
Er habe keine Angst vor Frauen, erklärt der namenlose Protagonist. Nachdem er kurz zuvor anhand einer Kreidezeichnung wie ein Lehrer an der Tafel skizziert hat, wo er sich bewegen kann ohne in das Sichtfeld seiner Mutter zu geraten. Sie ist titelgebend für „Mamator oder guck mal ob die Mama guckt”, eine Inszenierung des Vereins artscenico in einem Hinterhof an der Missundestraße. Am Freitag feiert das Stück Premiere.
Eine Figur aus „Nordkurve“ hat Rolf Dennemann für das Stück weiter entwickelt
Weitere Personen, die für den Protagonisten in seinen Monolog immer wieder anspielt, sind Freund Hanno und die Wirtin Gerda – oder Helga? So ganz sicher ist er sich bei den Namen nicht mehr, das mag auch am steigenden Alkoholpegel liegen. Berthold Meyer (Dramaturgie) und Matthias Hecht (Regie) entwickelten das Stück nach einer Idee und Textvorlagen von Rolf Dennemann, der im Januar 2024 verstarb. Noch im November saß Darsteller Maximilian Strestik mit ihm zusammen um über den Text für das Solotheaterstück zu sprechen.

Das nun dem Stück zugrunde liegende Manuskript ist der letzte Theatertext, den Rolf Dennemann für artscenico verfasst hat. Der Charakter beruht auf einer Figur des Gelsenkirchener Autors Michael Klaus und nimmt dabei sehr frei Motive seines Romans „Nordkurve“ auf.
Korrektur: Der Roman basiert auf Adolf Winkelmanns Film „Nordkurve“, dritter Teil der Ruhrgebietstrilogie.
„Es gibt einen ganz kurzen Moment im Film, wie er sich im Auto vor der Mama versteckt – falls sie rausguckt. Weil sie denkt, er sei arbeiten” erklärt Matthias Hecht.
„Bestimmte Dinge haben wir übernommen: dass er Fußballfan ist, dass er mit seiner Mama ein spezielles Verhältnis hat. Und auch ein großer Schwadroneur vor dem Herrn ist. Und über alles und jeden redet“, führt Berthold Meyer aus.
„Ortsspezifische Interventionen” machten den Verein aus, beispielsweise das Projekt „Kunsthuren”, für das die Schauspieler:innen die Räume eines Stundenhotels in der Nordstadt bezogen und gebucht werden konnten, während des laufenden Betriebs. Das Gleiche gilt für die Proben und Aufführungen von Mamator: das normale Leben geht weiter, Autos fahren auf den Hinterhof, Kinder spielen, rufen nebenan und zwischendurch sind die Sirenen der Polizei zu hören – Nordstadt eben.
Ruhrgebietstypische, zeitlose Kulisse liefert den Hintergrund
Für dieses Stück bestehe dahingegen „fast eine klassische Theateranordnung”, so der Dramaturg, Berthold Meyer. „Hier gibts eine Tribüne und da vorne spielt ein Mensch“. Damit ist Darsteller Maximilian Strestik gemeint, dem in der Umsetzung viel Gestaltungsfreiheit gelassen wird. Regieassistent Ludwig Juhrich verfolgte die Proben im Detail, sodass sie ausführlich besprochen und entwickelt werden konnten.

Marius Glagovsek ist für die Ausstattung verantwortlich, zu den erforderlichen Requisiten zählen ein Plastikfußball, ein alter Fernseher, ein Klappstuhl mit 70er-Jahre-Blumenmuster, ein Gartenzwerg und ein Wäscheständer. Nicht zu vergessen: das obligatorische Bier und die versiffte Kutte mit Aufnähern. Im Hintergrund sind graue Mauern und gestapelter Schrott zu sehen.
Das Stück wird in Realzeit aufgeführt, der Namenlose fiebert auf den Anstoß seines Lieblingsvereins um 20:30 Uhr hin. Regisseur Matthias Hecht ergänzt: „Sieg oder Abstieg. Wenn nicht gewonnen wird, dann steigt die Mannschaft ab und damit auch ein Teil seiner Identität“. Sein Problem dabei: er darf nicht ins Stadion. Und so redet er sich mehr und mehr in Rage, was teilweise zu absurden Monologen über Würste, Vögel oder Autos ausartet.
Als „Vermächtnis und Neuanfang” bezeichnet Berthold Meyer die Aufführung des Stückes nach Dennemanns Tod. Hecht und er sind Teil des neuen Vorstands, zusammen mit Roman D. Metzner, Lars Wege und Stefanie Winner. Auf ihrer Website schreiben sie, der Verein sei bekannt geworden für „Werke, die vom Moment, von der Situation, lebten und die nur in einem, diesem besonderen Augenblick überhaupt existieren konnten. Sie wirken flüchtig“. Gleichzeitig seien die Werke „Ansporn […] im bleibenden Geiste der Arbeit, die Rolf und artscenico seit mehr als drei Dekaden geleistet haben”.

Premiere am Freitag, weitere Aufführungen dieses und kommendes Wochenende
Über Mamator: www.artscenico.de/blog/2024/04/06/mamator/
Spielort: Hinterhof Missundestraße 10, Dortmund
Tickets: Eintrittspreise 17 Euro, ermäßigt 10 Euro (für Schüler:innen, Student:innen, Arbeitssuchende und Menschen mit Behinderung)
online unter ticketree, Reservierung unter orga@artscenico.de oder an der Abendkasse am Veranstaltungsort
Termine: Uraufführung am Freitag 26. April 24 (19 Uhr)
Aufführungen: 27. April, 3. und 4. Mai 24 / Beginn 19 Uhr
Am 4. Mai finden im Rahmen von Dortbunt.Nebenan ab 14 Uhr mehrere Aktionen im angrenzenden Hinterhof statt. Diese enden vor Beginn der Aufführung, sodass auch ein Besuch beider Veranstaltungen möglich ist.
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Nachruf: Der bekannte Theatermacher und Artscenico-Gründer Rolf Dennemann ist tot
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Mamator oder guck mal ob die Mama guckt – ein Theatersolostück im Juni in Marten (PM)
Eine theatrale Hinterhoferzählung über Fußball und allerlei Welt
Die Fußball EM war gestern. Zahllose Fußballgroßereignisse stehen bevor. Darunter Wettbewerbe, von denen noch kaum ein Mensch jemals gehört hat und deren Wert – für den Fußballfan zumindest – fragwürdig scheint. Denn für ihn, den „wahren“ Fan ist doch letztlich nur eins wirklich wichtig: Das nächste Spiel!…
Irgendwo in der großen Stadt in einem verwunschenen Hausgarten, im Schatten (vor-)städtischen Alltagsleben, besiedelt von Tauben und anderen seltsamen Vögeln, spielt Mamator oder guck mal ob die Mama guckt.
Hier hat sich ein Mann seinen Rückzugsort geschaffen. Der Mann ist Mitte Vierzig und lebt eigentlich noch bei seiner Mutter. Er ist leidenschaftlicher Fußballfan, Welterklärer, Biertrinker und hat, so sagt er, Stadionverbot.
Wahrscheinlich hängt das alles irgendwie zusammen. Nur wie? Und wo, wann und womit das alles angefangen hat? Wer will das schon sagen! Und so bemüht sich der Mann, die doch manchmal recht losen Enden seiner Wirklichkeitswahrnehmung zu verknüpfen und schwadroniert sich dabei – immer an den Außenlinien des Lebens entlang – durch seine Alltage, die manchmal eben auch Spieltage sind.
Mamator ist ein Theatersolostück für einen lebendigen Ort – also nicht notwendigerweise ein Theater. Mamator ist eine Hinterhofballade oder auch ein Vorstadtgartenblues. Auf jeden Fall aber eine Erzählung aus dem lebendigen Herzen einer so ruhrpotttypischen Fußballbegeisterung.
Eine Hommage an einen Fan und seinen Fußball.
Das dem Stück zugrunde liegende Manuskript ist der letzte Theatertext, den der langjährige künstlerische Leiter des Vereins, Rolf Dennemann, für artscenico verfasst hat. Er beruht auf einer Figur aus dem Roman des Gelsenkirchener Autors Michael Klaus und nimmt dabei sehr frei Motive seines Romans „Nordkurve“ auf.
Darsteller: Maximilian Strestik; Regie: Matthias Hecht; Regieassistenz: Ludwig Juhrich; Dramaturgie: Berthold Meyer; Ausstattung: Marius Glagovsek; Mitarbeit Produktion: Sven Möller; Fotos: Guntram Walter; Artwork / Presse & Öffentlichkeitsarbeit: Lars Wege
27./28.06.2025, 19:00 Uhr
Altenrathstraße 10, im Garten
Dortmund-Marten
Eintritt: 15 €/10€ mit anschl. Grillen
Tickets unter http://www.ticketree.de oder oder Reservierung unter orga@artscenico.de