Dortmund-Husen: Chanukka-Feier mit einem gemeinsamen Gedenken an Bertha Wolf

„Berthas Haus“ soll zum Kulturort und zur Begegnungsstätte werden

Traditionen vereint: In Zukunft soll „Berthas Haus“ als Kulturort und Begegnungsstätte genutzt werden. H. Sommer für Nordstadtblogger

Im ehemaligen Haus der jüdischen Tuchhändlerin Bertha Wolf wurde diesen Dezember (14.12.2025) in Dortmund-Husen das jüdische Lichterfestes Chanukka gefeiert. Eingeladen hatte der Verein „Berthas Haus e.V.“. Angehörige aus Israel und den USA, erinnerten gemeinsam mit Vertreter:innen aus Politik und Zivilgesellschaft sowie Menschen aus der Nachbarschaft an die 1942 ermordete Dortmunderin. In der Zukunft soll das Haus als Kulturort und Begegnungsstätte genutzt werden.

Das Haus der ehemaligen Tuchhändlerin Bertha Wolf an der Husener Straße 85

Das einstige Ladenlokal an der Husener Straße 85 ist am späten Nachmittag des 14. Dezembers 2025 gut gefüllt. Menschen aus der Nachbarschaft versammeln sich mit Vertreter:innen aus Politik, Kultur und Geschichtsinitiativen. In einem Nebenraum ist ein kleines Buffet aufgebaut, leise Gespräche erfüllen den Raum gepaart mit einer gewissen Aufregung. Gemeinsam wird der erste Abend des jüdischen Lichterfestes Chanukka begangen. An einem Ort, an dem einst eine jüdische Familie lebte, bis sie vertrieben wurde.

Bild zeigt Berthas Haus von außen
Berthas Haus an der Husener Straße 85 H. Sommer für Nordstadtblogger

Das Haus gehörte bis 1939 der jüdischen Geschäftsfrau Bertha Wolf und ihrer Mutter. Sie betrieb hier einen Laden für Stoffe und Tücher. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten veränderte sich ihr Leben auf dramatische Weise.

Wie alle Juden wurde sie entrechtet und im Jahr 1939 enteignet. 1942 wurde Wolf zusammen mit anderen Dortmunder Jüd:innen in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Ihr Haus befand sich danach im wechselnden Besitz und wurde auch weiterhin gewerblich genutzt.

Pläne für die Zukunft: Das Haus soll zu einem Ort der Begegnung werden

Bevor an diesem Abend die Kerzen entzündet werden, tritt Claudia Müller nach vorne. Sie ist Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins „Berthas Haus e.V.“, der das Haus gekauft hat. Die Bezirksvertretung Brackel und das Bergbauunternehmen „REDPATH DEILMANN“ unterstützt den jungen Verein nach Kräften. Müller erinnert an den langen Weg bis hierhin. Sie spricht von der Recherche zur Geschichte Bertha Wolfs, zur Aufnahme des Kontakts mit den Angehörigen und über die Stolpersteinverlegung im Juni 2023. „Jetzt ist der Moment, einfach mal Danke zu sagen“, ist sie überzeugt.

Bild zeigt Claudia Müller, Vorsitzende von Berthas Haus e.V.
Claudia Müller ist die Vorsitzende von „Berthas Haus e.V.“ H. Sommer für Nordstadtblogger

Das Haus solle ein Ort sein, an dem Menschen zusammenkommen, kreativ sind und sich füreinander einsetzen. Der Verein plant, aus dem Haus eine Begegnungsstätte zu machen, in der sich alle Husener:innen wohl fühlen können.

Gemeinsam will man auch die Geschichte von Bertha Wolf am Leben erhalten, die sich zu Lebzeiten viel für den Ort eingesetzt hat. Zum Abschluss zitiert Müller die verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer: „Seid Mensch! – Be Human!“

Musikalisch eingestimmt wird der Abend von Andre Brust vom Trio „Gute Fraynd“. Er singt jiddische Lieder, begleitet von der Gitarre. In den alten und auf eine besondere Weise vertraut klingenden Liedern geht es um Frieden zwischen den Menschen und um Lebensfreude. Der Raum wird still. Viele hören sichtlich bewegt zu, bevor lauter Applaus einsetzt.

Familienangehörige aus Israel und den USA: Gemeinsam feiern, gemeinsam gedenken

Bild zeigt v.l. Susan Zonia und David Bliss,
Susan Zonia und David Bliss H. Sommer für Nordstadtblogger

Unter den Gästen sind auch Angehörige von Bertha Wolf. Aus Chicago sind David Bliss und seine Partnerin Susan angereist. Bliss ist ein Großneffe von Bertha Wolf. Aus Israel sind Asnat Shalom und ihr Sohn Barak gekommen. Sie ist Wolfs Großnichte. In ihren Reden wird deutlich, wie nah ihnen dieser Abend geht.

Sie bedanken sich für das Erinnern, für die Arbeit des Vereins und für die vielen Menschen, die gekommen sind. „From our heart we say thank you“, sagt Bliss ergriffen. „Bertha was a member of this community“ ruft er in Erinnerung. Seine Großtante sei wegen Hass und Antisemitismus ermordet worden.

Asnat Shalom und ihr Sohn Barak H. Sommer für Nordstadtblogger

„The best way to honor her is to remember her and the other jewish people“ ist für ihn eindeutig. Anschließend entzünden die Angehörigen die erste Chanukka-Kerze. Dabei beten sie laut auf Hebräisch.

Bliss erklärt kurz die Bedeutung des Festes. Chanukka erinnere an den Widerstand jüdischer Kämpfer:innen im antiken Judäa gegen das griechische Seleukiden-Reich. Zu Ehren Gottes entzündeten sie nach ihrem Sieg einen siebenarmigen Kerzenständer – die Menora – die trotz Mangels an Öl wie durch ein Wunder acht Tage brannte.

Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus: „Darauf haben wir hier keinen Bock!“

Gegenüber Nordstadtblogger lobt Bürgermeisterin Britta Gövert das Projekt und zeigt sich beeindruckt, dass Angehörige aus Israel und den USA den weiten Weg auf sich genommen haben, um in Dortmund Chanukka zu feiern. Sie unterstützt die Idee, das Haus in eine kulturelle Begegnungsstätte umzubauen.

Dortmunder:innen setzen ein Zeichen für Zusammenhalt H. Sommer für Nordstadtblogger

Auch Cornelius Uhr, der stellvertretende Sprecher der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Brackel, lobt das Projekt. Gemeinsam will man ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus setzen. „Darauf haben wir hier keinen Bock!“, macht er deutlich. Daher werde man den Ausbau des Hauses zur Begegnungsstätte auch langfristig begleiten.

Beate Zadow von der Koordinierungsstelle Heimat im Amt für Stadterneuerung betont im Gespräch mit Nordstadtblogger: „In diesen schwierigen Zeiten, in denen es weltweit zu antisemitischen Angriffen kommt, müssen wir uns klar bekennen: Wir stehen an eurer Seite!“

Film von David Bliss zeigt Szenen aus dem Leben von Bertha Wolf und ihrer Familie

Nach dem Abschluss des offiziellen Teils wird das Buffet eröffnet. Die Gespräche werden lockerer. Im Hintergrund läuft ein Film aus dem Jahr 1931, den David Bliss zusammengetragen hat.

Bertha Wolfs Familienangehörige entzünden die Chanukkia H. Sommer für Nordstadtblogger

Er zeigt die Familie Wolf bei einem Ausflug in den Westfalenpark, im Garten des Hauses, in ihrem Alltag. Zu sehen ist auch Bertha Wolf, vor und in ihrem Tuchladen. Bilder eines scheinbar ganz normalen und friedlichen Lebens.

Der Film läuft ohne Kommentar. Viele halten inne und schauen auf diese längst vergangenen Erinnerungen. Es ist ein stiller Moment. Einer der verdeutlicht, worum es an diesem Abend geht: um Erinnerung und um Austausch. Und darum, dass jüdisches Leben nicht nur als Geschichte des Verlustes zu verstehen ist. Es ist ein Teil dieser Stadt.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

Unterstütze uns auf Steady

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert