Knapp, fehlerhaft, dennoch gültig: Wahlprüfungsausschuss stoppt Neuwahl-Debatte

Nach Pannen in drei Ratswahlbezirken bei der Kommunalwahl

Blick in den Saal
Selbst dort, wo am Ende eine einzige Stimme über ein Direktmandat entschied, sieht die Mehrheit des Wahlprüfungsausschusses keine ausreichende Grundlage für eine Neuwahl. Foto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

Der neue Stadtrat hat schon zwei Mal getagt und kommt am Donnerstag (18. Dezember 2025) zu seiner dritten Sitzung zusammen. Doch über die Rechtmäßigkeit seiner Zusammensetzung entscheidet er erst dann. Der Wahlprüfungsausschuss hatte sich heute damit auseinandergesetzt. Trotz dreier Pannen bei der Ratswahl soll in Dortmund nicht neu gewählt werden. Selbst dort, wo am Ende eine einzige Stimme über ein Direktmandat entschied, sieht die Mehrheit des Gremiums keine ausreichende Grundlage für eine Neuwahl.

Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl ohne Erfolg

Fehlerhafte Stimmzettel, falsch produzierte Briefwahlunterlagen und ein Wahllokal, in dem zeitweise keine Ratsstimmzettel ausgegeben wurden – all das hat es bei der Kommunalwahl gegeben. Dennoch empfiehlt der Wahlprüfungsausschuss dem Rat der Stadt Dortmund, sämtliche Wahlen für gültig zu erklären. Auch dort, wo das Ergebnis denkbar knapp ausfiel, sieht das Gremium am Ende keine ausreichende Grundlage für eine Wiederholungswahl.

Benjamin Beckmann (Grüne) ist Vorsitzender des Wahlprüfungsausschusses. Foto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

Nach jeder Kommunalwahl ist der neu gewählte Rat verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Wahlen festzustellen. Die fachliche Vorprüfung übernimmt der Wahlprüfungsausschuss. Er bewertet Einsprüche und prüft mögliche Unregelmäßigkeiten von Amts wegen. In seiner Sitzung nahm der Ausschuss nun insbesondere drei problematische Fälle aus der Ratswahl unter die Lupe – mit teils kontroversen Diskussionen.

Ein Einspruch gegen die Wahl des Oberbürgermeisters spielte in der Sitzung nur eine untergeordnete Rolle. Der Ausschuss erklärte ihn für unzulässig, da die erforderliche Einspruchsberechtigung fehlte. Unabhängig davon stellten die Prüferinnen und Prüfer fest, dass keine inhaltlichen Fehler vorlagen, die das Wahlergebnis hätten beeinflussen können. Die Empfehlung an den Rat lautet daher eindeutig, die Oberbürgermeisterwahl für gültig zu erklären.

Fall 1: Falsche Stimmzettel bei der Briefwahl in Wischlingen

Der erste von drei problematischen Fällen betraf den Ratswahlkreis 37 in Wischlingen. Dort waren bei der Briefwahlproduktion vereinzelt falsche Ratsstimmzettel in Umlauf geraten. Betroffen waren Stimmzettel aus dem benachbarten Wahlkreis 36. Insgesamt hatten zu diesem Zeitpunkt 1.465 Personen bereits Briefwahl beantragt.

Marc Rostohar wirft einen Wahlbrief in eine Urne.
Marc Rostohar ist Leiter des Kommunalen Wahlbüros. Foto: Javad Mohammadpour für Nordstadtblogger

Das Kommunale Wahlbüro reagierte, schrieb alle Betroffenen an und ermöglichte den Austausch der Unterlagen. Am Ende wurden 51 Stimmen mit falschen Stimmzetteln abgegeben und als ungültig gewertet.

Marc Rostohar, Leiter des Kommunalen Wahlbüros, machte im Ausschuss deutlich, dass diese Stimmen weder das Ergebnis im Wahlbezirk noch die Mandatsverteilung beeinflussen konnten. 

Der Abstand zwischen dem erst- und dem zweitplatzierten Bewerber lag bei 67 Stimmen. Auch rechnerische Modellversuche änderten daran nichts. Der Ausschuss folgte dieser Einschätzung.

Fall 2: 307 falsche Stimmzettel im Wahlkreis Brechten

Deutlich komplexer war der zweite Fall im Ratswahlkreis 13 in Brechten. In einem Wahllokal waren nach Schließung der Urnen 307 Ratsstimmzettel aus dem falschen Wahlkreis 12 entdeckt worden. Ursache war ein falsch zugeordneter Karton im Wahlbüro. Die Stimmzettel wurden regelkonform für ungültig erklärt. Zusätzlich hatte der Wahlvorstand drei korrekt abgegebene Stimmen für die Bürgerliste irrtümlich ebenfalls für ungültig erklärt.

André Buchloh (CDU) hat den Wahlkreis 13 geholt – Carsten Giebel (SPD) zog den Kürzeren. Fotos: CDU und SPD

Die Verwaltung prüfte intensiv, ob diese Fehler das Ergebnis hätten kippen können. Dabei griff sie unter anderem auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zurück.

Rostohar argumentierte, niemand habe bewusst auf einem falschen Stimmzettel gewählt, und es sei nicht anzunehmen, dass die Wählerinnen und Wähler mit korrekten Unterlagen anders abgestimmt hätten. Alle Berechnungen zeigten, dass sich weder der Sieger im Wahlbezirk noch die Sitzverteilung verändert hätte.

Politisch blieb der Fall dennoch umstritten. Dirk Goosmann (SPD) sprach von einem „sehr ärgerlichen Wahlfehler“, sah aber keine Ergebnisrelevanz. Leander Schreyer (Grüne) und Utz Kowalewski (Linke) hielten dagegen, bei einer Personenwahl könne nicht ausgeschlossen werden, dass fehlende Namen auf dem Stimmzettel das Wahlverhalten beeinflusst hätten. Am Ende folgte die Mehrheit des Ausschusses dennoch der Verwaltung.

Fall 3: Keine Ratsstimmzettel im Wahlkreis 39 – Entscheidung mit Bauchschmerzen

Am heftigsten diskutiert wurde der dritte Fall im Ratswahlkreis 39. Dort hatten in einem Wahllokal rund 50 Wählerinnen und Wähler zunächst keinen Ratsstimmzettel erhalten. 25 von ihnen konnten ihre Stimme später nachholen, 25 jedoch nicht mehr. Besonders brisant: Die SPD-Kandidatin gewann den Wahlbezirk mit nur einer Stimme Vorsprung vor dem AfD-Kandidaten.

Im Wahlbezirk 39 gewann Gudrun Heidkamp von der SPD ihr Ratsmandat mit nur einer Stimme Vorsprung vor dem AfD-Kandidaten Peter Bohnhof.

Rostohar räumte ein, dass hier eine Beeinflussung des Wahlergebnisses „in greifbarer Nähe“ liege. Gleichzeitig legte die Verwaltung mehrere Vergleichsrechnungen vor. Sie zeigten, dass die SPD in genau diesem Stimmbezirk auch bei allen anderen Wahlen am selben Tag vorne lag.

Daraus leitete die Verwaltung ab, dass eine Ergebnisänderung zwar theoretisch möglich, realistisch aber eher unwahrscheinlich sei. Entsprechend legte sie dem Ausschuss zwei Beschlussvarianten vor – mit und ohne Wiederholungswahl.

Die Debatte verlief entlang klarer politischer Linien. Katrin Lögering (Grüne) betonte, Wahlen müssten frei von Zweifeln sein, gerade bei einem Stimmenabstand von nur einer Stimme. Utz Kowalewski (Linke) sprach von einem Zufallsergebnis und plädierte ebenfalls für eine Wiederholung. Vertreter von SPD, CDU und AfD hielten dagegen, entscheidend sei nicht die Knappheit, sondern eine realitätsnahe Bewertung. Eine Mehrheit des Ausschusses sprach sich schließlich auch hier gegen eine Neuwahl aus.

Entscheidung liegt nun beim Rat

Unterm Strich sieht der Wahlprüfungsausschuss trotz dreier Wahlpannen keine ausreichende Grundlage für eine (partielle) Wiederholungswahl. Keiner der geprüften Fehler habe eine nachweisbare Ergebnis- oder Mandatsrelevanz.

Auch für die Bezirksvertretungen und den Ausschuss für Chancengerechtigkeit und Integration lagen weder Einsprüche noch relevante Mängel vor. Die endgültige Entscheidung trifft der Rat der Stadt Dortmund in seiner Sitzung am Donnerstag, 18. Dezember.


KOMMENTAR

Willkommen im Club der
sogenannten „Altparteien“

Die AfD inszeniert sich gern als Alternative zu den von ihr verächtlich als „Altparteien“ bezeichneten demokratischen Fraktionen. Besonders häufig wirft sie ihnen vor, Politik vor allem im eigenen Interesse zu betreiben. Dabei ist die AfD selbst längst eine „Alt-Partei“ – allein seit ihrer Gründung sind mehrere neue Parteien entstanden, darunter auch das BSW. Vor allem aber unterscheidet sie sich im politischen Verhalten kaum von denen, die sie so gern kritisiert.

Gruppenfoto der AfD-Fraktion vor der konstituierenden Ratssitzung am 13. November 2025 Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Während Grüne und Linke den Willen der Wähler:innen in den Mittelpunkt stellen, klammern sich vor allem SPD und AfD an das Ergebnis der Ratswahl. Bei der SPD liegt das Motiv offen zutage: Ihr Ratsmitglied Gudrun Heitkamp behält so ihr Mandat.

Doch auch die AfD lehnt Neuwahlen ab – obwohl sich damit erstmals ein Direktmandat in Dortmund gewinnen ließe, wenn auch „nur“ für den Rat.

Der Grund ist schlichtes Rechnen. Würde Peter Bohnhof das Mandat direkt erringen und nicht wie bisher über die Liste einziehen, verlöre die AfD unter dem Strich einen Sitz. Der Rat würde von 104 auf 100 Mitglieder schrumpfen, die AfD-Fraktion von 18 auf 17 Mandate.

Also entscheidet sich die Partei für den eigenen Vorteil – und gegen den angeblichen Willen der Wähler:innen. Willkommen im Club der Parteien, die sie sonst so gern schmäht.


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