Die Stadt Dortmund setzt beim Ganztag für Grundschulkinder auf Qualität und Verlässlichkeit

Der Bedarf an OGS-Plätzen ist im Dortmunder Norden besonders hoch:

Flexible Schulmöbel
Ein Pult, viele Möglichkeiten. Flexible Räume für flexible Nutzungen zwischen Schule und OGS sind wichtig. Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Die Stadt Dortmund will den Ganztag für Grundschulkinder neu aufstellen und hat dazu Ende 2023 gemeinsam mit vielen Partnerinnen und Partnern den „Dortmunder Qualitätsrahmen“ beschlossen. Damit soll der Ganztag nicht nur quantitativ ausgebaut, sondern auch qualitativ gesichert werden. Ziel ist ein verlässlicher Lern- und Lebensort für Kinder, der Unterricht, Förderung, Freizeit und Erholung sinnvoll miteinander verbindet.

Ganztag als ganzheitlicher Lebensraum

„Kinder sind immer länger in der Schule, da muss sich die Schule überlegen, was das heißt, wenn sie zu einem echten Lebensort wird, gerade weil so viele Kinder den ganzen Tag da sind“, sagt Monika Nienaber-Willaredt, Dezernentin für Kinder, Jugend, Familie und Schule. „Wir haben die Chance auf mehr Lernen, individuelle Unterstützung, Bildung, Sport, kulturelle Bildung. Aber auch Ausruhen, Wohlfühlen, Rückzugsmöglichkeiten.“

Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Der Qualitätsrahmen richtet sich an alle Grund- und Förderschulen in Dortmund, unabhängig davon, ob sie offenen, gebundenen oder rhythmisierten Ganztag anbieten.

Entscheidend ist, dass sich die Angebote an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren. Es geht nicht nur um schulische Lernchancen, sondern auch um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Ganztag soll mehr sein als reine Betreuung – er soll den Kindern Möglichkeiten eröffnen, kognitive, soziale und persönliche Kompetenzen zu entwickeln und gleichzeitig ein Ort sein, an dem sie sich wohlfühlen. ___STEADY_PAYWALL___

Breite Beteiligung und gemeinsame Verantwortung

Entstanden ist der Qualitätsrahmen in einem breiten Beteiligungsprozess. „Wir hatten eine große Steuerungsgruppe mit vielen Beteiligten, mehr als ein Dutzend Formate, digital und analog. Wir haben die Expertise abgefragt, so ist der Rahmen entstanden“, erklärt Nienaber-Willaredt. 

Monika Nienaber-Willaredtverweist auf das straffe Zeitziel. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Sie verweist auf das straffe Zeitziel, das bedeutete, dass Verwaltung, Politik, Schulen und Träger eng zusammenarbeiten mussten. Parallel sei der Rahmen in allen Bezirksvertretungen vorgestellt und schließlich im Rat beschlossen worden. 

„Ich möchte mich nicht nur bei der Verwaltung, sondern auch bei allen anderen Beteiligten bedanken. Es gab großes Interesse an Mitwirkung und an einer gemeinsamen Linie.“

Kooperation zwischen Schule und OGS auf Augenhöhe

Ein zentrales Prinzip des Qualitätsrahmens ist die Kooperation. Schule und Offene Ganztagsschule sollen auf Augenhöhe zusammenarbeiten, „keine zwei unterschiedlichen Schulen“, wie Nienaber-Willaredt betont. 

Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Es brauche feste Zeiten, in denen Lehrkräfte und OGS-Fachkräfte sich austauschen, außerdem eine enge Abstimmung mit Caterern, Vereinen, Ehrenamtlichen und Jugendfreizeitstätten. Der Ganztag soll im besten Fall ein Knotenpunkt im Sozialraum sein, in dem verschiedene Akteure zusammenwirken. 

Während des Prozesses hätten sich Schulen und OGS ganz neu ausgetauscht, es gebe gemeinsame Thementage, pädagogische Tage oder Projekte, bei denen beide Seiten aufeinander zugehen. „Es gibt diese gute Kooperation mit der OGS an vielen Schulen, aber noch nicht bei allen. Der Rahmen ist ein Anstoß, das gemeinsam umzusetzen“, so die Stadträtin

Das Gewinnen von Personal als größte Herausforderung

Eine der größten Herausforderungen bleibt das Personal. „Wir bekommen teils die Leute nicht, daher müssen wir sie dahin qualifizieren“, sagt Nienaber-Willaredt. Während in Kitas feste Personalschlüssel gelten, gibt es diese in der OGS bislang nicht. „Das würde ich gerne hinkommen.“ 

Monika Nienaber-Willaredt definiert ihr Ziel: höchstens 25 Kinder pro Fachkraft, keinesfalls mehr. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Ihr Ziel: höchstens 25 Kinder pro Fachkraft, keinesfalls mehr. Ob dies auch durch die Einbindung von Ehrenamtlichen, Krankenkassenkursen oder anderen Kräften möglich sei, werde geprüft.

Dortmund setzt deshalb auf Qualifizierung: Praktika, Fachkräftegipfel und Programme wie „Startklar“ oder „Kitaeinstieg“ sollen Menschen an die Arbeit heranführen – nicht durch Anwerbung im Ausland, sondern durch Förderung derjenigen, die bereits in Dortmund leben. 

Ein weiteres Problem: Fachkräfte in der OGS werden je nach Träger unterschiedlich tariflich bezahlt. Deshalb sei ein intensiver Dialog notwendig. Gemeinsam wurde am Tätigkeitsprofil gearbeitet, das von Leitung über Fachkräfte bis hin zu Ergänzungs- und Hilfskräften reicht.

Flexible Räume und Mensen als bauliche Herausforderungen

Auch die Raumfrage beschäftigt die Stadt. In Neubauten ist die OGS von Anfang an eingeplant. In alten Flurschulen hingegen fehlt oft Platz. „Die Lösung ist flexibles Mobiliar“, erklärt die für Schulen zuständige Dezernentin. 

Dafür gibt es städtische Rahmenverträge und sogar einen Showroom. Die Stadt setzt auf inklusive, multifunktionale Raumgestaltung, die Lernen, Bewegung und Erholung gleichermaßen ermöglicht. Auch nachhaltige Außenflächen sollen dazugehören.

 

Besonders problematisch ist die Versorgung mit Mensen. „Die Mensen machen uns die größten Sorgen, weil wir die größten Herausforderungen haben. Teils müssen die Kinder in Schichten essen“, berichtet die Dezernentin. Eine Taskforce arbeite mit Hochdruck daran, Lösungen zu finden. In manchen Stadtteilen werden auch Räume in der Nachbarschaft genutzt, um eine Mensa einzurichten.

Gesundes Essen als Lernvoraussetzung

Die Qualität des Essens ist ein weiteres Kernthema. „Kinder müssen satt sein, wenn sie lernen wollen. Das ist bisher nicht immer und überall der Fall – vor allem auch an Schulen mit hohem Sozialindex“, so Nienaber-Willaredt. 

Mit dem OGS-Angebot geht auch eine Essenverpflegung einher. Doch genau das sorgt raumtechnisch für Probleme.
Mit dem OGS-Angebot geht auch eine Essenverpflegung einher. Doch genau das sorgt raumtechnisch für Probleme. (Archivbild) Archivbild: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Dortmund orientiert sich an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Neben gesunder, nachhaltiger Kost gehe es auch darum, Esskultur zu vermitteln. „Viele kochen zu Hause nicht mehr. Wir müssen sie daher einweisen in die Kunst des Kochens und des gemeinsamen Essens.“

Gemeinsam mit dem Umweltamt werden Projekte gefördert, die Ernährungskompetenz vermitteln und Lebensmittelverschwendung minimieren. Bei der Finanzierung gilt: Familien zahlen im Rahmen der OGS fürs Essen, teurer soll es nicht werden. Ob Essen langfristig kostenlos wird, ist eine politische Entscheidung. Schon heute gibt es an vielen Schulen mit hohem Sozialindex ein kostenloses Frühstück.

Unterfinanzierung der OGS durch das Land Nordrhein-Westfalen

Die Kosten sind ohnehin erheblich. „Als Kommune müssen wir die OGS refinanzieren – das System ist vom Land völlig unterfinanziert“, kritisiert Nienaber-Willaredt. Dortmund habe zusätzlich 7,7 Millionen Euro aufgebracht, um Träger zu stabilisieren und Qualität zu sichern. 

Monika Nienaber-Willaredt übt scharfe Kritik: „Das Land hat uns ja hängen lassen.“ Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Gleichzeitig übt sie deutliche Kritik an der Landespolitik: „Das Land hat uns ja hängen lassen. Im Ausführungsgesetz beschreiben wir die Qualität. Durch Konnexität entstehen Ansprüche.“

„Daher hat das Land kein Ausführungsgesetz erlassen und sich auch nicht zur Qualität geäußert. Das ist nicht zufriedenstellend, gerade weil wir mit dem Ganztag einen Hebel haben, Kinder gut vorzubereiten und zu begleiten und zu stärken“, so die Dortmunder Dezernentin.

Das Ziel in Dortmund: 100 Prozent Ganztag bis 2029

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung kommt bundesweit ab 2026. Dortmund hat sich ein klares Ziel gesetzt: bis 2029/30 soll es für jedes Grundschulkind einen Ganztagsplatz geben. Aktuell liegt die Quote bei rund 65 Prozent. Seit 2024/25 gibt es Ganztagsangebote an 88 Grundschulen, darunter drei mit gebundenem Ganztag. 

Außerdem bieten acht Förderschulen Ganztagsbetreuung an. Jährlich sollen 1.500 neue Plätze entstehen. „Wir wollen allen Eltern einen Platz anbieten. Wir wollen auf 100 Prozent gehen“, sagt Nienaber.

Der Dortmunder Norden hat den größten Bedarf

Es ist ein echtes Vorzeigegebäude, welches die Stadt ämterübergreifend in Eigenregie nach der eigenen Schulbaurichtlinie geplant hat: Die Grundschüler:innen lernen nun in modernen und technisch gut ausgestatteten Klassenräumen. 
Die Stadt baut – doch sie kann mit den wachsenden Zahlen von Schüler:innen nicht Schritt halten. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Besonders im Dortmunder Norden ist der Bedarf groß. In den Stadtbezirken Innenstadt-Nord, Scharnhorst und Eving stehen Hunderte Kinder auf Wartelisten. Allein in der Nordstadt sind es 151 Kinder, in Scharnhorst 141, in Eving 112. Auch in Brackel warten 23 Kinder auf einen Platz, in Hombruch sind es zwei. (Stand Juli 2025)

Diese Zahlen sind Momentaufnahmen, doch sie zeigen die Richtung. „Im Norden müssen wir verstärkt Plätze schaffen. Durch die ganzen Bauprojekte passiert da ganz viel“, sagt die Dezernentin. Gerade in sozial benachteiligten Quartieren spielt der Ganztag eine Schlüsselrolle – als Lernort, aber auch als Schutz- und Entwicklungsraum für Kinder.

„ Gerade weil die Zeiten finanziell so schwierig sind, brauchen auch alle Klarheit und Sicherheit“

Für Nienaber-Willaredt ist klar: Der Qualitätsrahmen ist mehr als ein Papier. „Warum jetzt? Gerade weil die Zeiten finanziell so schwierig sind, brauchen auch alle Klarheit und Sicherheit. Daher knappe Ressourcen sicher und wirksam einsetzen, klare Prioritäten. Qualität schützt vor Fehlentwicklungen. Der Rahmen sorgt dafür, dass wir gemeinsam in die richtige Richtung gehen. Und ist auch eine Frage von Haltung.“ 

„Wir wollen, dass die Kinder sich im Ganztag nicht nur gut aufgehoben fühlen, sondern dort auch wachsen können.“ Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Kooperation, Partizipation und kindgerechte Gestaltung seien die Leitlinien. Die Ausschreibungen für 2026/27 sollen als Hebel für Qualität dienen. „Wir wollen, dass die Kinder sich im Ganztag nicht nur gut aufgehoben fühlen, sondern dort auch wachsen können“, sagt die Dezernentin. 

Der Ganztag soll ein Ort sein, an dem Kinder in Dortmund unabhängig von Herkunft und Lebenslage faire Bildungschancen haben. Und er soll den Familien verlässliche Unterstützung bieten – in der Nordstadt genauso wie in allen anderen Stadtteilen.


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