Rechtsstreit über die städtische Internetseite endet in Karlsruhe:

Die Ruhrnachrichten unterliegen auch vor dem Bundesgerichtshof gegen die Stadt Dortmund

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in letzter Instanz die Klage der Ruhrnachrichten abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in letzter Instanz die Klage der Ruhrnachrichten abgewiesen. Foto: Roman Tizki für Depositphotos.com

Ein Gastbeitrag von Frank Biermann

Der Dortmunder Zeitungsverleger Lambert Lensing-Wolff (Ruhrnachrichten) hat vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem Rechtsstreit über das Internetangebot der Stadt Dortmund eine neuerliche Niederlage einstecken müssen. Lensing-Wolff hatte mit seiner beantragten Revision des Urteils vom Oberlandesgericht Hamm keinen Erfolg. Dieses hatte eine Entscheidung des Landgerichts Dortmund aus dem August 2017 korrigiert (wir berichteten). Der Verlag hatte auf dem Klagewege erreichen wollen, dass die Stadt Dortmund auf ihrem Internetportal dortmund.de nur über eigene Aktivitäten, also der Verwaltung und aus dem Rathaus, berichten dürfe.

BGH sieht das Gebot der „Staatsferne der Presse“ nicht verletzt

Alles, was über die Berichterstattung aus Verwaltung und Rathaus hinausgehe, wie Berichte über Borussia Dortmund oder den Tatort aus Dortmund, gehöre nicht in ein städtisches Informationsmedium und sei der freien Presse vorbehalten, hatten Lensing-Wolff und sein Rechtsvertreter argumentiert.

Eine Internetseite wird beklagt - dafür braucht es viel Papier.
Eine Internetseite wird beklagt – dafür braucht es viel Papier – zumindest vor den Gerichten. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Damit hatte Lensing-Wolff schon im Juni 2021 vor dem 4. Zivilsenat des OLG Hamm keinen Erfolg gehabt. Genauso erging es ihm jetzt vor dem 1. Zivilsenat am Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Der ist für Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zuständig.

In dem am 14. Juli verkündeten Urteil heißt es, „dass das Internetangebot einer Kommune in Form eines Stadtportals, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind, das Gebot der ,Staatsferne der Presse‘ nicht verletzt“.

Bei der gebotenen wertenden Betrachtung könne der Senat auch nicht feststellen, dass der Gesamtcharakter des Portals geeignet sei, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.

Karlsruhe sieht Informationspflicht als Teil der kommunalen Selbstverwaltung

Gegen den damaligen OB Ullrich Sierau war Lambert-Lensing-Wolff vors (Land-)Gericht gezogen und gewann. In der letzten Instanz kann sein Nachfolger Thomas Westphal den Erfolg gegen den Verleger für sich verbuchen. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal zeigte sich in einer Medieninformation erfreut über das BGH-Urteil. Es freue ihn sehr, dass der Bundesgerichtshof die Linie der Stadt Dortmund nun „komplett bestätigt hat“.

Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof die Informationspflicht als Teil der kommunalen Selbstverwaltung ausdrücklich gewürdigt hat, sei nicht nur für die Stadt Dortmund ein wichtiger Punkt: „Dieses Urteil gibt allen Kommunen mehr Sicherheit, ihre Informationen in der gebotenen Art und Weise auch digital zur Verfügung zu stellen“, so der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal.


Mehr zum Urteil vom 14. Juli 2022 (Aktenzeichen I ZR 97/21) gibt es hier: LINK

Reaktioneller Hinweis: Nordstadtblogger.de hat auch RN-Verleger Lambert Lensing-Wolff um eine Stellungnahme gebeten. Sobald diese vorliegt – wenn es denn eine gibt -, werden wir unseren Bericht entsprechend ergänzen.
UPDATE: Die Stellungnahme liegt mittlerweile vor. Wir veröffentlichen Sie in voller Länge als Kommentar.


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Reaktionen

  1. Stellungnahme von Lambert Lensing-Wolff, Herausgeber der Ruhr Nachrichten (Dortmund) zum heutigen Urteil des BGH:

    „Wir möchten zunächst die schriftlichen Urteilsgründe abwarten und solide prüfen. Allerdings lässt sich bereits aufgrund der Erkenntnisse aus der mündlichen Verhandlung sowie der heutigen Presseerklärung des BGH vorläufig feststellen:

    Das heutige Urteil des BGH wird vermutlich das Grundsatzurteil desselben Senats aus Dezember 2018 bestätigen und damit den Kommunen weiter enge Grenzen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit setzen. Die von uns bemängelten Beiträge auf der Internetseite der Stadt wurden von allen drei Gerichtsinstanzen in den Verhandlungen als unzulässige Beiträge angesehen.

    Zusätzlich wurde vom BHG anscheinend erfreulicherweise festgehalten, dass die Schranken des Urteils aus 2018 eindeutig auch für Online-Angebote gelten. Die Stadt Dortmund hatte in dem Verfahren angestrebt, dass die ihr gesetzten Grenzen sich ausschließlich auf Printangebote beschränken sollten.

    Bedauerlicherweise akzeptierte das BGH-Urteil mutmaßlich jedoch die aus unserer Sicht inakzeptable, rein quantitative Betrachtung des OLG Hamm in Bezug auf die Zumutbarkeit kommunaler Pressearbeit.

    Das würde in der Folge bedeuten: Solange eine Kommune nur die ausreichende Menge an zulässigen Verwaltungsinhalten mit den im Einzelnen unstrittig unzulässigen, presseähnlichen Inhalten vermischt, würde dadurch der eigentlich unzulässige Teil bei der summarischen Betrachtung plötzlich zulässig.
    Das wäre so, als würde ein Apotheker einer Arznei nur ausreichend harmlose Stoffe beimischen können, um die eigentlich giftige Grundsubstanz von Quecksilber plötzlich als Bestandteil eines gesunden und zulässigen Heilmittels verkaufen zu können.

    Das kann nicht im Sinne einer freiheitlichen, staatsfernen Presseordnung sein.

    Daher werden wir die heutige Entscheidung des BGH sorgfältig bewerten und wegen der grundsätzlichen Betroffenheit des Artikel 5 im Grundgesetz eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Erwägung ziehen.
    Staatliche Stellen dürfen sich nicht den unzulässigen Zugang zum Pressemarkt mit dem „Auffüllen von Verwaltungsdokumenten“ erschleichen. Das würde auf perfide Art und Weise den Grundsatz der Staatsferne der Presse aushöhlen und umgehbar machen und den Bürgerinnen und Bürgern sowie unserer Demokratie langfristig großen Schaden zufügen.

    Zur Klarheit möchte ich nochmals auf zwei Dinge hinweisen. Das von uns angegriffene von der Stadt Dortmund verfasste Selbstverständnis der kommunalen Pressearbeit lautete wie folgt:

    Wie hat Dortmund die BVB-Meisterschaft gefeiert? Wo sehen Bürgern Highlights bei der nächsten Kulturveranstaltung in der City? Kurz: Was bewegt die Stadt?

    Die Dortmund-Redaktion berichtet umfassend mit journalistischem Know- how in Wort und Bild.

    Ob bei Großveranstaltungen oder kleinen, aber feinen Ereignissen: Die Redaktion ist vor Ort und sorgt dafür, dass Dortmunderinnen, Dortmunder und Interessierte schnell, gründlich, verständlich über http://www.dortmund.de und Print informiert werden.

    Markenzeichen der Redaktion ist die vertiefende Berichterstattung mit Bebilderung rund um alle Dortmunder Themen wie etwa Politik, Sport, Wirtschaft, Kultur, Freizeit. Die schnelle Nachrichten, der verständliche Bericht, der Newsticker zu speziellen Anlässen gehören genauso zum Repertoire der Dortmund-Redaktion wie bunte Reportagen, spannende Porträts und lebendige Interviews mit Menschen dieser Stadt. Je nach Anlass ziehen informative oder emotionsgeladene Bilderstrecken den Betrachter in den Bann. Außerdem dokumentiert die Redaktion Ereignisse, die für die Stadt eine besondere Bedeutung haben, mit Texten und Fotos, die dann auf dem Internetportal oder in gedruckter Form von Interessierten nachzulesen sind.

    Ein weiteres Handlungsfeld des Redaktionsteams ist der gesamte Printbereich. Broschüren, Flyer und Magazine zu speziellen Dortmunder Themen oder der Stadt im Allgemeinen bestückt die Redaktion mit Geschichten und Fotos. Garantiert bekommen Interessierte mit der Dortmund-Redaktion einen Mehrwert: mehr Hintergrund, mehr Informationen, mehr Wissen.

    Der damalige Oberbürgermeister Ullrich Sierau machte darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung am Landgericht Dortmund sehr deutlich, dass er aufgrund von Defiziten in der allgemeinen Pressearbeit einen Anspruch für eine eigene, ihm passendere Medienarbeit ableite.

    Die Stadt Dortmund sollte sich auf ihre ureigenen Aufgaben besinnen: Bei Straßen, Schulen, Kindergärten, sozialen Fragen, Wohnungsbau, Wirtschaftsförderung und vielen anderen Themen gibt es immensen Nachholbedarf. Die Digitalisierung der Verwaltung und damit die Vereinfachung von Verwaltungsprozessen für die Bürgerinnen und Bürger wäre ebenfalls von großer Wichtigkeit.

    Der – wenn auch schleichende – Einstieg in die Medienarbeit, die im Ergebnis sowohl die Stadt als auch deren Oberbürgermeister möglichst „erstklassig“ dastehen lassen soll, gehört jedenfalls nicht zu ihren steuerfinanzierten kommunalen Aufgaben. Davon sollte sie allein aus demokratischem Grundverständnis die Finger lassen.

    Mein Großvater Lambert Lensing II war Mitglied des Parlamentarischen Rats und damit einer der Verfasser unseres Grundgesetzes. Die unmittelbaren Erfahrungen in der Nazi-Diktatur mit der Übernahme aller relevanten Medienaktivitäten durch den Staat saß nach dem Weltkrieg allen tief in den Knochen. Artikel 5 unseres Grundgesetzes steht also nicht ohne Grund auf Platz 5 im wichtigsten Teil unserer Verfassung.

    Es hieß eben auch: Nie wieder staatliche Presse.“

  2. Christian

    Ein folgerichtiges und auch juristisch überzeugendes Urteil. Aufgrund der zutreffenden Wertung der Vorinstanz war diese Entscheidung absehbar; umso erfreulicher ist es, dass der BGH diesem liberalen Ansatz gefolgt ist.

    Die oben stehende Reaktion der unterliegenden Partei ist dann leider entlarvend. Der Vergleich mit giftigem Quecksilber und der unterschwellige Vergleich mit dem Nationalsozialismus werfen kein gutes Bild auf den Verlag. Dieser Kommentar erinnert eher an ein waidwundes Tier, welches wild um sich schlägt. Aufgrund immer deutlicher sinkender Absatzzahlen geriert man sich hier als Opfer des Rechtssaates und klammert sich verzweifelt an den letzten argumentativen Strohhalm. Schade: Ein guter Verlierer nach einem rechtsstaatlichen Verfahren sieht anders aus.

  3. Peter Hellweg

    Wenn die freie Presse ihre Aufgaben nicht oder journalistisch unzureichend erfüllt, dann muss der Staat diese Aufgabe erfüllen ( Subsidaritätspflicht).

  4. Ulrich Sander

    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes gegen den RUHRNACHRICHTEN-Verlag ist zu begrüßen. Wie in vielen Städten gibt es auch in Dortmund nur noch eine einzige Zeitung mit Lokalberichterstattung. Und dies sind die RUHRNACHRICHTEN, die zum Monopolblatt wurden. Nun wollen diese auch der Stadt Dortmund einen Maulkorb verpassen? Das darf nicht sein. Allerdings wäre der Stadt zu raten, sich presserechtlich korrekt zu verhalten und auch Widerspruch, Kritik, ja Gegendarstellungen auf der Seite der Stadt zuzulassen. Auf dieser Seite stand kürzlich in einem Bericht über den Kulturausschuss zur geplanten Umgestaltung der Gedenkstätte Steinwache (Fehler im Original): „Es gäbe ein Mitglied im Förderverein, der seit Jahren versuche das Projekt zu deformieren. Es handele sich um den Bundessprecher der VVNBDA, Herr Sander, der über die Zeitung, den sozialen Medien und auch persönlich gegen ihn und Herrn G. vorgehe. Das seien Unverschämtheiten, die man so nicht durchgehen lassen dürfe. Deshalb weise er den Vorwurf, dass der Förderverein nicht einbezogen worden sei, entschieden zurück.“ In einer Gegendarstellung, die ich der Pressestelle der Stadt und dem Oberbürgermeister sandte, stellte ich fest: Den Vorwurf habe ich nicht erhoben, es ging mir darum, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Bundessprecher der VVN-BdA bin ich seit Jahren nicht mehr. In sozialen Medien äußere ich mich nie. Ich habe das Projekt nicht „deformiert“, denn ich kannte es noch nicht. Ich bin in Medien als Journalist dafür eingetreten, dass die Mitschuld der ökonomischen Eliten an Krieg und Faschismus auch künftig seitens der Stadt thematisiert werden sollte. Bisher gibt es den Raum 7 in der Steinwache, der den Titel trägt: Die Schwerindustrie setzt auf Hitler. Diese Aussage sollte nicht verloren gehen. Es geht um die Aussage zur Frage: Wie konnte es geschehen? Wie wird Wiederholung vermieden in einer Zeit, da die Rüstungsindustrie wieder auf große Kriege setzt? Über die Umgestaltung der Steinwache sollte endlich öffentlich gesprochen werden. Und zwar auch im Nordstadtblogger.

  5. Robert

    Die Ruhrnachrichten sollten diese Energie lieber dafür verwenden, hochwertigen Content zu erstellen. Die Online-Artikel sind zum fremdschämen. Ich schätze, dass der Anteil an inhaltlich guten Themen zum Lokalgeschehen unter 30% liegt. Der Rest ist Clickbait mit fragwürdigem Inhalt. Gerade jetzt im Sommerloch ist es besonders schlimm. Ich würde mir ein Abo holen und gerne dafür zahlen, wenn ich dafür Inhalte geliefert bekommen würde, die nicht zu Verdummung des Lesers beitragen würden.

  6. Faires Miteinander gefragt (PM DJV NRW)

    Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Betreiber von Stadtportalen und die Zeitungsredaktionen zu einem fairen Miteinander auf.

    Deutschlands größte Journalistenorganisation reagiert damit auf das Urteil des Bundesgerichtshofs , nach dem „das Internetangebot einer Kommune in Form eines Stadtportals, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind, das Gebot der ,Staatsferne der Presse‘ nicht verletzt, wenn der Gesamtcharakter des Internetangebots nicht geeignet ist, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden“, wie es wörtlich heißt (Az. I ZR 97/21).

    „Dass Stadtportale mehr machen dürfen als amtliche Bekanntmachungen oder die Öffnungszeiten der Bürgerämter zu veröffentlichen, wertet die Digitalseiten der Kommunen auf“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. „Damit einen Konkurrenzkampf mit den Lokalredaktionen zu legitimieren, wäre problematisch.“

    Als Alternative schlägt der DJV-Vorsitzende sinnvolle Kooperationen vor, wo sie sich anbieten. Keinesfalls dürften Zeitungsredaktionen dabei ihren Anspruch aufgeben, die Bürgerinnen und Bürger ihrer Region umfassend zu informieren.

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