
Das Szenario kennen einige Unternehmen: Ein Jugendlicher bewirbt sich auf einen Ausbildungsplatz, unterschreibt den Vertrag und verschwindet dann ohne ein Wort oder eine Nachricht. Das Wort Azubi-Ghosting setzt sich aus dem Wort „Azubi“ für Auszubildende:r und „Ghosting“, dem englischen Ausdruck für plötzlichen Kontaktabbruch ohne Begründung zusammen – bezeichnet also ein Verschwinden von Auszubildenden. Und laut Tobias Schucht von der Indutrsie- und Handelskammer (IHK) Dortmund, kommt dieses Ghosting in allen Stadien des Bewerbungsprozesses vor. Und nicht wenige treten die Stellen nicht an.
Verschwinden von Azubis mit Beziehung angehen
Potenzielle Azubis verschwinden auch nach einer Bewerbung oder dem Bewerbungsgespräch. Da die Unternehmen bereits mit Fachkräftemangel kämpfen, und die Belegschaften das Überleben der Betriebe versuchen zu gewährleisten, sollten Bewerber:innen fair sein, und zumindest eine Absage schicken, so Schucht.
Genaue Zahlen zum Azubi-Ghosting sind derzeit nicht bekannt. Björn Woywod, der Abteilungsleiter der Ausbildungsberatung der Handwerkskammer, gibt jedoch einen Eindruck aus der Praxis. Von 4000 unterzeichneten Verträgen für den gesamten Kammerbezirk sind rund 80 bis 140 Stellen ohne Rückmeldung unangetreten. Auch wenn die Zahlen augenscheinlich gering sind: Probleme für die betroffenen Betriebe kann es trotzdem bedeuten, so Woywod.

Einer der häufigsten Gründe für das Azubi-Ghosting ist das Freihalten von mehreren Ausbildungsstellen. Azubis, die sich bei ihrem oder ihrer Wunscharbeitsgeber:in bewerben, schicken häufig zur Sicherheit noch weitere Bewerbungen für weniger beliebte Stellen ab.
Wenn die Azubis ihre Wunschposition dann doch bekommen, können die anderen Betriebe in Vergessenheit geraten. Damit werden aber auch die Konsequenzen für den Betrieb nicht beachtet oder ignoriert.
Woywod nennt außerdem persönliche und situative Gründe, die Anlass sein können, einen Betrieb zu ghosten. Dazu zählen beispielsweise vorherige Kontaktstörungen mit einem Unternehmen oder Krankheiten. Auch kulturelle Hintergründe, wie ein Migrationshintergrund, könnten dabei eine Rolle spielen. Anlass dafür könnte ein verringertes Selbstwertgefühl sein, das durch Sprachschwächen begünstigt wird.
Ghosting-Zahlen sind gering, die Folgen jedoch umso ernster
Um ein Ghosting möglichst zu vermeiden, sollten präventive Maßnahmen gezogen werden. Tobias Schucht von der HWK schlägt vor, die Bewerber:innen möglichst schnell zu kontaktieren. Betriebe sollten langezogene Einstellungsverfahren vermeiden, weil sie die perfekten Bewerber:innen suchen.
Schon vor dem Ausbildungsbeginn sollte durch regelmäßige Kontaktaufnahmen eine Beziehung etabliert sein, damit die Distanz zwischen Azubi und Betrieb überwunden wird, was Ghosting vorbeugt. Eine solche Bindung bringt zusätzlich den Vorteil mit sich, dass Azubis auch zukünftig mit höherer Wahrscheinlichkeit in den Betrieb einsteigen.
Insbesonders kleine Betriebe laufen durch das Ghosting mittelfristig Gefahr in Zukunft nicht genug Fachkräfte zu finden. Vor allem wenn sich die gesamte Fachkräfteplanung auf eine Person richtete, die das Unternehmen ghostet, steht der Betrieb in einer schwierigen Lage. Woywod sagt, es könnte sein, dass „die gesamte Personalplanung gefährdet wird“. Auch längerfristig könnte das Rentensystem durch einen steigenden Rückgang an Azubis gefährdet werden, wenn nicht genug Geld in die Rentenkassen einfließt.
Ghoster und Betriebe müssen Verantwortung übernehmen

Die Betriebe hingegen möchte Schucht auf die kommende Änderung des gymnasialen Bildungssystems von G8 zu G9 in NRW ab den Jahren 2026/2027 hinweisen.
Anstatt der zwölf Jahre bis zum Abitur, erreichen Schüler ab dem kommenden Jahr nach neun Jahren ihre Hochschulreife.
Deswegen müssen sich Betriebe darauf einstellen, dass es im Jahr 2026 eine Lücke im Abiturientenjahrgang geben wird. Betriebe sollten dies in ihre Personalplanung einbeziehen.
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Reaktionen
ClaudiaBerlin
„Anstatt der zwölf Jahre bis zum Abitur, erreichen Schüler ab dem kommenden Jahr nach neun Jahren ihre Hochschulreife.“
Da stimmt was nicht! Der Übergang von G8 zu G9 bedeutet ein Jahr länger Schule!