
Am 24. Februar 2022 begann der vollumfängliche russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Einen Monat später, im März desselben Jahres, reist Dokumentarfotograf Fabian Ritter in die westukrainische Stadt Lviv. Um einen Beitrag zu leisten, wie er sagt. In der Ausstellung „Youth of Ukraine“, die gemeinsam von der Dortmunder „Initiative für Gesellschaftskritik“ und dem „Sozial-Ökologischen Zentrum“ (SÖZ) organisiert und von Steven Natusch kuratiert wird, zeigt er am dem 18. Oktober 2025 Bilder von jungen Ukrainer:innen und ihrem Alltag im Krieg. Dahinter verbirgt sich eine ganze Generation, die von Hoffnung, Ängsten und Sehnsucht nach Normalität geprägt ist.
Junge Menschen im Fokus der Ausstellung
Im Interview mit Nordstadtblogger erzählt Fabian Ritter, warum er in seinem bisher größten Projekt junge Menschen in den Fokus nimmt. Er habe sich bei seiner ersten Reise mit den jungen Menschen am verbundensten gefühlt.

Sie sprechen eher Englisch und mit 29 Jahren, bei seiner ersten Reise, sei er grob im gleichen Alter wie seine Protagonisten gewesen. Diese hätten durch den Krieg einen tiefen Schnitt in ihrer Biografie erlebt. An die Zukunft, die sonst so wichtig für junge Menschen ist, denken wenige. Viele versuchen einfach durch die Zeit zu kommen.
Denn der Druck auf sie ist hoch, was Ritter sehr beeindruckt hat. Sie müssen sich mit den ganz großen Problemen befassen und nicht mit den kleinen des Alltags. Viele Junge Ukrainer:innen wirken dadurch deutlich erwachsener. Gleichzeit sind sehr viele an ihrer mentalen Belastungsgrenze angekommen.
Der Gedanke, in den Krieg zu ziehen
Besonders junge Männer befassen sich viel mit dem Gedanken, ob sie sich für das Militär rekrutieren lassen. Aus einem Schuldgefühl heraus, weil es zu wenig Personal gibt und der Krieg sich nicht ins Positive verändert.

Zu Beginn, 2022 sei das noch anders gewesen, berichtet Fabian Ritter. Nach dem Sieg über die russische Armee in Kiew, in Charkiw und Cherson, hätte es eine allgemeine Euphorie gegeben.
Mittlerweile wäre es ein anderes Gefühl, da die russische Armee im Krieg eine leichte Überhand hat. Der Krieg, oder die Landesverteidigung sei das Thema Nummer Eins unter jungen Menschen. Jeder kenne jemanden, der an der Front ist, verletzt oder getötet wurde.
Die Geschichte hinter den Bildern und ihre Protagonisten
Unter den 44 Bildern, gibt es viele unterschiedliche Geschichten. Er versuche immer, die Emotionen zu zeigen, sagt Fabian Ritter. So zum Beispiel die Geschichte eines anonymen jungen Mannes, dessen Vater seit Kriegsbeginn als vermisst gemeldet ist.

Der Sohn wisse nicht, ob sein Vater lebt, ob er in russische Kriegsgefangenschaft geraten ist. Das sei ein weit verbreitetes Problem, das die Angehörigen schwer belastet: die ewige Ungewissheit.
Es finden sich auch ganze Geschichten in den Bildern. Eines zeigt ein junges Paar, welches geheiratet hat und in seinen Flitterwochen von dem Fotografen begleitet wurde. Der Mann ist in der Armee und hat für die Hochzeit eine Woche frei bekommen. Wann sie sich danach wiedersehen, wissen sie nicht.
„Am Tag nach der Hochzeit haben die ersten Leute schon wieder die Militäruniform angezogen und sind abgereist“, erzählt Fabian Ritter. „Das ist nie weit weg“.
Fabian Ritter sagt, er wolle zeigen, dass nicht alles nur Statistiken und Eilmeldungen sind. Er will die Menschen zeigen und den Fokus auf die junge Generation legen, „die am Ende die Zukunft der Ukraine auch mitgestalten wird“.
Zwei Vorträge über den Alltag in der Ukraine
Die Ausstellung wird erweitert durch zwei Vorträge, die von der Inititative für Gesellschaftskritik organisiert werden. Im ersten erzählen die Journalist:innen Mitja Churikov und Yelizaveta Landenberger vom den Alltag in der Ukraine und dem Leben im Krieg. Der zweite Vortrag wird von der Journalistin und Anastasia Tikhomirova gehalten und befasst sich mit Linken, welche dem imperialen Russland huldigen.
Fabian Ritter sagt, es war für ihn und die Organisatoren wichtig, auch der ukrainischen Community die Möglichkeit zu geben, vorbeizuschauen – deshalb ist das Programm auf Deutsch und Ukrainisch verfügbar. Viele sind in den letzten Jahren auch nach Deutschland geflüchtet und es fehle an ukrainischem oder englischsprachigem Kulturangebot.

Das SÖZ ist dieses Jahr als selbstverwalteter Raum neu entstanden und möchte sich mit der Ausstellung als Kulturraum etablieren. Fabian Ritter sagt, er würde das Konzept gerne weitertragen und die Ausstellung auch in Berlin und der Ukraine zeigen.
Die Ausstellung wird am 18. Oktober um 18 Uhr mit einem Vortrag des Fotografen eröffnet und läuft bis zum 2. November 2025. Sie bieten zudem Deutsch- und Ukrainisch-sprachige Führungen an und veranstalten Vorträge als Begleitprogramm.
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