
Nach jahrelanger Planung ist es nun so weit: Dortmund feiert die Wiedereröffnung einer jüdischen Grundschule und ist damit die dritte Kommune in Nordrhein-Westfalen mit einem solchen Angebot. Bundesweit ist es zugleich die erste Einrichtung in städtischer Trägerschaft. Neben Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und Eltern sprachen auch Vertreterinnen und Vertreter der Politik bei der Einschulungsveranstaltung ihre Glückwünsche aus, darunter NRW-Schulministerin Dorothee Feller.
Ein besonderer erster Schultag für 17 Kinder
Mit blau-weißen Luftballons geschmückt ließen die Schultüten in den Räumen der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund zum Beginn des neuen Schuljahres die festliche Stimmung erahnen. Nachdem vor über 80 Jahren die Nationalsozialisten jüdische Schulen schließen ließen und jüdischen Kindern den Schulbesuch verboten, eröffnet nun erstmals wieder eine jüdische Grundschule in Dortmund.

Dauerhaft soll die Schule an der Davidisstraße untergebracht werden, auf dem Gelände der ehemaligen Hauptschule am Ostpark und unweit der Berswordt-Europa-Grundschule. Da der Ausbau und der Umzug erst für 2032 vorgesehen sind, stellt die Jüdische Kultusgemeinde vorerst eigene Räume zur Verfügung.
Dort starteten nun die ersten 17 Kinder ins Schulleben – der festlichen Stimmung tat das keinen Abbruch. Die neue Schule steht nicht nur jüdischen Kindern offen, sondern allen Kindern, unabhängig von ihrer Konfession. Neben den klassischen Unterrichtsfächern werden auch Hebräisch und Jüdische Religion unterrichtet sowie Bräuche und Traditionen der jüdischen Kultur vermittelt. Außerdem wird eine koschere Küche angeboten.
Die Wiedereröffnung hat historische Bedeutung und steht für Resilienz
Zwi Rappoport, Vorstandsvorsitzender der Gemeinde, betonte die historische Bedeutung des Tages. Es handle sich nicht um eine Neugründung, sondern um eine Wiedereröffnung, da es bereits seit 1858 eine jüdische Volksschule in Dortmund gegeben habe. Diese Tradition sei jedoch von den Nationalsozialisten zerstört worden.

Zum 30. Juni 1942 seien sämtliche jüdischen Schulen im Deutschen Reich geschlossen worden, auch in Dortmund habe man jüdischen Kindern den Schulbesuch verboten.Unter den Opfern der Schoa seien rund 250 Dortmunder Kinder und Jugendliche gewesen.
„Die heutige Wiedereröffnung steht auf einem historischen Fundament, das aus Erinnerung und Verantwortung besteht“, sagte Rappoport. Sie sei ein Zeichen dafür, „dass jüdisches Leben nicht nur Teil der Vergangenheit ist, sondern lebendig, sichtbar und zukunftsorientiert in der Mitte unserer Stadt steht“.
Zugleich sei die Schulgründung ein Zeugnis der Resilienz: „Wir zeigen damit, dass wir – besonders nach dem seit dem 7. Oktober 2023 erneut erstarkten Antisemitismus – nicht daran denken, extremistischen und antidemokratischen Kräften das Feld zu überlassen.“
Schule soll Werte wie Menschlichkeit und Zusammenhalt vermitteln

Auch Oberbürgermeister Thomas Westphal machte deutlich, dass die neue Grundschule weit mehr sei als ein Bildungsort. Es gehe in Schulen nicht allein um Mathematik oder Sprache, sondern vor allem um Menschlichkeit und das gemeinsame Zusammenleben.
„Gerade in diesen Zeiten ist dieses einfache, aber mächtige Prinzip der Menschlichkeit so notwendig“, sagte Westphal.
Zugleich berichtete der Oberbürgermeister von seinem Besuch bei den neuen Erstklässler:innen. Die Kinder hätten die besondere Stimmung sofort gespürt: „Sie waren stolz und aufgeregt, sie haben gemerkt, dass dieser Tag kein gewöhnlicher ist.“ Für die Lehrkräfte sei der Auftakt zwar eine Herausforderung, zugleich aber eine „außergewöhnlich schöne Situation“.
Die Gesellschaft trägt Verantwortung für jüdisches Leben
Für Sylvia Löhrmann, Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW, sei die Wiedereröffnung der jüdischen Grundschule weit mehr als ein symbolischer Akt: Sie sei ein Zukunftsversprechen der Mehrheitsgesellschaft, dass jüdisches Leben mitten in Dortmund sicher und sichtbar seinen Platz habe.

Löhrmann hob hervor, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht allein von den jüdischen Gemeinden getragen werden könne. Vielmehr sei er eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Sie betonte: „Die Gründung und Wiedereröffnung einer jüdischen Grundschule ist ein Zukunftsversprechen – von uns allen als Mehrheitsgesellschaft.“
Besonders wichtig sei ihr gewesen, den Kindern die Bedeutung des Tages zu vermitteln. Die Erstklässler:innen sollten verstehen, dass die zahlreichen Ehrengäste nicht nur aus formaler Pflicht erschienen seien. „Sie sind gekommen, weil es um euch geht, um eure Zukunft“, erklärte Löhrmann. „Sie wollen, dass es euch gut geht beim Lernen und beim Heranwachsen.“
Bildung, Begegnung und Vielfalt stärken die Gesellschaft
Ebenso sei für NRW-Schulministerin Dorothee Feller die neue Einrichtung „wirklich außergewöhnlich“. Sie erinnerte daran, dass Antisemitismus ein strukturelles Problem sei, dem man mit Bildung wirksam begegnen könne. Schulen böten die Chance, Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft zusammenzuführen. „Bildung ist das wirksamste Mittel gegen Antisemitismus und Extremismus“, sagte Feller.

Besonders hob die Ministerin hervor, dass jüdische Kultur nicht nur in Erinnerung an Verfolgung und Schoa gesehen werden dürfe. Sie sei lebendig, vielfältig und kreativ, von Musik und Literatur über Philosophie bis hin zum heutigen Gemeindeleben. „Wenn Schülerinnen und Schüler diese Vielfalt kennenlernen, verlieren sie Unsicherheit und Angst vor dem Fremden. Und wo Angst fehlt, wächst kein Hass.“
Die Landesregierung wolle daher weiterhin Begegnungen mit jüdischem Leben fördern, im Unterricht ebenso wie durch Wettbewerbe, Projekte und Gedenkstättenfahrten. Für Dortmund sei die Eröffnung nicht nur ein Gewinn für die Gemeinde, sondern ein starkes Signal für Offenheit und Vielfalt in der ganzen Stadt.
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