Rabbiner Henry G. Brandt ist im Alter von 94 Jahren gestorben

Dortmund trauert um einen wichtigen Motor der christlich-jüdischen Zusammenarbeit

Der ehemalige Landesrabbiner Dr. hc Henry Brandt ist im Alter von 94 Jahren gestorben.
Der ehemalige Landesrabbiner Dr. h.c. Henry Brandt ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Foto: Ilse Paul/ CC BY-SA 4.0

Dortmund hat eine bekannte Persönlichkeit verloren: Dr. h.c. Henry G. Brandt ist im Alter von 94 Jahren in Zürich gestorben. Brandt war von 1995 bis 2004 Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe in Dortmund. Er hinterlässt eine Frau, vier Kinder sowie sieben Enkel.

OB würdigt eine  prägende Stimme der jüdischen Gemeinde in unserer Stadt

„In seiner Zeit in Dortmund war er eine prägende Stimme der jüdischen Gemeinde in unserer Stadt. Als Großstadt der Nachbarn werden wir in Dortmund weiter auch ganz in seinem Sinne an der Versöhnung arbeiten und Brücken zwischen den Menschen bauen, über gesellschaftliche und religiöse Gräben hinweg“, würdigt Oberbürgermeister Thomas Westphal.

Mit Betroffenheit haben die Jüdische Kultusgemeinde Dortmund sowie der benachbarte Jüdische Landesverband auf den Tod ihres langjährigen Landesrabbiners reagiert. 

„Wir trauern um den großen Verlust unseres ehemaligen Landesrabbiners, der darüber hinaus bis zum Schluss unsere angeschlossene Gemeinde Bielefeld mit Engagement und Hingabe betreute“, schreibt der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe an die Familie Brandt. 

Unermüdlicher Einsatz für Gerechtigkeit, Dialog und den Abbau von Vorurteilen

Sheila Brandt stand über Jahrzehnte an der Seite ihres Mannes Henry Brandt.
Sheila Brandt stand über Jahrzehnte an der Seite ihres Mannes Henry Brandt.

„Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland verliert mit Rabbiner Dr. Henry Brandt eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die unermüdlich für Gerechtigkeit, Dialog und den Abbau von Vorurteilen einstand“, heißt es weiter.

„Wir alle haben Henry in unzähligen Bereichen viel zu verdanken und haben ihn wegen seiner Herzlichkeit, seiner Leidenschaft, seinem ausgeprägten Intellekt, seinem Humor und seiner jüdischen Neschume sehr geschätzt. Mit ihm haben wir nicht nur einen langjährigen Partner in der gemeinsamen Arbeit verloren, sondern auch einen guten Freund, dessen menschliche und geistige Größe wir stets bewundert haben.“

„Sein Vermächtnis für unseren Landesverband und für viele andere jüdische Institutionen wird fortbestehen. Wir alle werden Rabbiner Brandt stets in guter Erinnerung behalten und ihm ein ehrendes Andenken bewahren“, betont der Landesvorstand.

Ein Meister der leisen Töne und mit enormer Wortgewalt

„Die Welt ist um eine herausragende Persönlichkeit ärmer geworden. Wir haben Henry Brandt kennengelernt als Mahner und Versöhner, der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion zusammenbringen konnte. Als Meister der leisen Töne konnte er mit enormer Wortgewalt Menschen faszinieren“, erinnern Zwi Rappoport und Wolfgang Polak an den langjährigen Wegbegleiter.

Doch auch als Lehrer und väterlicher Freund mit seinem jüdischen Humor bleibe er der Dortmunder Kultusgemeinde in bester Erinnerung: „Unvergessen sind seine Predigten am Schabbat oder an anderen Feiertagen, durch die diese Tage zu einem wirklichen Festtag wurden. Er hatte uns etwas zu sagen und hat uns unterschiedliche Facetten des Judentums aufgezeigt.“ 

Er war ein großer Freund der Musik, Kunst und Kultur. Besonders die Synagogale Musik lag ihm sehr am Herzen, weshalb er „BAT KOL DAVID“, den Chor des Landesverbandes, initiierte. „Wir verneigen uns in Dankbarkeit und bleibender Erinnerung vor ihm und nehmen traurig Abschied. Tröstlich für uns alle ist, dass Henry ein langes, erfülltes Leben hatte, in dem er vieles bewirken konnte und bleibende Spuren hinterlassen hat.“

Ein wichtiger Motor der christlich-jüdischen Zusammenarbeit

Rabbiner Henry Brandt ist im Alter von 94 Jahren gestorben.
Rabbiner Henry Brandt war von 1985 bis 2016 Jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Foto: J.E.W. / Tanja Liberman

1927 wurde der Verstorbene als Heinz Georg Brandt in München geboren. Vor der drohenden Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime konnte die Familie 1939 nach Großbritannien fliehen. Von dort gelangte er nach Palästina. 

Nach Kriegsende und einem Wirtschaftswissenschaftstudium in Belfast, arbeitete er für kurze Zeit in der Automobilindustrie bevor er ein Rabbinatsstudium begann, das er 1966 abschloss. Seine Tätigkeit als Rabbiner führte ihn durch viele Länder Europas nach Leeds, Genf, Zürich und Göteborg. 1983 kehrte er dann als Landesrabbiner von Niedersachsen nach Deutschland zurück.

Nach seiner Zeit als Landesrabbiner von Westfalen-Lippe in Dortmund war er von 2004 bis 2019 Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands. Bis 2019 war er als Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg tätig. Zuletzt war Rabbiner Brandt Gemeinderabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld.

Als Jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit wirkte er von 1985 bis 2016. Für sein Engagement um Versöhnung und Verständigung wurde Brandt vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Bayerischen Verdienstorden, dem Ehrendoktortitel der Philipps-Universität Marburg, dem Klaus-Hemmerle-Preis und der Ehrenbürger-Würde Augsburgs.

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