OVG-Urteil nach acht Jahren: Die Hannibal-Räumung in Dorstfeld war rechtswidrig

Der Stadt Dortmund drohen zivilrechtliche Forderungen

Blick auf die eingerüsteten Hochhäuser
Seit 2024 wird das Gebäude umfassend energetisch und brandschutztechnisch saniert. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Eine deutliche und mutmaßlich auch sehr teure Klatsche gab es nach acht Jahren vor Gericht: Die Stadt Dortmund durfte den Hochhauskomplex „Hannibal“ in Dorstfeld im Jahr 2017 nicht sofort räumen. Auch die Nutzungsuntersagung gegenüber der damaligen Eigentümerin Lütticher 49 (Intown) war rechtswidrig. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster jetzt entschieden.

OVG kritisiert fehlerhaftes Ermessen bei Räumung und Nutzungsuntersagung

Der Gebäudekomplex mit mehr als 400 Wohnungen war in den 1970er-Jahren errichtet worden und besteht aus mehreren aneinandergereihten Terrassenhochhäusern. Die Stadt hatte den Hannibal im September 2017 wegen Brandschutzmängeln geräumt und die Nutzung mit sofortiger Wirkung untersagt. Rund 750 Bewohner:innen mussten damals ihre Wohnungen verlassen.

Evakuierung am Hannibal in Dorstfeld im September 2017 Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende des 7. Senats des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: „Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme waren die Entscheidungen der beklagten Stadt Dortmund, den Hochhauskomplex sofort zu räumen und der Eigentümerin mit sofortiger Wirkung die Nutzung zu untersagen, ermessensfehlerhaft.“

„Nach den Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen, denen der Senat gefolgt ist, begründeten die von der Beklagten angeführten Brandschutzmängel in erheblichem Umfang keine gegenwärtige Gefahr für die Bewohner der Häuser. Dies betrifft etwa Mängel, die die Beklagte hinsichtlich der Benutzbarkeit der Sicherheitstreppenhäuser und der Brand- und Rauchausbreitung über Installations- und Aufzugsschächte geltend gemacht hatte“, heißt es weiter.

Neue Mieter:innen für „Dortmund Green Living“ im Frühjahr 2026

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte die Räumung 2021 noch für rechtmäßig erklärt, nur einen formalen Fehler bemängelt. Beide Seiten legten daraufhin Berufung ein. Das OVG gab nun der Klage der Eigentümerin statt; die Berufung der Stadt blieb erfolglos. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu, die Stadt kann aber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Blick auf die eingerüsteten Hochhäuser
Das Projekt trägt künftig den Namen „Dortmund Green Living“. Im Frühjahr 2026 sollen die ersten Mieter:innen einziehen können. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Welche Konsequenzen das Urteil für Dortmund hat, ist offen. Möglich sind Schadenersatzforderungen der früheren Eigentümerin wegen entgangener Mieteinnahmen. Auch ehemalige Mieterinnen und Mieter könnten Ansprüche geltend machen.

Der Hannibal-Komplex gehört inzwischen dem Investor Forte Capital. Seit 2024 wird das Gebäude umfassend energetisch und brandschutztechnisch saniert. Das Projekt trägt künftig den Namen „Dortmund Green Living“. Im Frühjahr 2026 sollen die ersten Mieter:innen einziehen können.

Mehr Informationen:

  • Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
  • Dagegen kann die Stadt Dortmund Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erheben.
  • Aktenzeichen: 7 A 2985/21 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen, 10 K 10512/17)

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Reaktionen

  1. Udo Stailer

    Leserbrief: Acht Jahre später – und die Zeche zahlen wieder die Dortmunder Bürger

    Sehr geehrte Redaktion,

    das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur rechtswidrigen Räumung des Hannibal-Komplexes in Dorstfeld ist ein politisches und finanzielles Erdbeben für die Stadt Dortmund. Acht Jahre nach dem überhasteten und offensichtlich fehlerhaften Handeln der Verwaltung steht fest: Die Stadt hat das Eigentum eines Investors beschädigt, rund 750 Menschen obdachlos gemacht – und dabei vermutlich Millionen Euro an Steuergeldern in den Sand gesetzt.

    Schauen wir uns die Größenordnung einmal nüchtern an:
    Der Hannibal-Komplex umfasst etwa 400 Wohnungen. Gehen wir von einer durchschnittlichen Kaltmiete von 7 € pro Quadratmeter und 70 m² Wohnfläche aus, ergibt das 1.960.000 € pro Jahr an Mieteinnahmen. Acht Jahre Leerstand (seit 2017) summieren sich damit auf rund 15,7 Millionen € entgangene Mieteinnahmen – zuzüglich Zinsen und Wertverlust des Objekts.

    Doch damit nicht genug: Rund 750 Bewohnerinnen und Bewohner mussten damals Hals über Kopf ihre Wohnungen verlassen. Viele verloren Möbel, persönliche Gegenstände, mussten teure Zwischenlösungen finden oder wurden über Wochen und Monate in Notunterkünften untergebracht. Selbst eine moderate Entschädigung von durchschnittlich 5.000 € pro Person würde hier nochmals 3,75 Millionen € bedeuten.

    Damit läge der gesamte Schaden konservativ geschätzt bei fast 20 Millionen € – ohne Gerichts- und Anwaltskosten, ohne Verwaltungsaufwand und ohne Imageverlust für die Stadt.

    Und wofür? Für eine Räumung, die – so das Gericht – „ermessensfehlerhaft“ war, also schlicht das Ergebnis von schlechtem Verwaltungshandeln. Man kann es auch einfacher sagen: Die Stadt Dortmund hat nicht nur Wohnraum zerstört, sondern auch das Geld der Bürgerinnen und Bürger zum Fenster hinausgeworfen.

    Wenn eine Stadtverwaltung ihre Macht so verantwortungslos einsetzt, braucht es nicht nur politische Aufarbeitung, sondern auch persönliche Konsequenzen für die Verantwortlichen. Es darf nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger doppelt zahlen: zuerst mit ihrem Zuhause – und dann mit ihren Steuern für die Fehler der Stadt.

    Mit kritischen Grüßen

    Udo Stailer

  2. Ingo St.

    Rechts- u Ordnungsdezernentin Frau Jäger hatte diese Verfügung unterschrieben.
    Sie wechselte danach nach Düsseldorf und erfand damals fehlenden Brandschutz als Räumungsgrund im Hambacher Forst.
    Beides haben Gerichte als rechtswidrig kassiert.

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