Starke Frauengeschichte wird in Dortmund seit über 111 Jahren geschrieben und gelebt

Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Frauenverbände lädt ins Rathaus ein

Gesamtheit der Besucher:innen am Abend bei der Veranstaltung der AG Dortmunder Frauenverbände.
Über 200 Besucher:innen fanden sich auf Einladung der Dortmunder Frauenverbände im Rathaus ein. Foto: Wulf Erdmann

Seit 111 Jahren gibt es nun die Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Frauenverbände. Unter dem Motto „starke Frauen – starke Stadt“ wurde dies wieder am 29. August im Rathaus gefeiert. 40 Verbände zählt die AG bis Ende des Jahres, da die Grünen sich den Frauenverbänden anschließen. Politische Prominenz war an diesem Abend reichlich vertreten, denn diese Veranstaltung zielte inhaltlich auch auf die kommende Kommunalwahl ab.

Einhundertundelf Jahre Frauenbestrebungen in Dortmund

Barbara Wenzel am Mikrofon. Hinter ihr zwei Aufsteller zu der AG Dortmunder Frauenverbände.
Barbara Wenzel ist Vorsitzende der AG Dortmunder Frauenverbände. Foto: Wulf Erdmann

Maresa Feldmann, Leiterin des Gleichstellungsbüros und Mitveranstalterin dieser Feier, führte durch die Geschichte der Frauenverbände seit der Gründung 1914 in Dortmund.

Gemeinsam mit Barbara Wenzel, der Vorsitzenden der AG Dortmunder Frauenverbände, hat sie eine über hundert Seiten lange schriftliche Dokumentation herausgebracht. Die Inhalte zeigen Meilensteine der Frauenbewegung rund um die AG Dortmunder Frauenverbände.

1914 – Gründung und Kampf ums Wahlrecht
Zur Gründung 1914 hatten Frauen nicht einmal das Wahlrecht und Frauen durften sich, laut einem preußischen Gesetz, bis 1908 auch nicht politisch engagieren.
Voraus ging der AG der Verband „Frauenbildung – Frauenerwerb“, der 1900 mit 420 Mitgliedern ins Leben gerufen wurde. Dann, am 19. Mai 1914 gründete sich der Stadtverband durch den Zusammenschluss von 25 Vereinen für Frauenbestrebungen in Dortmund.

1914 bis 1918 – Frauen im ersten Weltkrieg

Hansa-Brauerei um 1914: Noch fehlt das Hochhaus! (Tille: 50 Jahre Dortmunder Hansa-Brauerei)
Die Hansa-Brauerei um 1914. Archivfoto: Sammlung Klaus Winter

Zum Ersten Weltkrieg gab es den Frauendienst, der auch Front- und Lazarettdienst bedeutete. Zu der Zeit fand sich der „Hausfrauenverein Dortmund“ mit etwa 250 Mitgliedern zusammen, die als Vermittlerinnen für Tipps rund um die Familie agierten.
Bald darauf, am 12. November 1918 wurde das Wahlrecht für Frauen eingeführt und einen Schritt in Richtung Geschlechterdemokratie geschaffen. Doch: „Ein Recht haben heißt noch lange nicht Macht bekommen“ betont Feldmann.

1939 bis 1945 – Das neue Frauenbild im dritten Reich
Im Dritten Reich hatten Frauen und Frauenarbeit keinen Platz. Sie wurden mitsamt ihrer Rechte hintenangestellt und unsichtbar gemacht. Ein „neues“ Frauenbild wurde geschaffen. Die Hausfrau gewann an Bedeutung, während Frauenbestrebungen abnahmen.

1946 – Wiederaufbau und Anerkennung

Dortmund zu Kriegsende - die Innenstadt war größtenteils zerstört. Foto: Stadtarchiv Dortmund
Dortmunds Innenstadt war größtenteils zerstört. Foto: Stadtarchiv Dortmund

Das Ende des Zweiten Weltkriegs hinterließ seine Spuren in Dortmund. Verlorene Kinder zierten die Gedanken und versehrte Männer die Straßen: Mittendrin die Frauen, die plötzlich eine zentrale Rolle in der Gesellschaft spielten.

In Dortmund gründete sich ein überparteilicher Frauenausschuss, um sich mit existenziellen Fragen dem Überleben zu widmen. Ein Aufruf zum Aufbau der Stadt und der Gestaltung einer frohen und freien Zukunft für die Kinder kam auf.

Frauen aller Stände, Berufe, politischer Parteien und Verbände verpflichteten sich der Überparteilichkeit unter dem Namen des Stadtverbandes für Frauenbestrebungen.

1960er – Aufschwung in der Kommunalpolitik
In den 60ern konnten Frauenbestrebungen wieder einen Aufstieg verzeichnen. Dr. Dr. Marie-Elisabeth Lüders, die Vize- und Alterspräsidentin des Deutschen Bundestages, sagte: „Politik lässt sich nicht vom Wickeltisch aus machen.“ Sie ruft die Frauen auf, sich wieder politisch einzubringen. Angefangen in der Kommunalpolitik.

1985 – Erste Schritte der modernen Frau

Maresa Feldmann am Mikrofon. Hinter ihr zwei Aufsteller zum Thema Frauenverbände.
Maresa Feldmann ist Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dortmund. Foto: Wulf Erdmann

Im Jahr 1985 bekommt Dortmund eine Gleichstellungsmission und Frauenbüros. Damit wurden Räume für frauenpolitische anliegen und Förderung von Gleichstellung geschaffen. Die Arbeitsgemeinschaft war Impulsgeberin für viele weitere Zusammenschlüsse in dieser Zeit.

Es kommen Projekte wie das „Mütterzentrum“ und „Frauen helfen Frauen“ dazu. Durch das ansteigende Generationenproblem, dass wenig junge Frauen nachkommen, minimierte sich die Zahl der Verbände in den folgenden Jahren jedoch von 37 auf 29.

2000er – Ein weiter Weg liegt vor und auch hinter uns
Seit 2010 hat die AG eine Online-Seite, um den Dachverband zu einem offenen Netzwerk umzugestalten. Zu Silvester 2015 gingen über 50 Organisationen geschlossen gegen sexuelle Gewalt auf die Straße. Auch heute brauchen wir noch weitere Schritte und Parität. Der Weg ist noch lang, aber „heute ziehen wir laut und sichtbar durch die Stadt“ sagt Feldmann zum Abschluss.

Die heutige Lage der Frauen in der Dortmunder Kommunalpolitik

Der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Thomas Westphal, ist einer der wenigen Männer an diesem Abend im Rathaus. Aus seiner Sicht sei die Zusammensetzung der Stadtgemeinschaft entscheidend und die Historie von den Frauenverbänden „ist natürlich auch die Geschichte eines Kampfes“.

Thomas Westphal am Mikrofon. Hinter ihm zwei Aufsteller zu den Dortmunder Frauenverbänden.
Thomas Westphal war am Abend einer der wenigen Männer im Rathaus. Foto: Wulf Erdmann

Die beiden einzigen Frauen der OB-Kandidierenden, Katrin Lögering und Fatma Karacakurtoglu, waren an diesem Abend auch dabei und zeigten durch ihre Minderheit im Kandidatenpool, dass die Parität in der Dortmunder Politik nach wie vor nicht erreicht wurde.

Dass es weiterhin an Frauen in der Kommunalpolitik fehlt, haben wir in zwei Podcastfolgen erneut aufgegriffen. Mehr dazu im Abspann oder auf allen Podcast-Plattformen.


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