Was die unabhängige OB-Kandidatur von Martin Cremer über die Kommunalwahl in Dortmund sagt

ANALYSE: Die Opländer-Anzeige in den RN hat weite Kreise gezogen

Der Kanidat vor seinem Plakat
„Da für Do“ ist das Motto vom parteilosen OB-Kandidaten. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Vor gut vier Wochen schaltete Unternehmer und Kulturmäzen Jochen Opländer in den Ruhr Nachrichten (RN) eine Anzeige. Darin gibt er „Partei-Kumpaneien“ die Schuld am Niedergang der Stadt und wirbt für einen parteilosen Oberbürgermeister: „Nehmen Sie am 14. September (oder jetzt schon per Briefwahl) Ihr Wahlrecht wahr – und wählen Sie bitte kein „Weiter so!“. Wen er damit wohl gemeint haben könnte?

Der Wahlaufruf erinnert die CDU an Elon Musk

Daraufhin meldete sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Jendrik Suck zu Wort, der in Opländers Aufruf wohl die Gefahr erkannte, dass bürgerliche Wähler:innen der CDU abhandengehen könnten, und warf Opländer vor, dass der Ton seiner Anzeige an an US-Wahlkämpfe und die Einmischung von Elon Musk in den letzten Präsidentschaftswahlkampf erinnere.

Dr. Jochen Opländer ist Diplom-Ingenieur und Unternehmer.
Dr. Jochen Opländer kritisierte jüngst die Ratsfraktionen scharf, die ihn selbst zum Ehrenbürger Dortmunds machten.

Das ließ Wilo-CEO Oliver Hermes, der sich daraufhin zu Wort meldete, nicht so stehen. Er warf Suck Respektlosigkeit vor und wies Sucks Andeutung zurück, der Konzern stehe „in der Schuld“ des Stadtrates, weil dieser Projekte wie den Wilo-Campus unterstützt habe.

Die Debatte kochte soweit hoch, dass sogar die überregionale Süddeutsche Zeitung das Thema aufgriff und der Journalist Björn Finke den Streit darauf herunter, dass Opländer selbst in seinem Aufruf vor einer starken AfD gewarnt habe, es paradoxerweise trotzdem sein könnte, dass sein Wahlaufruf gerade dieser nutzen könnte.

Kein „Team Cremer“ im Dortmunder Stadtrat

Ja: Cremers Einstieg ins Rennen um den OB-Posten könnte, sollte bei Cremer-Kandidatur weiterhin auf den von Opländer beschworenen Mythos des „Mannes außerhalb des Systems“ gebaut werden, der dann das System von alleine radikal und zur vollsten Zufriedenheit seiner unzufriedenen Wähler:innen verändert.

Der unabhängige OB-Kandidat Martin Cremer. Foto: Lukas Pazzini für Nordstadtblogger.de

Denn ein:e Oberbürgermeister:in regiert nicht per Dekret. Er:sie führt die Verwaltung, setzt Impulse, repräsentiert und braucht für Projekte Mehrheiten im Rat. „Gesetzgebung“ – oder auf lokaler Ebene eben Entscheidungen – findet letztendlich dort statt, nicht im OB-Büro. Außerdem bestehen Sachzwänge, vor allem wenn es um die klammen Kassen der Kommunen geht.

Das Bild vom vom Volkstribun, der mit frischen Ideen gegen das angeblich verstaubte Parteiensystem ankämpft, mag mobilisieren. In der kommunalen Praxis endet es oft bei der Frage: Wer stimmt am Ende wofür – und warum? Es gibt eben keine Handstreichentscheidungen und Dekrete im Stile eines US-Präsidenten. Das musste auch Bundeskanzler Friedrich Merz schnell feststellen.

Außerdem: Cremer bringt keine eigene Fraktion mit. Es gibt (noch) kein „Team Cremer“, das Anträge einbringt, Ausschüsse besetzt und Mehrheiten organisiert. Das ist kein Makel, aber ein handfestes Handicap im politischen Alltag.

Was passiert, wenn Cremer es alleine nicht schafft?

Ohne festes Lager droht, dass sich eine Situation im Dortmunder Stadtrat unter einem möglichen OB Cremer wiederholt: Der OB schlägt vor, Fraktionen blocken. Das kann das Ansehen der Institutionen – die des OB und des Rates – beschädigen.

Foto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

Politisch riskant wird es, wenn Erwartungen maximal, Spielräume hingegen aber minimal sind. Verspricht man eine „Lösung von außen“ und scheitert an Mehrheiten, dann profitieren jene, die genau das behaupten: „Die da können’s nicht.“

Außerdem weist Cremer viele inhaltlichen Ähnlichkeiten zu den anderen Parteien auf: Sei es im Bereich Sicherheit und Ordnung, in dem Cremer der CDU sehr nahe steht, oder beispielsweise der Kultur, bei dem es viele Überschneidungen mit den Grünen gibt. Und scharfe Brandmauern gibt es ebenfalls nicht.

Wenn „alle unfähig“ sind profitiert nur einer

Die Parteien schlagen Lösungen vor. Zu behaupten, sie hätten den Problemlagen nichts entgegenzusetzen, ist taktisch unklug, möchte und muss ein parteiloser OB später mit diesen Zusammenarbeiten.

Das Mantra – „alle unfähig“ -, von dem rechtsradikale Parteien ihre Wahlerfolge auf- und im worst case ausbauen können, lockt viele politisch enttäuschte Wähler:innen. Ein OB, der als machtlos wahrgenommen wird, würde unfreiwillig Kulisse bieten.

Parteilos zu kandidieren, ist ein Schritt, der in unserer Demokratie frischen Wind bringen kann. Es ist ihm auch durchaus zuzutrauen, Mehrheiten im Dortmunder Stadtrat, wie sie sich im nächsten dann auch immer zusammensetzen, zu organisieren.

Am Ende die Erwartungen realistisch halten

Doch den Wähler:innen muss ehrlich erklärt werden, wie schwer es zuweilen sein kann, Mehrheiten im Rat zu suchen, Kompromisse auszuhandeln und mit taktischem Kalkül Schritt für Schritt dem Ziel näherzukommen.

Cremer will mit seiner Unabhängigkeit und Parteilosigkeit punkten – und weckt Erwartungen. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Wer ohne Fraktion antritt, ist deshalb umso mehr auf das Wohlwollen der Fraktionen angewiesen und sollte sich in Demut vor dem Mandat der Ratsleute, die das schließlich ehrenamtlich machen, üben. Daran führt kein Weg vorbei.

Das ist der Unterschied in Dortmund: Thomas Westphal (SPD), Alexander Kalouti (CDU), Katrin Lögering (Bündnis 90/ Die Grünen) und Fatma Karacakurtoglu (Die Linke)  – ebenso wie die anderen Kandidierenden – würden mit politischen Fraktionen beginnen, die sie schon mit ihrem Parteibuch mitbringen. Cremer hingegen fehlt diese Hausmacht völlig.

Das OB-Rennen ist offen und spannend, der Wahlsonntag wird Antworten liefern, aller Wahrscheinlichkeit eine Stichwahl nach sich ziehen. Der:Die zukünftige OB wird es schwierig haben, egal, ob er oder sie parteilos oder mit Partei in das Rathaus einzieht. Umso wichtiger, die Erwartungen an das Amt und dessen Kompetenzen realistisch zu halten und zu sehen, dass von vielen Dortmunder:innen empfundener Wechselwille und demokratischer Mehrheitslogik im Rat zusammenpassen.

 

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