Wer entscheidet was gefördert wird? Antworten zwischen Fördertöpfen und Kultursalat

Weiterbildung Kulturpolitik im Depot: Zweite Runde am 27. Mai 2025

Ort des Geschehens: In der Mittelhalle des Depots steht der Kreativort Treibhaus – er war Schauplatz des ersten von zwei „Discursive Dinner“-Formaten bei denen Gemüse geschnibbelt und Kulturpolitik diskutiert wurde. Der zweite Teil findet am 27. Mai 2025 ab 17:00 Uhr statt – noch ist eine Anmeldung möglich. Javad Mohammadpour

Wie funktioniert Kulturpolitik? Wer entscheidet was gefördert wird? Fragen, die sich vor allem junge Kulturschaffende stellen, wenn sie an den Start gehen. Ein Workshopformat in ungewöhnlichem Rahmen wollte nun Antworten geben. In der Mittelhalle des Depots trafen sich Künstler:innen, Politik- und Verwaltungsvertreter:innen zum Austausch an der Salatbar. Die Idee: beim gemeinsamen Gemüse putzen und Salat zubereiten kommt man ins Gespräch und ist gestärkt für fachlichen Input und Debatte.

Kulturpolitische Entscheidungen nachvollziehen und sich aktiv einbringen

Claudia Schenk, Geschäftsführerin des Depot, weiß: „Massive Einsparungen in den Kulturbudgets setzen insbesondere die Freie Szene unter Druck. Vielen und ganz besonders jungen Kulturschaffenden fällt es schwer, kulturpolitische Entscheidungen nachzuvollziehen und sich aktiv einzubringen.“ Möglicherweise liegt das auch an fehlenden Kenntnissen über die dahinterstehenden Prozesse und Netzwerke.

Schnibbeln und netzwerken beim Kultursalat Javad Mohammadpour

Bereits im letzten Jahr veranstaltete das Depot daher zwei sogenannte „Discursive Dinner“ – ein Weiterbildungsformat mit Event-Charakter. Erst wird gemeinsam gekocht, dann Expert:innen zugehört und später diskutiert. Das Format kam gut an und Schenk entschloss sich zu einer Fortsetzung in 2025. ___STEADY_PAYWALL___

Rund 40 Teilnehmende versammelten sich Anfang Mai zur ersten Runde im Treibhaus-Zelt. Zubereitet wurden Salat und Dessert, alles vegan und aus geretteten Lebensmitteln von Frau Lose. Mit am Tisch drei Hochkaräterinnen der Stadt: Ute Mais, Bürgermeisterin und Kulturpolitische Sprecherin der CDU Fraktion und Barbara Brunsing, Bürgermeisterin und Kulturpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Hendrikje Spengler, Leiterin des Kulturbüros.

Was bedeutet für Sie Kulturpolitik in drei Stichworten?

Ute Mais kocht gern und findet, sie kocht auch gut. Am liebsten Eintöpfe – zum Beispiel Möhrensuppe. Was bedeutet für sie Kulturpolitik in drei Stichworten? „Kommunikation, Ideen, Vielfalt“, sagt sie spontan und: „Ich bewundere Kreativität sehr.“

Stellten sich den Fragen der Gäste: Ute Mais (CDU) und Barbara Brunsing (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Javad Mohammadpour

Barbara Brunsing ist „Teilhabe“ wichtig – ob Profi oder Amateur, jede:r sollte Zugang haben. Als Zweites nennt sie „Nachhaltigkeit“ – sowohl was die Ressourcen angeht, als auch den Wunsch nach Langfristigkeit von Projekten. Drittens „Dialog“ – Politik stelle Fragen, Kulturschaffende könnten Antworten geben.

Und die Gäste? In einer Blitzumfrage waren Diversität, Transparenz und Verlässlichkeit die meistgenannten Begriffe.

Wie funktioniert kommunale Kulturpolitik (nicht)?

„Es war nicht leicht überhaupt jemanden zu finden, der den geeigneten fachlichen Input liefern kann“, erinnert sich Wilko Meiborg, Projektmanager im Depot. Vielleicht ist auch das schon ein Symptom für das Problem? Keine:r weiß offenbar so richtig, wo er überhaupt ansetzen soll.

Fachkundiger Input von Jérôme Jussef Lenzen, von der Bundesakademie für kulturelle Bildung, und Georg Blokus (l.) Javad Mohammadpour

Mit Jérôme Jussef Lenzen von der Bundesakademie für kulturelle Bildung ist Meiborg dann fündig geworden. Der Programmleiter Kulturmanagement und Kulturpolitik kokettierte zwar zum Einstieg gleich damit, auch nicht zu wissen, wie Kulturpolitik funktioniert – erläuterte aber dann die Grundzüge von Politik und Verwaltung: Was ist der Rat? Welche Funktion haben Ausschüsse? Wofür stehen diese verteufelten Abkürzungen? Was kann ich von wem erwarten?

Ein zweiter Impuls kam von Georg Blokus, Leiter School Of Political Hope und politischer Bildner. Blokus arbeitet auch als Trainer und Berater für Gewerkschaften und migrantische Communities und nahm den Begriff der „Klasse“ in den Fokus: Wer hat Zugang? Wie laufen Besetzungsverfahren? Wie funktioniert die Vergabe? Seine These: „Wer die Kultur retten will, muss Politik machen und nicht Kunst.“

Politik muss das neue Hobby der Kultur sein?

Mit den Thesen kam Schwung in die Debatte – der Salat war angerichtet. „Ich habe Parteiarbeit gemacht“, berichtete ein Gast, „es war furchtbar, man wird schnell vom System gefangen genommen.“ Künstler:innen als Lobbyisten – das vertrage sich nicht.

Fragerunde zur Kulturpolitik Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Doch, hält jemand dagegen, als Kulturschaffender in eine Partei einzutreten sei eine gute Idee: „Parteien brauchen die Expertise der Kunst. Künstler:innen können einen guten Einfluss auf die Diskussion haben oder sich als beratende Bürger:innen Gehör verschaffen.“

Dem stimmte auch Barbara Brunsing zu: „Es ist wichtig einander kennenzulernen und die Bedürfnisse zu verstehen. Das ist auch für uns nicht immer einfach, angesichts der Breite der Szene.“ Manchmal gäbe es Fahrten vom Kulturbüro zu einzelnen Institutionen, aber so wie die Politik nicht alle Kulturangebote kenne, so wenig seien offenbar auch die möglichen Beteiligungsformate bei den Kulturschaffenden bekannt.

„Das Wissen um die Prozesse ist oft gar nicht da.“

Eine Erfahrung, die Hendrikje Spengler teilt: „Das Wissen um die Prozesse ist oft nicht da und ich merke dann auch, ich kann es nicht immer ruhig und sachlich transportieren,“ so die Leiterin des Kulturbüros. Insofern sei sie sehr dankbar für diese Veranstaltung.

Engagiert im Diskurs: Hendrikje Spengler, Leiterin des städtischen Kulturbüros Dortmund Javad Mohammadpour

Aus ihrer Sicht sei man in Dortmund grundsätzlich noch gut aufgestellt: „Dortmund hat kaum gekürzt, das wissen die wenigsten“, betont sie. Es gäbe die Preissteigerungen, „aber de facto wurde keine Förderung weggenommen.“ Man müsse immer auch die Genese von Entscheidungen sehen und wenn es mal so wirkt, als wäre jemand bevorzugt worden, sei das allenfalls eine Momentaufnahme.

„Fakt ist: Du hast einen Antrag zu stellen und über den entscheidet eine Fachjury – alles andere wäre undemokratisch“, fasst es Spengler zusammen. Alle Fristen seien geregelt, der Prozess fair und transparent. Jede Fraktion setze sich etwas auf die Liste, dann würde verhandelt. Die überparteilich Arbeit im Kulturausschuss aber sei offen und angenehm: „Hauen und Stechen können wir uns gar nicht leisten.“

Sport, Kultur und Soziales zusammen denken: Solidarität bringt Relevanz

Auch Blokus setzt auf Miteinander: „Sie müssen untereinander solidarisch sein und geschlossen auftreten“, appelliert er an die Gäste: „Lassen Sie sich nicht auf Effizienz-Debatten ein und lassen Sie sich nicht vereinzeln.“ Noch fänden laut Umfragen 86 Prozent der Menschen die Kultur wichtig, aber Blokus ist überzeugt: „Wir werden bald kämpfen müssen.“

Gespräche am Rande: Ute Mais mit Vertreter:innen der freien Szene Javad Mohammadpour

Chancen sieht er im Bündnis „Sport, Kultur und Soziales“ – so sei es in den Ausschüssen angelegt und diese drei Bereiche gelte es „als eine Idee zu verteidigen“. Das Ziel: Gemeinsam an Relevanz zu gewinnen.

Ute Mais stimmt zu: Der Aufbau, die Vereinsstrukturen – da seien sich Kultur und Sport sehr ähnlich. „Man darf das nicht gegeneinander ausspielen.“ Brunsing ergänzt: „Die Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das große ehrenamtliche Engagement – das sind wichtige Gemeinsamkeiten.“

Drei Stunden später ist das Dessert verspeist – aber einige Fragen sind auch noch offen. Ute Mais fordert auf: „Ich bin ansprechbar. Schickt mir eine Mail.“ Am Nebentisch fragt jemand seinen Nachbarn: „Und wie sende ich eine Mail an die Stadt?“ Antwort: „Nicht an die Stadt, an die Fraktion.“ Ach ja.

Am 27. Mai 2025 ab 17:00 Uhr findet die zweite Runde des „Kultursalat“ statt. Dann lautet die Frage: „Wer sitzt mit am Tisch?“  und es geht um Netzwerke in der Kulturpolitik. Anmeldung und weitere Informationen auf der Website des Depot.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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