
Wer ins Naturmuseum Dortmund kommt, wird winzig – zumindest symbolisch. Denn gleich beim Betreten der neuen Sonderausstellung „Die dünne Haut der Erde – Unsere Böden“ schrumpfen die Besucherinnen und Besucher auf die Größe einer Landassel. Und plötzlich liegt eine völlig neue Welt zu Füßen: eine lebendige, bunte und wimmelnde Unterwelt, in der Regenwürmer, Springschwänze, Milben, Bakterien und Pilze das Leben auf unserem Planeten überhaupt erst möglich machen.
Ein Blick in die verborgene Welt
Böden sind weit mehr als nur „Dreck unter den Schuhen“. Sie sind das Fundament allen Lebens – und gleichzeitig ein faszinierendes Ökosystem, das oft übersehen wird. Die Ausstellung, die vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz konzipiert wurde und zuvor im Europäischen Parlament sowie in Wien zu sehen war, macht die unsichtbare Vielfalt des Bodens erfahrbar.

3D-Modelle, Mikroskopaufnahmen, interaktive Stationen und Filme zeigen, wie das Leben im Erdreich funktioniert und warum es so schützenswert ist. In den Hauptrollen unter anderem Bruno Braunerde als Präsident des Bauernverbandes oder Heidi Podzoll, die Schönheitskönigin aus dem Heidekrautweg – humorvolle Figuren, die das Thema Bodenbildung greifbar machen.
Die Ausstellung ist in mehrere Kammern aufgeteilt. In der „Kammer des Lebens“ wimmelt es von Bodenbewohnern: Kinder können ausprobieren, wie Regenwürmer Erde durchlüften, wie Springschwänze mit Katapultschwänzen fliehen oder wie Pilze Holz zersetzen. Anschaulich wird erklärt, dass ein einziger Quadratmeter Waldboden mehr Lebewesen beherbergt als Menschen auf der Erde existieren.

Wer weitergeht, gelangt in die „Kammer der Krümel“, wo sich alles um die Entstehung und Vielfalt der Böden dreht – von der fruchtbaren Ackerbraunerde bis zum nährstoffarmen Heideboden. Und spätestens in der „Kammer des Schreckens“ wird klar, wie empfindlich diese „dünne Haut der Erde“ ist. Bodenerosion, Versiegelung, Pestizideinsatz und Landraub zeigen die Folgen menschlichen Handelns – und wie wenig Fläche der Erde überhaupt noch für Landwirtschaft nutzbar bleibt. Nur etwa vier Prozent, erklärt der Görlitzer Bodenforscher Prof. Dr. Willi Xylander, tragen die weltweite Ernährung.
Ein spannendes Detail: Prof. Dr. Willi Xylander stammt aus Hagen. Nach seinem Studium in Göttingen und Stationen in Gießen und Görlitz freut er sich besonders, dass die Ausstellung in Dortmund zu sehen ist und er hier quasi ein Heimspiel hat.
Wissenschaft trifft Verantwortung
Die Ausstellung ist nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch emotional ansprechend gestaltet. Sie weckt Staunen, manchmal auch Nachdenklichkeit – und will zum Handeln motivieren. Im „Ausgang der Visionäre“ finden Besucherinnen und Besucher Anregungen, wie sie selbst zum Bodenschutz beitragen können: vom bewussten Konsum über naturnahe Gärten bis hin zu nachhaltiger Ernährung.

Das machen auch die Beispiele von Dr. Xylander sichtbar, der gut darstellt, wie alles vernetzt ist. Touristen auf Kreuzfahrtschiffen tragen mit ihrem Schuhwerk Kleinstlebewesen in die Antarktis und verändern dort die Zusammensetzung der Bodentiergemeinschaften. Wenn dann durch die Klimaerwärmung Permafrostböden auftauen, beschleunigt sich die Zersetzung organischen Materials und mehr Kohlendioxid gelangt in die Atmosphäre.
Seine Leidenschaft für das Thema wird auch deutlich, als er von einem Aufforstungsprojekt erzählt. Er spannt den Bogen von der Pflanzung heute bis zur Ernte der Bäume in 50, 70 oder 120 Jahren. „Wir wissen, dass die Erde wärmer wird – also macht es Sinn, Bäume zu pflanzen, die mit der Hitze klarkommen“ erklärt Dr. Xylander. Doch für Forschende stellt sich eine spannende Frage.

Zersetzen deutsche Bodenorganismen auch das Laub mediterraner Bäume, etwa Korkeichen? Natürlich hat er das ausprobiert, in Vitro bekamen Tausendfüßler, Asseln und Springschwänze das mediterrane Laub serviert. Das Ergebnis präsentiert er mit Humor, die Bodentierchen bevorzugen das fremde Laub – so wie Kinder vielleicht lieber Pizza oder Gyros essen als Sauerkraut mit Würstchen. Schmunzelnd nennt Prof. Xylander das den „Pizza Effekt“.
Museums-Kurator Dr. Jan-Michael Ilger freut sich, dass die international erfolgreiche Wanderausstellung nun in Dortmund Station macht:
„Böden sind Schnittstellen zwischen Geologie und Biologie – sie verbinden Steine mit Leben. Gerade Kinder begreifen hier spielerisch, wie faszinierend diese Welt unter ihren Füßen ist.“
Die neue Schau ist ein Erlebnis für Groß und Klein

Das Naturmuseum Dortmund bietet zur Ausstellung passende Führungen und Programme für alle Altersgruppen an: vom Kita-Angebot „Schrumpfen und Staunen“ bis zur Schulveranstaltung „Bodenlos spannend“. So wird Wissenschaft zum Erlebnis – und Bodenschutz zu einem greifbaren Thema.
Denn wer die Erde verstehen will, muss manchmal tief graben. Und wer einmal durch das „Unterirdische“ im Naturmuseum gegangen ist, sieht vielleicht den nächsten Spaziergang im Park oder die Erde im Blumentopf mit ganz anderen Augen.
Weitere Informationen zur Ausstellung:
- „Die dünne Haut der Erde – Unsere Böden“
- Naturmuseum Dortmund, Münsterstraße 271
- Ab 25. Oktober 2025 bis zu den Osterferien
- ️ Eintritt: laut regulärem Museumstarif
- Führungen & Schulprogramme: Infos auf naturmuseum-dortmund.de
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!


Reaktionen
Willi Xylander
Sehr schöner Bericht. Danke