Aufklärung über den „vergessenen Holocaust“ bleibt für Dortmund weiterhin aktuell

Gedenkveranstaltung zum Völkermord an den Sinti:ze und Roman:ja

Drei Personen verneigen sich vor dem Gedenkstein.
Gedenkveranstaltung für ermordete Sinti und Roma.(v.li.).: Roman Franz, Norbert Schilff und Amdrita Jakupi. Foto: Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

In der Nacht des 2. auf den 3. August 1944 wurden in Auschwitz-Birkenau rund 3.000 Sinti und Roma ermordet. Daran erinnerten am Wochenende gleich zwei Veranstaltungen, die neben dem Blick zurück auch alle die Gegenwart in den Blick nahmen. Auf beiden Veranstaltungen wurde deutlich: Auch heute werden Sinti:ze und Roman:ja weiterhin ausgegrenzt und stigmatisiert.

Gedenkort näher an den Ort der Deportation gebracht

Die erste Veranstaltung fand am neuen Standort des Gedenksteins statt, der an die Deportation der letzten Sinti:ze und Roman:ja aus Dortmund nach Auschwitz-Birkenau erinnert. „Hier verliefen die Gleise die früher zum Ostbahnhof führten“, erklärte Bürgermeister Norbert Schilff (SPD). ___STEADY_PAYWALL___

Gedenkveranstaltung für ermordete Sinti und Roma
Gedenkveranstaltung für ermordete Sinti und Roma. Der neue Gedenkort an der Güntherstraße 65. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

In seiner Rede anlässlich des 81. Jahrestags der Ermordung der letzten gefangenen Sinti und Roma betonte Schilff außerdem die Notwendigkeit, als Stadtgesellschaft für die Inklusion der Sinti:ze und Roman:ja-Communities weiter einzustehen.

„Die Verantwortung zur Erinnerung an diese Gräuel liegen auch beim Staat und bei der Stadt“, erklärt der Bürgermeister Schilff. Zu lange habe der Staat den Völkermord an den Sinti:ze und Roman:ja nicht anerkannt.

„Der Kampf um die Anerkennung unseres Schicksals war ein langer und harter“

Roman Franz, Vorsitzender des Landesverbands der Sinti und Roma NRW, erinnerte ins einer Rede daran, dass die damalige Bundesrepublik Deutschland den Genozid an den Sinti:ze und Roman:ja erst 1982 offiziell als Bürgerkrieg anerkannte.  „Der Kampf um die Anerkennung unseres Schicksals war ein langer und harter“, so Franz.

Gedenkveranstaltung für ermordete Sinti und Roma
Roman Franz, Vorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma NRW. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Außerdem blickte er zurück in das Jahr 1998, in der das neueingeweihte Denkmal zum ersten Mal an anderer Stelle (in der Nähe der Weißenburger Straße) eingeweiht wurde. „Kein Mensch wollte damals ein Mahnmal, niemand hat sich dafür interessiert“, rief Franz aus.

Dass es heute wieder Parteien gebe, die alte Ressentiements aufwärmen, um auf Kosten von Minderheiten Politik zu machen, dürfe nicht sein: „So hat es damals angefangen und so fängt es heute wieder an“, warnt Franz in seiner Rede.

„Wie viele Träume hätten leben können?“

„Wie viele wären wir heute, wenn unsere Menschen nicht gestorben wären?“, fragte Amdrita Jakupi vom Dortmunder Verein „Romano Than“ und richtete den Blick auf die Gegenwart: „Eine Demokratie, die nicht ihre Minderheiten schützt, ist keine Demokratie.“

Gedenkveranstaltung für ermordete Sinti und Roma
Amdrita Jakupi von Romano Than e.V.. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Heute sei es immer noch normal, gegen Sinti:ze und Roman:ja zu hetzen, vor allem von Seiten der AfD. Dies dürfe man aber in einer Demokratie nicht zulassen. Außerdem müsse viel mehr über den Völkermord an den Sinti:ze und Roman:ja aufgeklärt werden – Schüler:innen wüssten heutzutage immer noch viel zu wenig darüber.

In Dortmund sei das Haus der europäischen Roma, erklärte Jakupi. „Wir sind nicht am Überleben, sondern hier um die Gesellschaft aktiv mitzugestalten.“ Sie forderte ferner, dass die Unterstützung  der Stadt Dortmund für Romano Than mit dem Jahr nicht enden soll, sodass der Verein weiter seine Bildungsarbeit zur Aufklärung fortsetzen könne.

Vom „vergessenen Holocaust“ an den Sinti:ze und Roman:ja

Das Bündnis Dortmund Gegen Rechts veranstaltete am gleichen Tag eine Gedenkveranstaltung zum „vergessenen Holocaust“ an den Sinti:ze und Roman:ja, eine Formulierung von Zoni Weisz, der diesen Begriff durch seine Rede vor dem Bundestag im Jahre 2011 prägte.

Gedenkveranstaltung für ermordete Sinti und Roma
Gedenkveranstaltung  im Studio B.: Diskussionsrunde mit Roman Franz, daneben Helmut Manz (Bündnis gegen Rechts). Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Diese Rede wurde in Auszügen von Claus-Dieter Clausnitzer verlesen. Janine Rutkowski las Gedichte der Sinti und Roma, musikalisch begleitete die Veranstaltung George Velikov.

Roman Franz war auch hier anwesend und beantwortete Fragen aus dem Publikum zum Thema Sinti:ze und Roman:ja. Dabei kam es zu einer kurzen Kontroverse, als eine Person aus dem Publikum fragte, was der Unterschied zwischen Sinti:ze und Roman:ja sei.

Darauf entgegnete eine andere Person, dass sie diese Frage „respektlos“ finde, da heutzutage dieses Wissen, vor allem durch das Internet, dauerhaft verfügbar sei. (die Definition des Landesverbands gibt es (hier).

500.000 Sinti:ze und Roman:ja starben unter der NS-Herrschaft

Dem entgegnete Franz auf dem Podium, dass es ihm lieber sei, wenn diese Fragen ihm gestellt würden, anstatt im Internet womöglich auf falsche Informationen zu stoßen.

Ansicht des Steins
Der Gedenkstein für die ermordeten Sinti und Roma an der Güntherstraße. Foto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Ein kurzer Moment, der doch tief blicken lässt: das Wissen rund um den Völkermord an den Sinti:ze und Roman:ja bleibt auch nach mehr als acht Jahrzehnten nach dem Völkermord nicht so weit verbreitet. Die Auseinandersetzung mit dem Thema und die Erinnerung daran bleibt weiterhin notwendig.

In der Nacht des 2. August 1944 wurden 4300 Sinti und Roma im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der SS in die Gaskammern getrieben und ermordet. Insgesamt starben 500.000 Sinti:ze und Roman:ja während der NS-Herrschaft. Den Völkermord erkannte Westdeutschland erst 1982 an.


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