsdichte wie auf der B1.“

„Das ist keine Entlastung, das ist eine Belastung – für die Nordstadt, für Wickede, für Asseln. Die vierspurige Dimension zeigt doch, dass man große Verkehre plant. Wir wollen das den Menschen nicht zumuten – wir lehnen das ab“, so der Co-FRaktionsvorsitzende von „Die Linke+“.

FDP/Bürgerliste: : „Ohne LKW keine Waren – das ist Realität“

Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Michael Kauch (FDP/Bürgerliste) reagierte auf die Argumente der Grünen mit deutlicher Kritik: „Heute ist es zwar nicht so warm, aber bei dem, was ich gerade gehört habe, bekomme ich Blutdruck. Sie sagen, LKWs sollen nur auf der Autobahn fahren. Bestellen Sie dann nichts mehr bei Amazon? Kaufen Sie nur noch bei Supermärkten direkt an der Autobahn? Das ist doch weltfremd.“

Er warnte vor einer unrealistischen Ideologie: „Die Waren müssen in die Stadt rein. Wer das leugnet, ist schlicht gegen die Entlastung der Nordstadt. Das ist Ideologie gegen Straßenbau – und das ist absurd. Es braucht diese Straße, damit die Menschen weniger Belastung haben.“

SPD: „Es geht um Gesundheit und soziale Fragen“

Veronika Rudolf (SPD) brachte eine weitere Perspektive ein: „Wir diskutieren die ganze Zeit über Belastung und Entlastung – aber was ist mit der Gesundheit der Menschen? Die Luftschadstoffe sind schon jetzt grenzwertig, besonders Feinstaub am Borsigplatz. Künftig werden die Grenzwerte noch schärfer. Das wird immer schwieriger einzuhalten.“

Veronika Rudolf (SPD) Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Deswegen müssen wir schon jetzt uns auf dem Weg machen, wir müssen uns Gedanken machen, wie können wir die Menschen vor Ort wirklich nicht nur entlasten, sondern gesundes Leben vor Ort ermöglichen, und das ist auch eine soziale Frage“, betonte die SPD-Politikerin.

„Deswegen, wie gesagt, wir reden nicht nur von LKW-Verkehren, nicht von theoretischen Szenarien, sondern wir reden von Menschen vor Ort, die unsere Unterstützung brauchen“, so Rudolf.

Grüne: „Doppelt geplant – nur für OW3A?“

Oliver Stieglitz (Grüne) warnte davor, mit der Hoeschallee eine überflüssige Parallelstruktur zu schaffen: „Das Westfalenhütten-Gelände hat schon zu Hoesch-Zeiten einen eigenen Anschluss an die B236 bekommen – über die Springorumstraße. Warum jetzt noch eine parallele Erschließung über die Brackeler Straße? Das ergibt keinen Sinn. Das macht nur Sinn, wenn man die OW3A weiterbauen will – und das wollen wir nicht.“

Zufahrt von der Brackeler Straße zur Nordspange (Hoeschallee)
Die (künftige) Zufahrt von der Brackeler Straße zur Nordspange (Hoeschallee). (Archivbild) Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Er fürchtet, dass die leistungsfähige Straße neuen Verkehr anzieht: „Wir schaffen damit einen Anreiz für mehr Verkehr in die Nordstadt und Richtung Innenstadt. Die Erschließung selbst stellen wir nicht in Frage – aber die Überdimensionierung schon.“

„Wer sich die Papiere von VCD oder ADFC ansieht, versteht die Problematik. Ich empfehle, sprechen Sie mit denen mal – die wissen, wovon sie reden“, so Stieglitz.

Fazit: Mehrheit für Bau, Streit geht weiter

Am Ende stimmte der Rat dem ersten Bauabschnitt der Hoeschallee bei deutlichen Gegenstimmen zu. Frühester Baubeginn: 2026. Ob die Straße am Ende wirklich die erhoffte Entlastung bringt oder neue Konflikte schafft, bleibt umstritten.


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Reaktionen

  1. Cornelia Wimmer

    „Freie Fahrt“ – für wen? Bislang fragt sich, wie die Querungen über die Bornstraße und die Evinger Straße bewältigt werden sollen. – Auf beiden verlaufen Stadtbahnlinien. Auf meine diesbezüglichen Nachfragen habe ich nie eine Antwort bekommen.
    Der Knoten Dammstraße/Evinger Straße ist jetzt schon hoch belastet. Wenn es dort, was oft vorkommt, knallt, ist die Stadtbahnverbindung für Stunden hin.
    Mobilitätswende geht so jedenfalls nicht. Und je unzuverlässiger der ÖPNV wird, desto mehr Menschen besinnen sich, resigniert, aufs Auto. (sofern sie sich ein solches leisten können) . Was dann zusätzlichen Straßen- und Parkraum erfordert. – Schlimmer geht bekanntlich immer.

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