
In Dortmund machen Frauen etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. Trotzdem sind sie im Dortmunder Rat, der eigentlich ein Abbild der Zivilgesellschaft darstellen sollte, mit rund einem Drittel unterrepräsentiert. Maresa Feldmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, erklärt im Gespräch, warum strukturelle Hürden abgebaut werden müssen und wie Vorbilder sowie gezielte Programme wie „She for Democracy“ Frauen motivieren sollen, politisch aktiv zu werden.
Seit Jahren stagniert der Frauenanteil in der Kommunalpolitik
Gewalt gegen Frauen, Equal Pay, Chancengleichheit im Beruf: Seit 40 Jahren existiert in Dortmund das Gleichstellungsbüro, das sich sowohl mit internen Fragen innerhalb der Verwaltung als auch mit gesellschaftlichen Gleichstellungsthemen beschäftigt. „Wir leisten einen Beitrag, damit Chancengleichheit in allen Lebensphasen erreicht wird“, erklärt Maresa Feldmann, die seit 2014 als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt tätig ist.

Dazu gehört die Organisation von Kampagnen und Austauschrunden, um Gleichstellungsthemen stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit zu bringen. Aber auch die Beratung von Beschäftigten in der Verwaltung, die Entwicklung von Leitlinien für Personalentscheidungen und die Zusammenarbeit mit Vereinen und Initiativen sind seit Jahren feste Bestandteile der Arbeit.
Trotz dieser Maßnahmen bleibt der Frauenanteil in der Politik niedrig. „In den gut zehn Jahren, in denen ich Gleichstellungsbeauftragte bin, ist der Anteil von Frauen in der Politik nicht groß gestiegen“, sagt Feldmann. Denn die strukturellen Hindernisse sind nach wie vor vorhanden.
Vereinbarkeit und Diskriminierung bleiben zentrale Hürden für Frauen
Ein zentrales Hindernis für Frauen bleibt die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und politischem Engagement. „Viele Frauen schließen ein politisches Amt aus, weil die Vereinbarkeit einfach sehr schwierig ist. Rollenstereotype wirken leider immer noch zu Lasten der Frauen“ so Feldmann. Gleichzeitig erfahren Frauen im politischen Alltag nach wie vor Diskriminierung und Sexismus, wie Politikerinnen aus dem Dortmunder Rat berichteten.

„In meinem ersten Finanzausschuss wurde ich von einem männlichen Vertreter gefragt, ob ich denn überhaupt etwas verstanden hätte. Es gibt immer wieder solche kleinen Anmerkungen, wo man dann schon merkt, dass einem nicht die gleichen Kompetenzen zugestanden wird wie einem Mann“, berichtet Sonja Lemke, Fraktion DIE LINKE+.
Auch strukturelle Benachteiligung betrifft Gruppen jenseits des binären Geschlechtersystems. „Transidente Personen und andere Gruppen sind oft stigmatisiert. Wir arbeiten deshalb mit speziellen Koordinierungsstellen zusammen, um diese Personen zu unterstützen“, erklärt Feldmann.
Besonders Frauen mit Migrationshintergrund deutlich unterrepräsentiert
Für Frauen mit Migrationshintergrund ist der Zugang zu politischen Ämtern besonders schwierig. „Der Anteil in den Fraktionen liegt nur bei neun Prozent, obwohl über 40 Prozent Menschen in der Stadtverwaltung einen Migrationshintergrund haben“, erläutert Feldmann. Die Gründe sind dabei laut der Gleichstellungsbeauftragten vielschichtig:

„Viele Frauen wissen nicht, dass politische Mitwirkung möglich ist, oder wie ein Engagement aussehen könnte. Role Models fehlen, also Frauen mit Migrationshintergrund, die bereits in politischen Ämtern vertreten sind, sind kaum sichtbar. Wenn da kaum solche Personen zu sehen sind, dann kann man sich das für sich selber auch schwieriger vorstellen.“
Um dem entgegenzuwirken, arbeitet das Gleichstellungsbüro eng mit Migrantenvereinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. „Wir sind sehr gut vernetzt mit verschiedenen migrantischen Organisationen“, so Feldmann. Parität bedeutet für sie dabei nicht nur gleiche Zahlen, sondern auch, „dass die Perspektiven aller Frauen Gehör finden und sie motiviert werden, den Schritt in die Politik zu wagen.“
Feldmann befürwortet die Einführung eines Gleichstellungsausschusses
Neben der direkten Arbeit mit einzelnen Gruppen sieht Feldmann auch die politische Ebene als entscheidend an. Sie befürwortet die Wiedereinführung eines Gleichstellungsausschusses im Rat, der bereits kurz nach der Einrichtung des Gleichstellungsbüros existierte, sich jedoch nur knapp zwei Jahre halten konnte.

„Ein Ausschuss bündelt alle Gleichstellungsthemen, bereitet politische Entscheidungen vor und kann gezielt Anträge nach vorne bringen“, erklärt Feldmann.
Während das Büro beratend und organisatorisch tätig ist, hätte ein Ausschuss direkten Einfluss auf politische Prozesse, könnte Gelder bereitstellen und strukturelle Veränderungen im Rat und in der Verwaltung vorantreiben.
„Damit könnten Gleichstellungsthemen dauerhaft sichtbar gemacht und politischer Druck aufgebaut werden“, so die Gleichstellungsbeauftragte.
Programm „She for Democracy“ stieß auf positive Resonanz
Gleichzeitig sollen Programme weiter ausgebaut werden, die Frauen unmittelbar für politische Mitwirkung begeistern. Im Zuge der diesjährigen Kommunalwahl spielte das Projekt „She for Democracy“ eine zentrale Rolle. Es zielt darauf ab, Frauen aller Altersgruppen und Hintergründe aktiv in die Politik einzubeziehen. „Es war ein sehr offenes Programm, bei dem wir unterschiedliche Angebote gemacht haben: von den Basics der Kommunalpolitik über Mutmach-Trainings bis hin zu Workshops mit Ratsfrauen“, erläutert Feldmann.

Das Interesse war dabei groß, wie sich schnell herausstellte: „Bei den Basics der Kommunalpolitik hatten wir über 100 Frauen, die daran teilgenommen haben. Der Ratssaal war so voll, dass Menschen stehen mussten. Das war für mich sehr bewegend und hat gezeigt, dass großes Potenzial vorhanden ist.“ Viele Teilnehmerinnen gaben zurück, dass sie nun mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und Lust verspüren, aktiv zu werden.
Um auch in Zukunft weitere Interessentinnen zu gewinnen und die bereits gewonnenen Teilnehmerinnen langfristig zu unterstützen, sei der Ausbau ähnlicher Programme ebenfalls geplant. „Nicht sofort werden wir die Parität erreichen, aber wir haben gute Ideen und viel Frauenpower. Viele Frauen aus den Programmen sitzen inzwischen auf Listenplätzen für politische Ämter. Das zeigt, dass Initiativen wie diese Wirkung entfalten und weitere Frauen motivieren können.“
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