Vom eigenen Ehemann erstochen: Prozessauftakt im Fall von Sara D. beginnt nach sieben Monaten

Femizid im Unionviertel wird nun vor dem Landgericht verhandelt

Vorsitzende Richterin Dr. Wessel (mi.) mit Richter Dr. Hinderberger (links von Dr. Wessel), Richterin Jung (rechts von Dr. Wessel) sowie Schöffinnen. Javad Mohammadpour für Nordstadtblogger.de

Im November vergangenen Jahres erschütterte ein Verbrechen nicht nur die Anwohner:innen der Rheinischen Straße in Dortmund. Der 33-jährige Azem D. soll seine Ehefrau Sara mit vier Messerstichen getötet haben. Die Staatsanwaltschaft erhob im Februar diesen Jahres Anklage. Azem D. wird des Mordes aus Heimtücke sowie des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz aus niederen Beweggründen beschuldigt. Seit Montagvormittag (5. Mai 2025) muss sich der Angeklagte nun vor dem Landgericht Dortmund verantworten.

Angehörige in tiefer Trauer, während der Angeklagte im Prozess schweigt

Es sind Verwandte und Angehörige der ermordeten Sara D., die sich vor Saal 130 im Dortmunder Landgericht zur Begrüßung in die Arme schließen. Bedrückt fragen sie einander, wie es ihnen geht. Noch immer sitzen die Fassungslosigkeit und die Trauer über den Verlust tief. „Mir fehlen die Worte, um etwas sagen zu können“, entgegnet ein Angehöriger auf Nachfrage, sichtlich betroffen.

Azem D. muss sich nun vor dem Landgericht Dortmund verantworten. Javad Mohammadpour für Nordstadtblogger.de

Rund sieben Monate ist es her, dass die 30-jährige Sara D. in ihrer Wohnung erstochen wurde. Nun muss sich ihr damals getrennt lebender, 33-jähriger Ehemann Azem D. vor Gericht verantworten. Mit tief ins Gesicht gezogener schwarzer Kapuze und gesenktem Blick sitzt er im Gerichtssaal, den Kopf immer wieder in den Händen vergraben. Die Staatsanwaltschaft wirft Azem D. Mord aus Heimtücke vor.

Außerdem legt sie ihm einen Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz aus niedrigen Beweggründen zur Last, wie Staatsahwältin Maribel Andersson erklärte. So geht die Anklage davon aus, dass der Angeklagte Sara D. mit der Tat für die Trennung bestrafen wollte. Rechtsanwalt Christian Simonis, der die Familie von Sara D. vertritt, kündigte zu Beginn des Prozesses an, für die Höchststrafe einzutreten. Azem D. schweigt bislang.

Angeklagter zeigte sich bereits in der Vergangenheit mehrmals gewalttätig

Sara D. lebte in Dortmund, ging hier zur Schule und absolvierte das Abitur. Mit Anfang Zwanzig lernte sie dann den, wie ihre Eltern, aus Nordmazedonien stammenden Azem D. kennen und verliebte sich in ihn. 2016 heirateten schließlich die beiden, doch es dauerte nicht lange an, bis er anfängt, häufig ihr gegenüber gewalttätig zu werden, wie es Angehörige von Sara schildern.

Femizide nehmen Bundesweit stetig zu. Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Sie rieten ihr mehrfach, sich zu trennen, doch wollte sie nicht, dass ihre Kinder ohne ihren Vater aufwachsen. Zugleich hatte sie Angst vor den Konsequenzen ihres Ehemanns.

Ende September 2024 zog sie schließlich doch einen Schlussstrich und sorgte dafür, dass für ihren Ehemann ein Annäherungsverbot von unter 50 Metern verhängt wurde. Ende Oktober zog sie schließlich mit ihren Kindern in eine eigene Wohnung an der Rheinischen Straße im Unionviertel.

Täter stach mehrfach vor Augen der Kinder zu

Am Abend des 4. November 2024 soll Azem D. die Wohnung seiner getrennt lebenden Ehefrau und der gemeinsamen Kinder aufgesucht und dort geklingelt haben. Wie er an die Adresse gelangte, ist nicht bekannt. Sara D. und ihre Familie hatten diese laut Staatsanwältin Andersson bewusst vor ihm geheim gehalten. Sara öffnete die Tür in dem Glauben, ihr Vater stehe davor.

Im November fand eine Gedenkveranstaltung statt, an der rund 200 Menschen teilnahmen. Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Doch stattdessen soll der Angeklagte in Anwesenheit der drei Kinder, die zu diesem Zeitpunkt drei, vier und sechs Jahre alt waren, wortlos auf sie eingestochen haben. Das Messer, das eine rund 20 Zentimeter lange Klinge hatte, ließ er nach vier Stichen – drei in die Brust, einer in den Rücken – im Körper von Sara zurück, bevor er mit dem Auto vom Tatort flüchtete.

Die Kinder suchten anschließend Hilfe bei Nachbarn, die sofort die Rettungskräfte alarmierten. Gegen 19 Uhr, etwa eine Stunde nach dem Angriff, erlag Sara D. im Klinikum Dortmund-Nord ihren schweren Verletzungen. Azem D. wurde später in der Nähe von Würzburg gefasst und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf.

Kampagne vor dem Landgericht widmet sich den Angehörigen und macht auf Femizide aufmerksam

Vor dem Landgericht wurde in der Zwischenzeit ein Pavillon aufgebaut, der die Besucher:innen des Prozessauftaktes beim Verlassen des Gebäudes unter anderem mit Kuchen empfing. Hintergrund dieser Aktion ist eine Kampagne, die von der feministischen Initiative Ruhr zum Start des Prozesses ins Leben gerufen wurde. Zuvor waren sie als eine der zahlreichen Initiativen an der Gedenkveranstaltung am 8. November 2024 beteiligt, die wenige Tage nach Saras Tod stattfand und an der rund 200 Personen teilnahmen.

Die Kampagne wurde im Zuge des Prozesses gegründet. Javad Mohammadpour für Nordstadtblogger.de

„Wir planen, an allen Prozesstagen draußen präsent zu sein, für die Leute ansprechbar zu sein und dies auch nach außen hin sichtbar zu machen. Zudem soll der Pavillon auch ein Ort sein, an dem sich Angehörige aufhalten können wenn sie nicht im Gerichtssaal anwesend sein möchten“, berichtet Tabea von der Initiative. Perspektivisch sei es das Ziel, ein größeres Netzwerk zu schaffen, um schneller auf weitere Femizide im Ruhrgebiet reagieren zu können, fügt sie hinzu.

Als Femizid wird die gezielte Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts, meist im Kontext von Partnerschaftsgewalt oder Frauenfeindlichkeit, bezeichnet. Da es im deutschen Strafrecht jedoch bislang keinen eigenen Strafbestand unter dem Begriff „Femizid“ gibt, werden solche Taten als Mord oder Totschlag verfolgt.

Weitere Informationen: 

  • Für den Prozess sind rund zehn Verhandlungstage angesetzt, wobei ein Urteil nicht vor Juli zu erwarten ist. Der nächste ist am Freitag, den 9. Mai 2025 um 9.00 Uhr angesetzt
  • Femizide nehmen jährlich bundesweit zu. Alleine im Jahr 2023 wurden insgesamt 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Femiziden. 360 Taten endeten davon tödlich, was fast täglich einen vollendeten Femizid in Deutschland bedeutet. (Bundeskriminalamt) 

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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