
Der Drogenkonsumraum am Grafenhof ist überlastet – daran hat auch die neue Freifläche für Wartende nur bedingt etwas geändert. Deshalb hat der Rat der Stadt Dortmund jetzt den Weg frei gemacht: Mit einem zusätzlichen, temporären Entlastungsstandort an der Rheinischen Straße 111 sollen die Engpässe gelindert werden, bis ein zweiter vollwertiger Drogenkonsumraum eingerichtet ist. Die Debatte zeigte einmal mehr, wie schwierig die Suche nach tragfähigen Kompromissen in diesem sensiblen Thema ist.
SPD: „Die Suche ist wie die Quadratur des Kreises“
Daniela Worth (SPD) ließ keinen Zweifel daran, warum ihre Fraktion die Verwaltungsvorlage und den gemeinsamen Ergänzungsantrag mitträgt: „Die Suche nach einem zweiten Standort ist enorm herausfordernd – es ist fast wie die Quadratur des Kreises: Man braucht eine Immobilie, die verfügbar ist. Viele Eigentümer wollen sie nicht dafür hergeben. Die baulichen Voraussetzungen müssen stimmen. Der Standort muss nah an der Innenstadt sein, damit er auch genutzt wird – darf aber nicht direkt in sensiblen Nachbarschaften liegen. Das alles macht die Suche so aufwendig.“

Sie machte deutlich, warum die SPD die Zwischenlösung für wichtig hält: „Darum begrüßen wir ausdrücklich die temporäre Entlastungseinrichtung. Damit können wir sofort für Entspannung am Grafenhof sorgen, während wir weiter nach einem langfristigen Standort suchen. Aber: Auch für diese Übergangslösung müssen die Belange der Nachbarschaft ernst genommen werden, genau wie wir es bei einem dauerhaften Standort festgelegt haben.“
Kritisch sah Worth den CDU-Zusatzantrag: „Mit Ausnahme eines kleinen Punktes ist das einfach der Originalantrag in gekürzter Version. Mit dem Punkt 1b wollen Sie Wahlkampf-tauglich vorzeitig einen Standort ausschließen. Das ist mit uns nicht zu machen.“
Grüne: „Die Lösung ist nur ein Zwischenschritt“
Dr. Christoph Neumann (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass die Verwaltungsvorlage zwar hilfreich sei, das Ziel aber ein anderer bleibe: „Wir begrüßen es, dass ein Entlastungsort gefunden ist. Aber klar ist auch: Das ist nur eine Übergangslösung.“

„Der Grafenhof bleibt bestehen, er wird nicht ersetzt. Und die Suche nach einem zweiten Konsumraum geht natürlich weiter. Genau das steht auch so in der Vorlage“, so der Grünen-Politiker.
Neumann machte klar, worauf es seiner Fraktion ankommt: „Auch für eine temporäre Einrichtung muss es eine ordentliche Beteiligung vor Ort geben. Wir müssen klären, ob der Standort funktioniert, wer ihn nutzt, wann er genutzt wird, welche Auswirkungen das hat. Die gleichen Fragen stellt sich auch die Nachbarschaft, nur mit einer anderen Perspektive. Deshalb brauchen wir ein Umfeldmanagement, gute Kommunikation – nur dann kann das Projekt erfolgreich sein.“
CDU: „Der Grafenhof darf nicht bleiben, wir brauchen eine Verlagerung“
Thomas Bahr (CDU) machte die Haltung seiner Fraktion deutlich: „Der Drogenkonsumraum ist ein wichtiger Teil der Dortmunder Drogenhilfe. Ohne ihn müssten viele drogenkranke Mitbürger mehr leiden und würden früher sterben. Ohne solche Einrichtungen fehlt die soziale Begleitung.“

„Aber der aktuelle Standort ist mehr als problematisch. Er kann dort auf Dauer nicht bleiben. Wir brauchen eine Besserung der Situation – der Entlastungsstandort an der Rheinischen Straße ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, so der CDU-Sozialpolitiker.
Bahr betonte, dass der neue Ort auch Vorteile habe: „Die neuen Räume sind kleiner, sie wirken weniger klinisch als am Grafenhof. Es ist mehr soziale Arbeit möglich, der Andrang verteilt sich besser. Aber klar ist: Es muss jetzt nachgebessert werden, im Haus selbst und im Umfeld. Deshalb haben wir ein Umfeldmanagement gefordert. Wir wollen, dass die Szene gezielt dorthin gelenkt wird – nur so kann der Grafenhof wirklich entlastet werden.“
Volt und Vielfalt: „Die Anwohner müssen einbezogen werden“

Christian Gebel (Volt/Vielfalt) sagte, die gemeinsame Initiative mit SPD, Grünen, Linke+ und Die PARTEI sei nötig gewesen, um den Kompromiss zu tragen: „Wir tragen den Antrag sehr gern mit, weil er an den entscheidenden Punkten ansetzt. Der Standort ist sinnvoll, solange klar ist: Er ersetzt nichts, sondern entlastet.“
„Der vorherige Beschluss zur Suche nach zwei neuen Konsumräumen bleibt bestehen. Uns ist wichtig: Die Menschen vor Ort müssen eingebunden werden, damit das Umfeld den Plan mitträgt“, so Gebel.
AfD: „Ein Drogenkonsumraum in einer Wohngegend ist absurd“

Tino Perlick (AfD) nutzte die Gelegenheit zu einem Grundsatzangriff: „Soll man einen Drogenkonsumraum mitten in eine Wohngegend setzen, ins Erdgeschoss eines Wohnblocks, unter Wohnungen von Rentnern und Studierenden? Direkt neben Spielplätze und Kitas? Und dann auch noch zwölf Stunden am Tag offen halten? Das ist absurd.“
„Der andere Kick-Laden schließt früher als der Drogenkonsumraum. In der Innenstadt hat das zu unerträglichen Zuständen geführt: Menschen lungern herum, koten auf die Straße. Das ist eine falsche Politik“, so der AfD-Politiker.
Linke+: „Wer gegen einen Konsumraum wettert, hat nichts verstanden“

Fatma Karacakurtoglu (Die Linke+) hielt dagegen: „Unfähigkeit ist das richtige Wort, wenn Leute nicht erkennen, dass sie das Problem nicht lösen, sondern verschärfen. Wenn man sagt, man will keinen Konsumraum, dann konsumieren die Leute auf der Straße, auf Spielplätzen – genau das wollen wir verhindern.“
„Wir brauchen Räume, die hygienisch sind, in denen wir helfen können. Das ist unsere soziale Verantwortung: Wir schaffen einen sicheren Ort, wo Menschen nicht auf offener Straße spritzen müssen, sondern sauberes Besteck bekommen und mit Sozialarbeitern sprechen können. Alles andere ist Augenwischerei“, so Karacakurtoglu.
Abstimmung: Breite Mehrheit für Verwaltung und Rot-Grün – Start Ende 2025

Die Immobilie – eine frühere Eckkneipe – wird umgebaut, die Freifläche gegenüber hergerichtet. Insgesamt werden 220.000 Euro in diesem Jahr und ab 2026 jährlich über 1,7 Millionen Euro Betriebskosten fällig. Finanziert wird ein Teil über Zinsersparnisse. Frühestens im Oktober 2025 soll der Entlastungsraum öffnen.
Die Aidshilfe Dortmund übernimmt den Betrieb. Das Ziel: Crack-Konsumenten und andere suchtkranke Menschen sollen den geschützten Raum nutzen, statt im öffentlichen Raum zu konsumieren.
Am Ende stimmten SPD, Grüne, Linke+, Die PARTEI und Volt/Vielfalt der Verwaltungsvorlage samt gemeinsamem Ergänzungsantrag zu. CDU und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich. Der CDU-Antrag scheiterte. Damit ist klar: Der Grafenhof bleibt vorerst – und die Stadt schafft mit der Rheinischen Straße dringend benötigte Entlastung.
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