Der Rat der Stadt Dortmund soll wieder einen Gleichstellungsausschuss bekommen

SPD, Grüne, Linke+ und Die PARTEI sorgen für die Mehrheit:

Der „alte“ Rat hat beschlossen, ein Konzept für einen Gleichstellungsausschuss zu entwickeln. Ob er dann eingerichtet wird, wird der nächste Stadtrat entscheiden. Foto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

Der Rat der Stadt Dortmund soll wieder einen Gleichstellungsausschuss bekommen: In der letzten Sitzung des Stadtrates vor der Sommerpause wurde ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linke+ und Die PARTEI zur Einrichtung eines Gleichstellungsausschusses mehrheitlich angenommen. Ziel des Antrags ist es, Gleichstellung als zentrale kommunalpolitische Aufgabe dauerhaft institutionell zu verankern.

Gleichstellung ist Verfassungsauftrag, aber nicht erreicht

Die Initiative geht auf eine Anregung der AG Dortmunder Frauenverbände zurück, die sich seit Langem für ein solches Gremium einsetzen. Auch SLADO e. V. und weitere zivilgesellschaftliche Akteur:innen sollen in die Konzeptentwicklung eingebunden werden.

Jenny Brunner (Grüne) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Als erstes Ratsmitglied ergriff Jenny Brunner, Ratsmitglied der Grünen, das Wort. Sie erinnerte an die historische Dimension der Gleichstellungspolitik in Deutschland und verwies auf das Jahr 1994, in dem „ein sehr breites Frauenbündnis in unserem Grundgesetz einen wichtigen Satz verankert“ habe – den Fördergrundsatz.

Seitdem, so Brunner, sei es nicht nur Ziel, Gleichberechtigung zu gewährleisten, sondern der Staat sei verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung aktiv zu fördern. „Und das ist seitdem unser aller Verfassungsauftrag.“

SPD verweist auf das Grundgesetz

Tatsächliche Gleichberechtigung sei allerdings nach wie vor nicht erreicht – trotz starker Netzwerke in Dortmund, trotz engagierter Gleichstellungsakteurinnen und langjähriger Aktivitäten. „Was wir nicht haben, ist ein politisches Gremium, das die Gleichstellung systematisch begleitet und fördert.“ Brunner betonte, ein Gleichstellungsausschuss sei kein „nettes Extra“, sondern ein notwendiges Werkzeug, um dem Verfassungsauftrag auf kommunaler Ebene gerecht zu werden.

1. Bürgermeister Norbert Schilff (SPD) Foto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

In dieselbe Richtung argumentierte Dortmunds 1. Bürgermeister Norbert Schilff (SPD). Er zitierte aus Artikel 3 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchführung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Schilff betonte, dass der Beschluss nicht unmittelbar die Einrichtung des Ausschusses bewirke. Vielmehr solle der Verwaltung der Auftrag erteilt werden, ein Konzept zu erarbeiten, das dem nächsten Rat zur Entscheidung vorgelegt werden könne. Damit solle zu Beginn der neuen Legislaturperiode eine fundierte Debatte möglich sein, ohne dass wesentliche Fragen offenblieben.

Linke+ betont Vielfalt und Teilhabe

Dass Gleichstellung auf kommunaler Ebene institutionell verankert werden müsse, wurde auch von Fatma Karacakurtoglu (Linke+) unterstrichen. Sie kritisierte deutlich die ablehnende Haltung der CDU und verwies auf den niedrigen Frauenanteil innerhalb der CDU-Ratsfraktion.

Fatma Karacakurtoglu (Die Linke+) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„So eine große Fraktion, aber nur vier Frauen, die dabei sitzen – das erklärt ihre Einstellung ja an sich.“ Sie betonte, dass es in einer vielfältigen Stadt wie Dortmund zentral sei, alle mitzunehmen – insbesondere Frauen, Migrantinnen, LGBTQIA+-Personen. „Dass wir heutzutage überhaupt noch darüber diskutieren müssen, ist eigentlich traurig.“

Der Gleichstellungsausschuss solle genau hier ansetzen: Er soll prüfen, ob politische Vorlagen gleichberechtigungsfördernd oder -hinderlich seien, und helfen, Strukturen zu schaffen, die gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen.

CDU kritisiert Ausschuss als strukturell überflüssig

Doch nicht alle Fraktionen wollten diesem Kurs folgen. Sascha Mader (CDU) äußerte erhebliche Vorbehalte. Zwar sei das Thema Gleichstellung wichtig, doch die CDU halte die Einrichtung eines solchen Ausschusses für strukturell und organisatorisch problematisch.

CDU-Parteichef Sascha Mader Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Er verwies auf die Gemeindeordnung, die lediglich eine kleine Zahl zwingender Ausschüsse vorsehe, etwa den Hauptausschuss. Ein Gleichstellungsausschuss gehöre nicht dazu. Jeder neue Rat könne eigenständig entscheiden, welche Ausschüsse er einrichtet – das sei Ausdruck seiner Souveränität.

Zudem warnte Mader vor einer „Duplizierung des Rates“, da die Zuständigkeiten gegenüber bestehenden Ausschüssen wie dem Schulausschuss oder dem Ausschuss für Personal und Organisation schwer abgrenzbar seien. Die Beispiele Düsseldorf, Köln und Münster hätten hier aus CDU-Sicht keine überzeugenden Lösungen geliefert.

FDP/Bürgerliste sieht rechtliche Probleme

Auch Michael Kauch (FDP/Bürgerliste) stellte den Antrag grundsätzlich infrage. Er bezweifelte, dass ein Ausschuss das richtige Instrument sei, um Gleichstellung voranzubringen, und warnte vor einem „Abschiebungsgremium“.

Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Darüber hinaus warf er dem Antrag Mängel in der Ausarbeitung vor. Die Konstruktion des Gremiums sei rechtlich inkonsistent – während auf §57 der Gemeindeordnung Bezug genommen werde, sei gleichzeitig von zivilgesellschaftlicher Beteiligung die Rede, was eher auf einen Beirat als auf einen Ausschuss hindeute. Zudem bemängelte Kauch, dass die Zielrichtung des Ausschusses unklar sei: „Geht’s um Frauengleichstellung? Geht es um Diversity Management im breiten Sinne?“

Die im Antrag formulierte Einbindung spezifischer Akteur*innen wie SLADO e. V. deute aus seiner Sicht auf eine ausschließliche Fokussierung auf Geschlechtergerechtigkeit hin. Andere Dimensionen – etwa Migration oder sexuelle Orientierung – kämen seiner Meinung nach zu kurz.

Antrag soll Gleichstellung systematisch verankern

Für die Fraktionen von Grünen, SPD, Linke+ und Die PARTEI überwiegen jedoch die Chancen. In der Begründung des Antrags heißt es, Gleichstellung sei „ein grundlegendes demokratisches Prinzip und eine zentrale Voraussetzung für eine zukunftsfähige Stadtgesellschaft“.

Leander Schreyer (Grüne) Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Der Gleichstellungsausschuss solle dazu beitragen, „geschlechtsspezifische Benachteiligungen abzubauen“ und die Lebenssituation aller Geschlechter in Dortmund systematisch zu verbessern. Städte wie Köln, Tübingen oder Mannheim seien hier bereits weiter und wurden für ihre Arbeit mit dem Gender Award ausgezeichnet.

Auch Dortmund solle diesen Weg gehen. Der Ausschuss könne als Impulsgeber für eine geschlechtergerechte Stadtentwicklung, Haushaltsplanung und Personalpolitik fungieren – in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

Debatte endet mit klarer Entscheidung

Leander Schreyer (Grüne) wies zudem darauf hin, dass die bloße Abwesenheit gesetzlicher Pflicht kein Argument gegen die Ausschussbildung sei. Auch der Planungsausschuss sei in der Gemeindeordnung nicht zwingend vorgesehen – und dennoch existiere er in jeder Kommune.

Christian Gebel (Volt) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Christian Gebel (Volt und Vielfalt) hielt sich nicht lange mit formaler Kritik auf: „Wir stimmen dem Antrag sehr gerne zu.“

Nach kontroverser Debatte beantragte Utz Kowalewski (Linke+) schließlich das Ende der Diskussion – die Mehrheit folgte. Der Antrag zur Erstellung eines Gleichstellungskonzepts wurde in der anschließenden Abstimmung angenommen. AfD, CDU und FDP/Bürgerliste stimmten geschlossen dagegen. Ob dann aber wirklich auf dem zu erarbeitenden Konzept ein Gleichstellungsausschuss eingerichtet wird, darüber entscheidet der neue Rat.

Die Gleichstellungsbeauftragte begrüßt das Votum des Rates

Maresa Feldmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dortmund, zeigte sich erfreut über die Entscheidung. Sie erinnerte daran, dass es bereits vor 40 Jahren – bei der Einrichtung der Gleichstellungsstelle – einen Gleichstellungsausschuss gegeben habe.

Die Dortmunder Gleichstellungsbeauftragte Marea Feldmann Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Damals hatte es den Ausschuss nur zwei Jahre gegeben. Andere Städte hatten das Dortmunder Modell adaptiert und beibehalten. Warum er in Dortmund nicht mehr fortgeführt wurde, wurde leider nicht richtig dokumentiert“, so Feldmann. Sie betonte, dass sich die Institution als sehr sinnvoll erwiesen habe: „Die Kollegin aus Düsseldorf hat gesagt, dass dadurch mehr Themen mitgedacht werden.“

Feldmann schilderte im Nordstadtblogger-Gespräch, wie sich die Idee des neuen Antrags entwickelt habe: Mehrmals im Jahr treffen sich die Ratsfrauen parteiübergreifend, um gleichstellungspolitische Fragen zu besprechen. „Das klappt sehr gut, über Fraktionsgrenzen hinweg steht hier gar nicht das Parteipolitische im Vordergrund.“

„Alle, die von Gleichstellungspolitik betroffen sind, sollen einbezogen werden“

In einem Workshop kurz vor Weihnachten sei die Frage aufgekommen, ob man den Ausschuss nicht wieder ins Leben rufen sollte. Gemeinsam seien Ratsfrauen nach Düsseldorf gereist, um sich dort den Gleichstellungsausschuss anzuschauen und mit den Gleichstellungsbeauftragten auszutauschen. Im Anschluss habe man Gespräche mit den Ratsfraktionen und der AG der Dortmunder Frauenverbände geführt. „Letztendlich waren einige dafür, und es wurde ein Antrag vorbereitet als Empfehlung für den nächsten Rat“, erläutert Feldmann.

Die Kampagne „She for Democracy“ machte ebenfalls auf das Thema aufmerksam. Maria Salem | Nordstadtblogger

Wichtig sei ihr, dass der neue Ausschuss offen gestaltet werde. Die AG der Dortmunder Frauenverbände solle darin einen festen Platz haben, daneben auch andere Akteurinnen – etwa aus dem LGBTIQ-Bereich, aus Trägerorganisationen im Bereich Gewalt gegen Frauen oder Vertreterinnen der Frauenberatungsstellen.

„Es soll nicht nur um Gleichstellung von Frau und Mann gehen, sondern alle, die von Gleichstellungspolitik betroffen sind, sollen einbezogen werden.“ Ziel sei es, wie bei anderen Ausschüssen im Sinne des Gender Mainstreamings – also eine Strategie, die darauf abzielt, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern – auch externe Fachexpertise einzubinden.

Noch ist offen, welchem Dezernat der Ausschuss zukünftig angegliedert sein wird. Feldmann fände eine Anbindung an die Gleichstellungsstelle naheliegend, betont jedoch, dass dies letztlich eine politische Entscheidung sei. Oberbürgermeister Thomas Westphal hatte sich im Rahmen der Wahlprüfsteine bereits für den Ausschuss ausgesprochen und signalisiert, dass er im Dezernat des OB verortet werden könnte.


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Reaktionen

  1. Udo Stailer

    Wenn man eine priorisierte Liste der größten und dringendsten Herausforderungen der Stadt Dortmund erstellt, an welcher Stelle würde dann die Gleichstellung stehen?
    Wohl kaum in den Top 3 – auch nicht in den Top 10.

    Aber einige Parteien im Rat wollen „Gleichstellung als zentrale kommunalpolitische Aufgabe dauerhaft institutionell verankern“.

    Wenn man die realen Probleme der Stadt nicht lösen kann oder will, sucht man sich eben Themen, über die sich trefflich debattieren lässt – die die Stadt Dortmund aber insgesamt nicht spürbar voranbringen.

    Ich wünsche mir eine pragmatische, problem- bzw. lösungszentrierte Politik. Neue Ausschüsse einzurichten, lenkt von den eigentlichen, drängenden Aufgaben ab.

  2. Rat der Stadt Dortmund empfiehlt Einrichtung eines Gleichstellungsausschusses GRÜNE: „Ein starkes Signal für eine geschlechtergerechte Stadtgesellschaft“ (PM)

    Der Rat der Stadt Dortmund hat auf Initiative von GRÜNEN, SPD, Linke+ und Die PARTEI die Einrichtung eines Gleichstellungsausschusses zur nächsten Ratsperiode beschlossen. Damit greift der Rat eine zentrale Forderung der AG Dortmunder Frauenverbände auf und schafft die Grundlage, Gleichstellung künftig als verbindliche Querschnittsaufgabe in der kommunalen Politik zu verankern.

    „Gleichstellung ist kein Nebenschauplatz. Sie gehört strukturell, sichtbar und dauerhaft in die politischen Entscheidungsprozesse unserer Stadt – und genau dafür schaffen wir jetzt die Voraussetzungen“, betont Katrin Lögering, Sprecherin der GRÜNEN Fraktion im Rat die Bedeutung des jetzt gefassten Beschlusses.

    Konzept mit klaren Anforderungen

    Die Fraktionen haben die Verwaltung zunächst beauftragt, bis Ende der laufenden Ratsperiode ein Konzept für den neuen Ausschuss zu erarbeiten – in Zusammenarbeit mit dem Gleichstellungsbüro und unter aktiver Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen wie SLADO e.V. und der AG Frauenverbände. Das Konzept soll unter anderem klären, wo der Ausschuss strukturell angesiedelt werden soll, welche Themen er federführend berät, wie die Koordination mit anderen Ausschüssen laufen soll und welche Mittel und Strukturen benötigt werden. Ziel ist es, eine fundierte Grundlage zu schaffen, damit der neue Rat direkt zu Beginn der nächsten Wahlperiode die Einrichtung des Gleichstellungsausschusses beschließen kann.

    “Der neue Gleichstellungsausschuss soll auf Augenhöhe mit anderen ständigen Ausschüssen arbeiten und so auch langfristig politische Wirkung entfalten”, betont Katrin Lögering.

    Inspiration aus anderen Städten

    Dortmund soll sich bei der Konzeption an erfolgreichen Beispielen wie Köln und Düsseldorf orientieren. Städte wie Tübingen, Mannheim oder Flensburg wurden bereits für ihre institutionalisierte Gleichstellungspolitik mit dem „Gender Award – Kommune mit Zukunft“ ausgezeichnet. Auch Dortmund soll sich hier einreihen.

    „Zwar können wir mit unserer Empfehlung dem neuen Rat nicht vorgreifen,”, erklärt Katrin Lögering. Aber mit einem “JA” zur Einrichtung eines Gleichstellungsausschuss könne Dortmund ein starkes Zeichen setzen: Für Chancengleichheit und eine Stadt, in der alle Geschlechter gesehen und gehört werden. „Der jetzt erfolgte Beschluss ist ein erster Schritt, der die nötige Voraussetzung für die Einrichtung eines Gleichstellungsausschusses schafft. Ein Gleichstellungsausschuss wäre ein echter Erfolg für Demokratie, Vielfalt und soziale Gerechtigkeit“.

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