Drei Schüler:innen wegen Regenbogenflagge drangsaliert

Queerfeindlicher Vorfall an Dortmunder Realschule offenbart Aufklärungslücken

Der Vorfall an der Robert-Koch-Realschule offenbart, dass die Aufklärung in Sachen LSBTIQ* in Dortmund deutlich intensiviert werden muss. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Ein problematischer Vorfall an der Robert-Koch-Realschule in Dortmund-Hombruch sorgt derzeit bundesweit für Aufsehen. Anlässlich des Beginns des sogenannten „Pride Month“ hatten drei Schüler:innen in der vergangenen Woche als Zeichen für Toleranz und Vielfalt eine Regenbogenflagge, das weltweite Symbol der internationalen queeren Community, mit in die Schule gebracht und wurden daraufhin massiv von Mitschüler:innen drangsaliert. Diverse Medien berichten darüber, dass sie bedrängt, beleidigt und sogar geschlagen worden seien. Nachdem eine Hamburger Bloggerin Videos des Vorfalls auf ihrem Instagram-Kanal veröffentlichte, nachdem die betroffenen Schüler:innen den Kontakt zu ihr aufgenommen hatten, weht nun eine Welle der Empörung durch die Stadt und Parteien und Verbände beziehen Stellung zu dem eklatanten Vorfall. Besonders der Umstand, dass Lehrer:innen der Schule, die das Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ trägt, das Geschehen beobachtet und nicht eingegriffen haben sollen, stößt vielerorts auf Unverständnis und lässt den Ruf nach angepassten Konsequenzen lauter werden.

Bezirksregierung will für lückenlose Aufklärung sorgen

Die CSD-Demo führte vom Hauptbahnhof zum Friedensplatz.
Die Realität ist leider nicht immer so bunt wie die Banner und Plakate bei Veranstaltungen wie dem CSD. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Die Leitung der Robert-Koch-Realschule verweist bezüglich einer eigenen Stellungnahme auf die Bezirksregierung Arnsberg. Von dort ist zu vernehmen, dass man über den LSBTIQ*-feindlichen Vorfall sehr betroffen sei.

Die Bezirksregierung werde in Person des schulfachlich zuständigen Dezernenten, die Schule im Prozess der Aufarbeitung des Geschehens eng begleiten. In einem ersten Schritt soll es darum gehen, den Ablauf der Ereignisse aufzuklären. Für die Schulaufsicht gehe es hier zentral um die Vorwürfe gegen Lehrkräfte, die den Vorfall zwar beobachtet haben sollen, allerdings nicht eingegriffen hätten.

„Sollte es zu gravierenden und relevanten Versäumnissen oder Unterlassungen gekommen sein, werden diese dienstrechtlich bewertet und sanktioniert“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme, die Nordstadtdblogger vorliegt.

Betroffene Schüler:innen werden betreut – Präventionsarbeit soll verstärkt werden

Weiterhin soll geprüft werden, in wie weit Akteure auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln sind. Insbesondere müsse eine Bewertung der straf- oder schulrechtlichen Relevanz der Taten erfolgen. Je nach Ausgang der Einschätzung der Sachlage werde das Ergebnis mit der Einleitung schulischer Ordnungsmaßnahmen verbunden sein.

Deutschlandweit gibt es inzwischen mehr als 3.500 Schulen die sich dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angeschlossen haben. Foto: Aktion Courage e.V.

Die attackierten Schülerinnen würden bereits intern und extern intensiv betreut und unterstützt. Die nötigen fachlichen und personellen Ressourcen seien bereitgestellt. Diese Unterstützung werde so lange wie nötig aufrechterhalten.

In einer ersten Auseinandersetzung des Kollegiums mit dem Vorfall sei deutlich geworden, dass der Fokus der Arbeit im Zusammenhang mit dem Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sich auf den Rassismus und die Integration anderer Kulturkreise gerichtet habe, an der Sensibilisierung für den Umgang mit LSBTIQ* aber noch gearbeitet werden müsse. In diesem Prozess werde die Schulaufsicht die Schule gezielt unterstützen.

„Neben der Arbeit mit dem Kollegium wird es zentral um die Präventionsarbeit in der Schulgemeinde gehen, damit Werte wie Toleranz gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen, Empathie und Zivilcourage gestärkt werden.“

SLADO e.V. fordert, sich dem Thema zu stellen

„Queerfeindliche Gewalt, und dazu gehören auch Bedrängen und Verächtlichmachen, ist immer inakzeptabel. Der Übergriff an der Robert-Koch-Realschule zeigt, dass noch sehr viel passieren muss, bis Schule ein sicherer Ort für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und andere queere Menschen (LSBTIQ*) ist“, heißt es in einer Stellungnahme des Dachverbandes der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund, SLADO e.V.

Aktuell seien Schulen, auch in Dortmund, häufig kein sicherer Ort für LSBTIQ*. 55 Prozent der lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen hätten laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität bereits Diskriminierung im schulischen Kontext erfahren, 61 Prozent würden sich vor einem Coming-out im schulischen oder beruflichen Kontext fürchten.

Aufklärung sollte festen Platz im schulischen Lehrplan bekommen

„Wir bewundern den Mut der drei Schülerinnen und sind dankbar für das wichtige Zeichen, das sie gesetzt haben. Wir hoffen, dass sie nach diesen schockierenden Erfahrungen gut betreut werden. Selbstverständlich stehen ihnen die Beratungsangebote unserer Einrichtung Sunrise offen“, macht der Verband den betroffenen Schüler:innen Mut.

Der Rat hatte eine Erhöhung der Förderung für LSBTIQ-Aufklärung an Dortmunder-Schulen im Rahmen des SCHLAU-Projektes auf 100.000 Euro beschlossen. Foto: Michael Wallmüller für SLADO

Der SLADO e.V. fordert, dass dieser traurige Anlass an der Robert-Koch-Realschule genutzt werde, um ihn mit allen beteiligten Schüler:innen pädagogisch aufzuarbeiten. Die Lebensrealität von LSBTIQ*, die vielfach von Diskriminierungserfahrungen geprägt sei, habe bislang keinen festen Platz im schulischen Curriculum. Nach einem solchen Übergriff könne man aber nicht einfach zum Alltag übergehen, sondern müsse sich dem Thema stellen.

Fachkräfte an Schulen würden in der Regel nicht über Wissen über die Lebensrealität von LSBTIQ* verfügen und auch nicht über Strategien, mit denen queerfeindlicher Diskriminierung begegnet werden könne.

Üblicherweise würden einer solch bedrückenden Eskalation wie an der Robert-Koch-Realschule zahlreiche Diskriminierungen und abfällige Bemerkungen im Alltag vorausgehen, denen Fachkräfte an Schulen, aber auch Eltern, aktiv entgegentreten müssten. Hier bestehe für die gesamte Dortmunder Schullandschaft dringender Nachhol- und Qualifikationsbedarf, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt.

GRÜNE fordern rasche Umsetzung des LSBTIQ*-Aktionsplans

Katrin Lögering sitzt als grünes Ratsmitglied im Schulausschuss. Foto: Die Grünen Dortmund

„Der Stellungnahme von SLADO können wir uns vollumfänglich anschließen“, erklärt Katrin Lögering, GRÜNES Ratsmitglied im Schulausschuss.

„Letztes Jahr beschlossen wir GRÜNE deshalb mit allen anderen demokratischen Fraktionen eine Erhöhung der Förderung für LSBTIQ-Aufklärung an Schulen im Rahmen des SCHLAU Projektes auf 100.000 Euro. Der Vorfall an einer Realschule zeigt jedoch: Wir sind erst am Anfang. Queerfeindlichkeit bleibt eine Aufgabe für uns alle, der wir uns mit aller Konsequenz politisch stellen müssen!“

Aus diesem Grund hätten GRÜNE und CDU erstmals für Dortmund die Erstellung eines umfassenden Aktionsplans zur Bekämpfung von Queerfeindlichkeit in allen Gesellschaftsbereichen beschlossen.

Der von der Verwaltung koordinierte Partizipationsprozess solle im Juli 2022 beginnen. Die GRÜNEN fordern die Verwaltung auf, die Mittel schnellstmöglich für den Einsatz gegen Queerfeindlichkeit einzusetzen:

Jenny Brunner ist Ratsmitglied im Sozialausschuss. Foto: Die Grünen Dortmund

„Als GRÜNE sehen wir einen hohen Nachholbedarf in der Unterstützung der Dortmunder Szene“, erklärt Jenny Brunner, GRÜNES Ratsmitglied im Sozialausschuss. „Umso mehr freut uns, dass wir den Aktionsplan mit mehr als 200.000 Euro unterlegen konnten. Mit diesem Etat steht Dortmund der queeren Hochburg Köln in nichts nach“.

Dortmund setze hiermit ein starkes Zeichen. Zahlreiche LSBTIQ-Organisationen und Gruppen in Dortmund stehen schon in den Startlöchern, um mit den zusätzlichen Mitteln neue wichtige Projekte zur Antidiskriminierungsarbeit zu realisieren. Der jüngste Vorfall an der Dortmunder Schule zeige:

„Die Dortmunder Verwaltung muss nun mit mehr Tempo die Erstellung des Aktionsplans voranbringen. Die eingestellten Mittel hätten schon seit Jahresanfang für erste Maßnahmen zum Einsatz kommen können. Wir werden die Verwaltung erneut auffordern, dem Willen des Rates schnellstmöglich nachzukommen.“

FDP/Bürgerliste: Attacken auf Schülerinnen mit Regenbogenfahnen nicht hinzunehmen

Angesichts der queerfeindlichen Attacke auf Schülerinnen mit Regenbogenfahnen an der Robert-Koch-Realschule, fordert die Ratsfraktion FDP/Bürgerliste Konsequenzen seitens der Stadtverwaltung.

Michael Kauch ist Fraktionsvorsitzender von FDP/ Bürgerliste im Rat der Stadt Dortmund Südwall 21-23 44137 Dortmund Tel. 0171-6419728 -- Fraktionsvorsitzender FDP/ Bürgerliste im Rat sowie FDP-Kreisvorsitzender.
Michael Kauch ist Fraktionsvorsitzender
von FDP/ Bürgerliste im Rat der Stadt Dortmund.

Foto: Sascha Menge für die FDP Dortmund

„Queerfeindliche Attacken sind in keiner Weise hinzunehmen. Von der Stadt Dortmund als Schulträgerin erwarte ich ein klares Statement – allen voran vom Oberbürgermeister. Gegen Homophobie muss man gerade dann öffentlich eintreten, wenn das Image von der queerfreundlichen Stadt Risse bekommt. Man stelle sich das bisherige Schweigen der Verwaltung bei Hetze aus rassistischen Motiven vor“, so der Fraktionsvorsitzende von FDP/Bürgerliste, Michael Kauch.

Die schulpolitische Sprecherin, Ratsmitglied Antje Joest, ergänzt: „Der Vorfall macht erneut deutlich, wie wichtig die Schulaufklärung über gleichgeschlechtliche Liebe und die Erziehung zur Akzeptanz ist – und zwar auch schon in frühen Jahrgängen. Die Stadt fördert das Schulaufklärungsprojekt SCHLAU, aber damit ist es erkennbar noch nicht getan.“

Auch Michael Kauch weist in dem Zusammenhang auf den LSBTIQ-Aktionsplan hin, mit dem der Stadtrat die Verwaltung beauftragt hat: „Die Schulaufklärung muss Kernaufgabe des Aktionsplans der Stadt sein. Seine Entwicklung muss nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse beschleunigt werden.“

Mehr Aufklärungsangebote für alle Altersstufen als Ziel

Der SPD-Landtagsbageordnete Volkan Baran.
Der SPD-Landtagsbageordnete Volkan Baran. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Wir müssen aus meiner Sicht aber dafür sorgen, dass Aufklärungsangebote präventiv stattfinden und nicht erst nachdem Schüler:innen angegriffen oder diskriminiert wurden. Ich möchte, dass sich Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Identität an unseren Schulen sicher fühlen und entfalten können“, kommentiert der SPD-Landtagsabgeordnete Volkan Baran den Vorfall.

Queere Menschen hätten gerade im schulischen Kontext noch immer mit viel Diskriminierung und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität zu kämpfen, deshalb müsse es das gemeinsame Ziel sein, diese zu beenden. „Umso mehr bin ich beeindruckt vom Mut der drei Mädchen und finde es toll, dass sie sich für queere Themen stark machen“, so Baran.

„Für mich zeigt dieser Übergriff aber auch, dass es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt, denn Acht-Klässler:innen werden die Homophobie nicht aus eigenem Antrieb entwickelt, sondern Gehörtes wiedergegeben haben. Hier müssen wir insgesamt mehr Aufklärungsangebote für alle Altersstufen schaffen, denn unsere Gesellschaft sollte ein Ort sein, an dem Toleranz gelebt und LGBTIQ*-Themen besprochen und thematisiert werden können“, so der SPD-Politiker.

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Reaktionen

  1. Bernd Hoch

    „Für mich zeigt dieser Übergriff aber auch, dass es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt, denn Acht-Klässler:innen werden die Homophobie nicht aus eigenem Antrieb entwickelt, sondern Gehörtes wiedergegeben haben.

    Von wem hören denn diese 8 Klässler etwas zu diesem Thema? Was vermuten sie und was wissen sie gesichert? Was wird hier angedeutet?

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