SERIE: „Dortmund Rechtsaußen“ (Teil 2 von 10):

Ohne Dortmund nichts los?! – Die Partei „Die Rechte“ und die Neonazi-Szene in NRW

Neonazis aus mehreren Ländern kamen am 14. April 2018 zum Aufmarsch nach Dortmund.
Neonazis aus mehreren Ländern kamen am 14. April 2018 zum Aufmarsch nach Dortmund. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Ein Beitrag der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg für die Bestandsaufnahme von „U-Turn“ 

Das jahrzehntelange Wirken von organisierten Neonazis in Dortmund hat der Stadt schon seit Längerem den Ruf eingebracht, die aktivste Szene dieser in Art in NRW, wenn nicht gar in ganz Westdeutschland zu beheimaten. Kaum ein Artikel oder Fernsehbeitrag eines überregionalen Mediums, kaum ein Fachbeitrag kam in den vergangenen Jahren ohne diese Bewertung aus, die ja – egal welche Parameter man da auch anlegen mag – absolut zutreffend ist.

Der Dortmunder Führungsanspruch für die Neonazi-Szene in NRW

Dass die Dortmunder Neonazis für ihre Aktivitäten auf ein großes Einzugsgebiet und oft sogar auf Zuzug aus anderen Bundesländern bauen können, ist gut dokumentiert. Welche Wirkung sie hingegen für die Region und NRW haben, bleibt oft unterbelichtet.

Der Kreisverband von Die Rechte, wie zuvor der Nationale Widerstand Dortmund (NWDO) das „organisatorische Gravitationszentrum“ der Dortmunder Neonazis, konzentriert sich in seinem politischen Wirken eben nicht nur auf die Westfalenmetropole, sondern erhebt auch (mindestens) für die nordrhein-westfälische Neonazi-Szene einen Führungsanspruch. Dies kann zum einen sicherlich mit Sendungs- und Machtbewusstsein erklärt werden, zum andern aber eben auch mit dem Umstand, dass außerhalb von Dortmund seit dem Jahr 2012 viele Aktivitätsschwerpunkte weggebrochen sind.

Sascha Krolzig ist Vorsitzender der Partei „Die Rechte“ in Hamm.
Sascha Krolzig war früher Vorsitzender der Partei „Die Rechte“ in Hamm. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Sascha Krolzig, Bundesvorsitzender von Die Rechte, formulierte das 2019 im Interview mit Sammy Kujath (‚Junge Revolution‘) wie folgt: „Wir hatten hier früher in jeder Stadt eine eigene politisch aktive nationale Szene, die wir jetzt in dieser Größenordnung nicht mehr in jeder Stadt haben. Wir haben also gemerkt, dass wenn wir früher zu einer Demonstration gefahren sind: bei jedem Zwischenhalt stiegen neue Kameraden zu.

Um zu erkennen, dass die Neonazis in NRW seit Jahren ein Mobilisierungsproblem haben und auch ihre Organisationsstrukturen kaum ausbauen konnten, bedarf es keiner Innenansicht. Zugleich häuften sich in jüngerer Vergangenheit vergleichbare Aussagen von Neonazi-Funktionären, die ansonsten keine Gelegenheit auslassen, jede noch so schlecht besuchte Demonstration und ein paar beklebte Laternen zur ‚Nationalen Bewegung‘ auszurufen.

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Szene ist auf mannigfaltige Art und Weise vernetzt, nicht nur im subkulturellen Bereich zwischen Musik, Fußball und Kampfsport, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Strömungen und Parteien. Trotzdem hat in NRW der Organisierungsgrad und die Mobilisierungsfähigkeit der Neonazis sichtbar abgenommen.

Vor allem Letzteres ist für die militante Rechte schwer zu ertragen, die sich gerne als ‚moderne SA‘ inszeniert und deren Veranstaltungen immer auch Zwecke erfüllen, „die über das öffentliche Zeigen einer politischen Meinung hinausgehen, also etwa der Einschüchterung des politischen Gegners dienen oder das identitätsstiftende Moment in den Vordergrund stellen, das für die Konstituierung als politische Bewegung zentral ist“. 

Es lohnt sich also an dieser Stelle mal einen Blick auf die Relevanz des Dortmunder Die Rechte-Kreisverbandes in NRW zu werfen und hierbei vor allem den Fokus auf dessen Verhältnis zu anderen Akteuren der neonazistischen Rechten zu legen. 

Auf niedrigem Niveau aktiv – Kreisverbände von Die Rechte in NRW

Die 2012 gegründete Partei Die Rechte versammelt einen großen Teil ihrer Mitglieder und Parteigliederungen in NRW. So verortet das Landesamt für Verfassungsschutz in seinem Bericht für das Jahr 2019 rund 290 der bundesweit 650 Mitglieder in NRW und während in manchen Bundesländern nicht einmal ein Landesverband aktiv ist, verfügt die Kleinstpartei hierzulande über 9 Kreisverbände und 3 Stützpunkte (Stand: März 2021).

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Neben Dortmund werden so die Kreisverbände Duisburg, Gelsenkirchen/Recklinghausen, Hamm, Heinsberg/Aachen, Ostwestfalen-Lippe, Rhein-Erft, Unna und Wuppertal genannt. Hinzu kommen die drei Stützpunkte Kleve/Wesel, Köln und Schwelm/Ennepe-Ruhr.

Die Rechte muss vor allem mit Blick auf die Kreisverbände in NRW als „Bewegungspartei und Auffangstruktur verbotener Kameradschaften“ gesehen werden. Nach den Verboten des Nationalen Widerstands Dortmund (NWDO), der Kameradschaft Hamm (KSH) und der Kameradschaft Aachener Land (KAL) durch das Landesinnenministerium 2012 wurde von einem Großteil der betroffenen Neonazis die politische Arbeit unter dem Deckmantel von Die Rechte fortgeführt.

Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde
Demoanmelder Dennis Giemsch. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Kurz nachdem am 14. Oktober 2012 mit Dennis Giemsch und Sascha Krolzig vormalige Führungskader der verbotenen Kameradschaften in den Parteivorstand gewählt wurden, gründeten sich reihenweise Kreisverbände in NRW. Dass also durch die Verbote keineswegs „große Löcher ins Netzwerk der Neonazis“ gerissen wurden, wie es der damalige NRW-Innenminister Ralf Jäger formulierte, liegt auf der Hand.

In den Folgejahren bildeten die Parteikader den aktivistischen Kern der Neonazi-Szene in NRW und bestimmten das Demonstrationsgeschehen: Aufzählungen für den Zeitraum von 2012 bis 2018 kommen in NRW auf mindestens 122 von der Partei angemeldete Aufmärsche und Kundgebungen, im restlichen Bundesgebiet kam sie hingegen nur auf 84 Veranstaltungen.

Ein grober Blick auf einzelne Kreisverbände verdeutlicht aber auch eine Vielzahl an Problemen, vor allem  hinsichtlich ihrer organisatorischen und personellen Ressourcen. So sind frühere Strukturen, wie die Stützpunkte Hermannsland und Siegen oder die Kreisverbände  Mülheim und Oberhausen bereits wieder weggebrochen – vor allem sind aber ehemals hochaktive Parteigliederungen, wie Hamm und Wuppertal, kaum noch aktiv:

  • Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

    So fand in Hamm, wo die Szene seit den Zeiten der KSH eng mit Dortmund verbandelt ist, seit dem Jahr 2015 keine Demonstration mehr statt, nur noch vereinzelte Kundgebungen mit oft geringer Beteiligung. Auch das ‚Zuchthaus‘, eine Immobilie im Kentroper Weg, nahe der Hammer Innenstadt, die seit 2012 für dutzende Rechtsrock-Konzerte und Schulungsveranstaltungen genutzt wurde, musste 2019 auf behördliche Anordnung hin schließen. Die Szene ist allerdings weiterhin als verhältnismäßig groß und bestens vernetzt einzuschätzen, wenn sie auch kaum größere politische Aktivitäten mehr entfalten kann.  

  • Im benachbarten Kreis Unna, zwischen Hamm und Dortmund gelegen, gründete sich erst im Oktober 2017 ein Kreisverband, der aber de facto nur ein Anhängsel des Dortmunder Ablegers ist, mit dünner Personaldecke und einem lediglich auf das nördliche Kreisgebiet (Lünen und Umgebung) begrenzten Aktionsradius. Vereinzelte Kundgebungen und Infostände, z.B. in Lünen, Kamen und Unna, konnten zwischen 2017 und 2019 nur mit Nachbarschaftshilfe aus Dortmund umgesetzt werden und verblieben mit Blick auf die Teilnehmendenzahlen selbst dann oft nur im einstelligen Bereich. 
  • Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

    In Ostwestfalen-Lippe konnte sich der lokale Ableger von Die Rechte in jüngerer Vergangenheit straßenpolitisch nur durch die Proteste gegen die Inhaftierung der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck in der JVA Bielefeld (2018-2020) profilieren. In Zuge dessen fanden mehrere, oft von Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet frequentierte Aufmärsche statt, auf denen die Freilassung Haverbecks gefordert wurde. In der ersten Reihe und auf der Rednerliste waren aber auch hier vor allem die Dortmunder Neonazis präsent. 

  • Eine der wenigen Ausnahmen bildet der KV Rhein-Erft-Kreis. Dort bestehen traditionell gute Verbindungen zwischen den verschiedenen Spektren der militanten Rechten und bis 2010 war mit René Laube der langjährige Anführer der KAL zugleich Kreisvorsitzender der NPD im Rhein-Erft-Kreis. Mit Markus Walter gehört der aktuelle Kreissprecher von Die Rechte zudem dem Bundesvorstand der Partei an. Der KV Rhein-Erft ist sehr umtriebig, veranstaltet regelmäßig Schulungsveranstaltungen, ‚Heldengedenken‘ und nimmt an überregionalen Demonstrationen teil. 2020 trat Walter in Kerpen zudem als Bürgermeister-Kandidat an und holte prozentual sogar mehr Stimmen als sein Parteikollege Bernd Schreyner in Dortmund (3,03% zu 2,98%).
  • Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

    In Duisburg gründete sich im Mai 2018 ein Kreisverband um den ehemaligen Führungskader des Nationalen Widerstands Duisburg, Thomas Eckleder. Auch wenn das aktive Personal aus dem westlichen Ruhrgebiet regelmäßig zu Szeneveranstaltungen anreist und am 1. Mai 2019 eine überregional besuchte Demonstration mit ca. 300 Teilnehmenden von DR in Duisburg stattfand, können vor Ort kaum Aktivitäten entfaltet werden. Das selbsterklärte Ziel, „den Herrschenden ordentlich einzuheizen“, ist dann doch außer Reichweite. Sowohl der KV Duisburg als auch der zeitweise existierende KV Oberhausen werden von der antifaschistischen Zeitschrift LOTTA als „kaum eigenständig handlungsfähig“ beschrieben. Selbst bei kleineren Aktionen, Flyerverteilungen und Infoständen, erhielten sie in der Vergangenheit Unterstützung von Dortmunder Aktivist_innen.

  • Ähnlich sah es in der jüngeren Vergangenheit auch in Wuppertal aus, wenngleich mit größerer Fallhöhe. Mit den Nationalen Sozialisten Wuppertal verfügte die Stadt jahrelang über eine aktive und sehr gewalttätige Kameradschaft. Nach der Gründung des Die Rechte-KV Wuppertal 2013 konnten die Aktivitäten zunächst auf gleichbleibendem Niveau fortgeführt werden. Immer wieder gelang es Wuppertaler Neonazis zu Aufmärschen mehrere Hundert Teilnehmende zu mobilisieren. Seit 2016 sind aber nur noch vereinzelt Veranstaltungen und wahrnehmbare Aktivitäten vernehmbar, zuletzt im Juni 2018 mit einer Demonstration von ca. 100 beteiligten Personen. 
Neonazi-Aufmarsch zum Nationalen Antikriegstag in Dorstfeld 2007 - einer der Anlässe für den Aktionsplan. Archivbild: Alex Völkel
Neonazi-Aufmarsch zum Nationalen Antikriegstag in Dorstfeld 2007. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Diese Schlaglichter verdeutlichen, dass Die Rechte über die Rolle eines ‚Auffangbeckens‘ für verbotene Kameradschaften nie hinausgekommen ist; eine bundesweite Strategie, Kampagnen, programmatische Arbeit fehlen. Über die Aktivitäten der einzelnen Kreisverbände hinaus existiert de facto kein Parteileben. Dies hält zwar organisationskulturell die Strukturen der Freien Kameradschaften am Leben, hat aber in den vergangenen Jahren auch keine Zugewinne für das militante Spektrum in NRW gebracht.

Auch mit Blick auf das Demonstrationsgeschehen und die Mobilisierungsfähigkeit können die Kreisverbände von Die Rechte außerhalb von Dortmund nicht viel vorweisen. Größere Veranstaltungen finden, wenn überhaupt, dann nur dort statt. Und auch da reicht man schon lange nicht mehr an frühere Zeiten heran, als beispielsweise im September 2010 noch rund 1000 Neonazis zum ‚Nationalen Antikriegstag‘ auf Einladung des NWDO nach Dortmund kamen.

In der direkten Dortmunder Umgebung gibt es zudem keine nennenswerten Aktivitäten von Die Rechte, eher ist mit Blick auf militant rechtsextreme Strukturen im östlichen Ruhrgebiet eine Erosion im Umland bei gleichzeitiger Konzentrierung nach Dortmund zu beobachten. 

Zwischen Bündnisbildung und Abgrenzung – Verhältnis zur NPD und Der III. Weg

Die NPD befindet sich seit Jahren in einem fortgesetzten Siechtum, in NRW ist sie in weiten Teilen des Landes bedeutungslos. Auch in ehemals recht aktiven Kreisverbänden wie Bochum, Düren oder Unna/Hamm sind kaum noch Aktivitäten zu verzeichnen. Einzig der Kreisverband Bochum/Wattenscheid vermag noch ein Mindestmaß an Aktivitäten zu entfalten.

Der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer hat mit den Folgen eines Skandals zu kämpfen.
Der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die wenigen kommunalen Mandate, über welche die Partei in NRW verfügte, gingen mit der Kommunalwahl 2020 nahezu vollständig verloren, darunter auch die Stadtratsmandate in Bochum und Dortmund. In Westfalen konnte einzig der ehemalige Landesvorsitzende Stephan Haase seinen Stadtratssitz in Lüdenscheid verteidigen.

Das Verhältnis der NRW-NPD und der militanten Neonazi-Szene um die Partei Die Rechte ist seit Jahren von zahlreichen Überschneidungen, intensiver Zusammenarbeit, aber auch punktueller Abgrenzung geprägt. Seit den Strategiedebatten der 1970er Jahre hadert die NPD mit ihrem Verhältnis zum offen NS-verherrlichenden Teil der radikalen Rechten, zumal sich viele ihrer Funktionäre, vor allem die Bundesvorsitzenden Holger Apfel (2011-2013) und Frank Franz (2014-heute), lieber in ostentativer Bürgerlichkeit übten.

Mittlerweile ist die Partei aber zu kraftlos, um die Öffnung hin zu den ‚Freien Kräften‘ ernsthaft einhegen zu können. Die Wahlerfolge der AfD und der dadurch entstehende Druck, sich noch deutlicher am rechten Rand zu profilieren sowie das erneut gescheiterte Parteiverbotsverfahren 2017 befeuern den Schulterschluss von weiten Teilen der Parteigliederungen mit offen militanten Strukturen.

Thorsten Heise (NPD) beim „Trauermarsch“ für Siegfried Borchardt.
Thorsten Heise (NPD) beim „Trauermarsch“ für Siegfried Borchardt. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Thorsten Heise, Bundesvorstandsmitglied, initiierte unter dem Titel ‚Völkischer Flügel‘ im Jahr 2018 eine entsprechende Kampagne. Das dazugehörige ‚Manifest‘ wurde auch von Hans-Jochen Voß unterzeichnet, dem langjährigen Vorsitzenden der NPD Unna/Hamm. Dies kann insofern nicht überraschen, als das Voß seit Jahren eng und gut mit den Neonazis im östlichen Ruhrgebiet zusammenarbeitet, damals noch mit der Kameradschaft Hamm, dem NWDO und dem Nationalen Widerstand Unna, heute mit den entsprechenden Kreisverbänden von Die Rechte.

Auch in Dortmund selbst sind frühere Konflikte mit der NPD mittlerweile befriedet, wenn auch eher mit einem Siegfrieden zugunsten von Die Rechte. Dass beide Parteien von 2016 bis 2020 eine Ratsfraktion im Dortmunder Stadtrat bildeten, überrascht rückblickend dann doch. Noch 2013 gab es innerhalb des NPD-Landesverbandes Berichte über Bedrohungen und Sachbeschädigungen gegen den NPD-Ratsherrn Axel Thieme und den damaligen Kreisvorsitzenden Matthias Wächter: unter anderem wurde Thiemes Haus „entglast“ und ein „pyrotechnischer Sprengsatz“ unter Wächters Auto gelegt, beides mutmaßlich von Personen aus dem Umfeld von Die Rechte.

Michael Brück (Die Rechte), Axel Thieme (NPD), im Hintergrund Gruppen-Geschäftsführer Claus Cremer.
Michael Brück (Die Rechte), Axel Thieme (NPD), im Hintergrund Gruppen-Geschäftsführer Claus Cremer. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Dass Thieme schon 2014 wieder als „Juniorpartner“ mit Die Rechte im Rat zusammenarbeitete, spricht Bände über den Opportunismus der NPD. Auch der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer aus Bochum wurde später eingebunden – als Fraktionsmitarbeiter. Cremer war es auch, der von NPD-Seite aus maßgeblich am Nationalen Bündnis Ruhrgebiet mitwirkte, das eigens zur erstmaligen Wahl des ‚Ruhrparlaments‘ im Rahmen der Kommunalwahl 2020 gebildet wurde und auf dessen Wahlliste sich Kader von NPD und Die Rechte abwechselten.

Das Ziel, mit ‚vereinten Kräften‘ über die notwendige 1%-Hürde zu kommen, wurde deutlich verfehlt (0,23%). Nichtsdestotrotz zeigt diese jüngste Form der Zusammenarbeit die Nähe der beiden Parteien. Vor allem für die NPD, welche ohne die Zusammenarbeit mit dem Dortmunder Kreisverband von Die Rechte kaum Sichtbarkeit auf sich vereinen kann, ist dieses Zusammenlegen der Ressourcen essentiell geworden.  

Auch die Partei „Der III. Weg“ ruft zur Teilnahme am „Tag der deutschen Zukunft“ auf.

Mit dem Dritten Weg ist ein derartiges Bündnis aktuell nicht absehbar. Auch diese Kleinstpartei hat einen Großteil des anfänglichen Personals aus verbotenen Kameradschaftsstrukturen rekrutiert. 2013 vom ehemaligen rheinland-pfälzischen NPD-Funktionär Klaus Armstroff gegründet, erhielt die Partei vor allem nach dem Verbot des Freien Netz Süd im Folgejahr starken Zulauf von Neonazis aus Süd- und Ostdeutschland.

Seit dem Jahr 2015 ist die Partei mit dem Stützpunkt Sauerland-Süd in den ländlichen Regionen des Sieger- und Sauerlandes aktiv. Julian Bender (Kreis Olpe) ist nicht nur die tonangebende Figur im Stützpunkt, sondern als ‚Gebietsleiter West‘ auch in der Bundespartei einflussreich und mit guten Kontakten zu Neonazi-Gruppierungen im europäischen Ausland.

Die zwischenzeitliche Gründung eines Stützpunktes Rheinland im Anschluss an eine Demonstration in Mettmann im März 2019, hat bisher in der Region nur rudimentär zu Aktivitäten geführt. Nur vereinzelt ist Der III. Weg außerhalb Südwestfalens in Erscheinung getreten, sodass sich die Berührungspunkte mit NPD und Die Rechte in Grenzen halten. Ausnahmen bilden vereinzelte Aktionen im Kreis Unna sowie in der Region Düsseldorf.  

Neonaziaufmarsch in Dortmund

Im Unterschied zur Partei Die Rechte, die im Grunde mit der weitreichenden Autonomie ihrer Kreisverbände das Prinzip der Freien Kameradschaften weiterführt, versteht sich Der III. Weg als hierarchisch organisierte Partei. Sie kann insofern als ‚Kaderpartei‘ bezeichnet werden, als dass sie von ihren Mitgliedern ein hohes Maß an Aktivismus einfordert. Der Parteienstatus ist für sie weniger Behelfsmittel zum Strukturschutz, sondern vielmehr organisatorischer Rahmen für eine weitreichende völkische Lebenswelt.

Der III. Weg verbindet so politischen Aktivismus mit Versatzstücken neonazistischer Ideologie, wenn gemeinsame Wanderungen, Familienfeste und traditionelle Tänze unter dem Parteibanner abgehalten werden. Eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien und Organisationen im militanten Rechtsextremismus wird grundlegend abgelehnt. Ziel ist es, „Wachstum nicht den Gesetzgebungen der Quantität, sondern eben der Qualität“ unterzuordnen. 

Das Verhältnis der drei Neonazi-Parteien in NRW ist trotz großer ideologischer Schnittmenge geprägt von strategischen und konzeptionellen Unterschieden. Die Rechte fühlt sich weiterhin der Strategie der Freien Kameradschaften verpflichtet. Mit der NPD geht man zumindest im Ruhgebiet dennoch ein Zweckbündnis ein, Der III. Weg ist mit seinem elitären Anspruch für eine derartige Zusammenarbeit zumindest momentan nicht kompatibel. 

Die Rechte im Kontext einer neuen rechten Protestkultur

Nicht zuletzt auch getragen von den Wahlerfolgen der AfD und der gestiegenen Sichtbarkeit völkisch-nationalistischer Positionen im öffentlichen Diskurs entwickelten sich in vielen Regionen der Bundesrepublik neue Formen der Mobilisierung am rechten Rand. Umsturz- und Selbstermächtigungsphantasien spielen seit jeher in der extremen Rechten eine zentrale Rolle, nun wurden sie auch auf den Straßen immer sichtbarer. Der Versuch, auch im Westen eine Pegida-ähnliche Bewegung auf die Straßen zu bringen, treibt seit dem Jahr 2014 rechte Akteure von AfD bis Die Rechte an.

Hooligans gegen Salafisten - HoGeSa
Hooligans gegen Salafisten – HoGeSa Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Bei einem Großteil dieser Versuche war auch der Dortmunder Kreisverband beteiligt. In NRW begann diese jüngere Entwicklung mit der Demonstration der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) im Oktober 2014 in Köln, bei der es zu gewalttägigen Ausschreitungen kam. Schon einen Monat zuvor hatte es ein HoGeSa-Treffen in Dortmund gegeben, mit damals rund 300 Teilnehmenden. Und auch die HoGeSa-Abspaltung Gemeinsam Stark Deutschland (GSD) traf sich 2016 in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofs, unter reger Beteiligung der hiesigen Parteikader.

Stilbildend war an diesen Protestformen vor allem die lagerübergreifende Mobilisierung unter einem Motto, das zwar Feindbilder klar benannte, ansonsten aber inhaltlich diffus blieb. Im Gegensatz zu den Neonazis, die offenen Antisemitismus äußern und als politisches Ziel die ‚Volksgemeinschaft‘ ausgeben, war man hier nur schlicht „gegen Salafisten“ oder „gegen Islamisierung“. Gruppierungen wie die Bruderschaft Deutschland (seit 2016), die in Essen aktiven Steeler Jungs (seit 2017) oder auch die unter verschiedentlichen Bezeichnungen aktiven Besorgten Bürger Herne (seit 2019) versuchen an dieser Straßenpolitik anzuknüpfen und inszenieren sich ähnlich wie die Hooligans als Schutzmacht, die das vermeintlich außer Kraft gesetzte staatliche Gewaltmonopol ersetzen möchte.

Sie setzen sich aus Neonazis, Hooligans, Rockern und Angehörigen der Türsteher- und Rotlichtszene zusammen, zumeist mit recht hohem Altersdurchschnitt. In Essen-Steele und Herne versuchten diese Gruppierungen durch regelmäßige ‚Spaziergänge‘ den öffentlich Raum zu besetzen. Bei derart entstehenden Bedrohungsszenarios wirkten auch regelmäßig Neonazis aus Dortmund mit.

Als "kontaktfreudig und erlebnisorientiert" bezeichnet sich dieser Hooligan. Archivbild: Alex Völkel
Als „kontaktfreudig und erlebnisorientiert“ bezeichnet sich dieser Hooligan. Archivbild: Alex Völkel Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Im August 2019 nahmen sie mit einer größeren Fraktion zusammen mit ca. 300 Teilnehmenden an einem Aufmarsch der Steeler Jungs teil, in Herne waren sie regelmäßig beteiligt. Ziel ist es, hier wie dort, „unverhohlen rassistische und demokratiefeindliche Botschaften zu postulieren und zumindest temporär ein Klima der Einschüchterung zu schaffen“.

Während diese Gruppierungen habituell zwar eher an Biker-Gangs angelehnt, aber die personellen und ideologischen Überschneidungen zum Neonazismus doch offenkundig sind, versuchten die Dortmunder Neonazis in den vergangenen Jahren auch Anschluss an weniger eindeutig rechtsextreme Protestformen zu finden.

Unter den zumeist recht harmlos klingenden Titeln Patrioten NRW, Pegida NRW, Mütter gegen Gewalt oder NRW schaut nicht weg wurde seit 2014 versucht, an die rassistischen Mobilisierungen von Dresden oder Kandel anzuschließen, zumeist ohne nachhaltigen Erfolg. Bei vielen dieser von diffusen Akteuren des rechten Spektrums getragenen Veranstaltungen waren auch Neonazis aus Dortmund zugegen, so beispielsweise bei der Demonstration der Mütter gegen Gewalt in Bottrop im März 2018, mit insgesamt knapp 1200 Teilnehmenden. 

Trotz dieser dynamischen Entwicklung im Bereich der rechten Straßenpolitik und dem Entstehen neuer Organisationsformen sind bisher Versuche, in NRW eine den sächsischen Verhältnissen gleichende ‚Protestkultur‘ zu etablieren – mit hohen Teilnehmendenzahlen und einer spektrenübergreifenden Zusammenarbeit der extremen Rechten – bisher gescheitert.

Besonders frustrierend ist dies vor allem für die Neonazis aus dem Umfeld von Die Rechte und NPD. Nicht nur haben die eigenen Strukturen in den letzten Jahren an Handlungsfähigkeit eingebüßt, vielmehr ist es nicht gelungen, von den aufziehenden neuen Protestformen zu profitieren. Kurzum: Man darf zwar überall mitlaufen, hat aber für seine eigenen, explizit neonazistischen Veranstaltungen und Projekte kaum Zulauf erhalten. 

Fazit

Die Dortmunder Neonazis sind bedingt durch ihren Einfluss in den Kreisverbänden von Die Rechte und ihre jahrelang gewachsenen Kontakte in die nordrhein-westfälische Neonazi-Szene in einer hervorgehobenen Position – ohne sie geht vielerorts nicht mehr allzu viel. Eine Ausnahme bildet das südliche Westfalen und es bleibt abzuwarten, inwiefern der dort aktive Dritte Weg seinen gemächlichen Strukturaufbau auch auf das Ruhrgebiet ausweitet. Dort haben sich Die Rechte und die NPD bisher die Städte aufgeteilt, wenn auch zumeist mit Kreisverbänden nahe der Unsichtbarkeit. 

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Dortmunder Neonazis versuchen aktiv an jeder neuen Entwicklung der extremen Rechten in NRW mitzuwirken und/oder sichtbar zu sein. Durch diese Form der konkreten Vernetzung untermauern sie ihren Führungsanspruch für das neonazistische Spektrum. Dass sie und ihre Verbündeten in NRW es bisher noch nicht geschafft haben, eigene Ressourcen für den Organisationsaufbau aus den jüngsten Mobilisierungen und Wahlerfolgen am rechten Rand zu ziehen, darf nicht beruhigen.

Denn ihre Positionen können sie in der Regel ungefiltert und ungehindert in die neuen rechten Bündnisse – aktuell auch die ‚Querdenker’ – hineintragen. Die gestiegene Präsenz rassistischer und antisemitischer Hetze auf den Straßen ist bedrohlich genug, auch wenn sie nur punktuell hinter den Parteibannern der NPD oder von Die Rechte vorgetragen wird.

Dass ein rückläufiger Organisationsgrad und sinkende Demo-Mobilisierungen auch nur bedingt Rückschlüsse auf das unverändert hohe Bedrohungs- und Gewaltpotential der Szene zulassen, versteht sich von selbst.  


Mehr Informationen zur Broschüre:

  • Die Stadt Dortmund wurde in den letzten Jahrzehnten wiederholt mit rechtsextremen Gewalttaten konfrontiert, die zum Teil bis hin zum Mord führten. Daher ist neben der Beratungstätigkeit auch die Aufklärung über die Strukturen der rechtsextremen Szene notwendig und Teil des Schutzes prospektiver Opfer rechtsextremen Terrors.
  • Aus diesem Grund informiert die vorliegende Broschüre des Projekts „U-Turn – Wege aus dem Rechtsextremismus und der Gewalt“ , die wir auf nordstadtblogger.de als Serie veröffentlichen –  über Strukturen und aktuelle Entwicklungen des organisierten Neonazismus. 
  • Die Broschüre „Dortmund Rechtsaußen – eine Bestandsaufnahme“ kann kostenlos über info@u-turn-do.de bezogen werden.
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