
Ein besonderes Gesprächsformat hat auf dem Opernvorplatz in Dortmund mehr als 100 Menschen zusammengebracht. Ziel der Aktion „Das Ruhrgebiet spricht“ war es, Unbekannte miteinander ins Gespräch zu bringen, die bei zentralen Themen unterschiedlicher Meinung sind. Die Teilnehmenden wurden per Fragebogen und Software „gematcht“. Das Ergebnis: friedliche, interessante und offene Begegnungen. Organisiert wurde das Format von den Evangelischen Stadtkirchen in Dortmund, Essen, Duisburg und Bochum.
Neues Gesprächsformat verbindet unterschiedliche Perspektiven
Es war eine Premiere im Ruhrgebiet und ein Experiment: Bei dem Format „Das Ruhrgebiet spricht“ kamen auf dem Opernvorplatz in Dortmund rund 100 Menschen zusammen, um sich mit Unbekannten über gesellschaftliche Themen auszutauschen. Sie erlebten einen besonderen Vormittag, bei dem sich alle einig waren: „Wir brauchen dringend mehr Formate wie dieses!“.
Die Idee dahinter: Miteinander reden statt übereinander, zuhören und den anderen nicht zwingend überzeugen, aber vielleicht verstehen wollen.
Die Teilnehmenden wurden durch eine Computersoftware einander zugeordnet nachdem sie online einen Fragebogen ausgefüllt hatten. Mit Fragen, wie „Was empfindest du im Moment als besonders herausfordernd?“ oder „Denkst du, dass zu viel Vielfalt zu Konflikten in der Gesellschaft führt?“
Horst: „Jeder hat den anderen ausreden lassen“
Die meisten haben ihre Gesprächspartner gefunden, andere lassen die Gesuchten durch das Veranstaltungsmikrofon ausrufen: „Olaf sucht Joachim“. Joachim kommt nicht, also finden Olaf (55, aus Selm) und Horst (80, aus Dortmund) zueinander. Sie nehmen an einem der 50 Tische, die vor dem Theater parat stehen, Platz. Das Gespräch ist nicht so konfrontativ, wie ursprünglich erwartet, da sie eben nicht als Männer mit gegensätzlichen Meinungen „gematcht“ wurden. Dennoch erweist sich ihr Gespräch als überaus interessant und eröffnet neue Perspektiven.

Sie reden über gesellschaftliche Fragen, über den Umgang der Menschen miteinander allgemein und auch über Politik. „Jeder hat den anderen ausreden lassen“, sagt Horst. „Das Ausredenlassen gehört ja auch zum guten Zuhören dazu“, findet Olaf, der vom kulturinteressierten Horst auch noch Tipps für Theater, Oper und Ballett in Dortmund mitnimmt.
„Ich fand das alles sehr bereichernd“, sagt Olaf. Außerdem ist er davon überzeugt: „Mit Dortmund spricht haben wir heute gemeinsam im Kleinen Großes bewirkt.“
Trotz des eigentlich konfrontativ angelegtem Fomates haben sich die Teilnehmenden offenbar durchweg harmonisch mit ihrem jeweiligen Gegenüber unterhalten. Kultiviert – auch bei Meinungsverschiedenheiten, denn die gab es auch. Bei der anonymisierten Auswertung der Fragebögen im Vorfeld war übrigens herausgekommen, dass viele Dortmunder gesellschaftliche Ungerechtigkeit beklagten. Auch das war Thema an vielen Tischen.
Gespräche jenseits der eigenen Meinungsblase
Uta Schütte-Haermeyer, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Dortmund und aktiv im Organisationsteam, ist jedenfalls froh, dass „wir nicht in unserer eigenen „Bubble“ geblieben sind. Ich freue mich, dass hier durchaus Leute miteinander sprechen, die sonst nicht miteinander reden würden“.
Auch Susanne Karmeier, die Pfarrerin an der Ev. Stadtkirche St. Reinoldi, die die Aktion initiiert hat, ist überaus zufrieden. Zu Beginn des Treffens hatte sie allen einhundert Teilnehmenden gewünscht „dass Sie es genießen sollen, Ihr Gegenüber nicht überzeugen zu müssen.“
Theaterdirektor Tobias Ehinger, der sich ebenfalls sehr engagiert für die Realisierung von „Das Ruhrgebiet spricht“ eingesetzt hat, verweist die Anwesenden darauf, dass diese vielen friedlichen Gespräche heute auf dem Platz der Alten Synagoge stattfänden.