Einladung zur Mitsprache: Diskussionsrunde zur Zukunft der Kirchenbauten in Dortmund

Rat der Stadt hat Kommission beschlossen - Auftakt am 6. November

Die Pauluskirche in der Dortmunder Nordstadt ist längst auch Kulturkirche. Noch bis zum 26. Oktober ist hier die Kunstinstallation „AFTERMATH – Die Reliquien der Heiligen Helena“ des Wuppertaler Künstlers Gerhard Rossmann zu sehen. Foto: Gerhard Rossmann

Immer weniger Menschen gehen in die Kirche – die Folge: Gemeinden schrumpfen und immer weniger Kirchengebäude werden gebraucht. Abriss? Umwidmung? Was soll damit geschehen und wer darf darüber mitbestimmen? Eine „Zukunftskommisson Kirchengebäude“ tritt an, den Prozess zu gestalten. Auftakt zur öffentlichen Debatte ist am 6. November um 18.00 Uhr in der Ev. Stadtkirche St. Marien.

Kirchen-Manifest macht klar: Kirchen sind Gemeingüter

Über die Hälfte der 40.000 Kirchen in Deutschland könnten in den nächsten zehn Jahren geschlossen, abgerissen oder verkauft werden. In Dortmund betrifft das 30 Prozent der Kirchen, mindestens 40 Gebäudeensemble. Eine Herausforderung nicht nur für Gläubige oder Beschäftigte der Kirchen, sondern für die gesamte Stadtgesellschaft – findet zumindest Barbara Welzel.___STEADY_PAYWALL___

„TalentScouting“: Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Prof. Dr. Barbara Welzel
Prof. Dr. Barbara Welzel Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Welzel ist Professorin für Kunstgeschichte und Kulturelle Bildung an der Technischen Universität Dortmund und gehört zu den Initiator:innen des sogenannten Kirchen-Manifests. „Kirchen sind Gemeingüter“ heißt es darin, Kirchen und ihre Ausstattungen gehören zu den wichtigsten Zeugnissen des Kulturerbes und sie prägen das Stadtbild.

Droht der Abriss, droht auch der Verlust der historischen Überlieferung und „40.000 Kirchen, das sind – salopp gesagt – zum Beispiel auch 40.000 Orgeln“, so Welzel. Und immerhin hat die UNESCO die Tradition von Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland 2017 in ihre Welterbe-Liste aufgenommen.

Aber es geht ihr nicht nur um Kunstgeschichte und das Bewahren der Vergangenheit: „Es ist ein strukturelles Thema und es ist dramatisch für die zukünftige Stadtentwicklung“, erklärt Welzel.

„Es gibt einen gesellschaftlichen Bedarf an Raum, nicht kommerziellem Raum.“

Was passiert mit einem Quartier, wenn die Kirche verschwindet? Wird das Grundstück veräußert, bringt es häufig als Top-Immobilie Geld in die leeren Kirchenkassen. Aber wer zieht dann hier ein? Wo bleibt die soziale Verantwortung für das, was mal Zentrum der Nachbarschaft war?

Ein offener Ort für alle, mitten in der City: die Stadtkirche St. Petri. Bruno Wittke

„Diese Orte werden noch gebraucht“, findet Welzel und nur weil Gemeinden kleiner werden, heißt das nicht, dass es den Bedarf nicht mehr gibt. „Es gibt einen gesellschaftlichen Bedarf an Raum, nicht kommerziellem Raum“, erklärt Welzel. In der Soziologie spricht man hier von „dritten Orten“.

Ein Thema, das auch andere für sich entdeckt haben. 2026 findet im Ruhrgebiet die Kunstbiennale Manifesta statt. Ihr Thema: Transformation von Kirchengebäuden. Unter dem Motto „This is not a Church“ (Engl: Dies ist keine Kirche) sollen vom 21. Juni bis 4. Oktober 2026 zwölf leerstehenden Nachkriegskirchen in vier Gastgeberstädten Orte der Kunst und der Auseinandersetzung mit der Zukunft der Stadtquartiere werden.

„Dass der traditionelle Weg nicht weiter führt, war früh absehbar.“

Beispiele für die Umnutzung oder auch Mischnutzung von Kirchen gibt es auch in Dortmund. Prominentestes Modell ist sicher die Neugestaltung der „BVB Gründerkirche“. Der Umbau ist spektakulär, ein Highlight über das Quartier hinaus, und mit dem Sponsor Borussia Dortmund an der Seite sind die Investitionen für das Erzbistum sicher leichter zu stemmen, als zum Beispiel für Pfarrer Friedrich Laker und die Pauluskirche.

Blick in den Kirchenraum Richtung Altarbereich Entwurf-Ludger-Schwarze-Blanke

„Dass der traditionelle Weg nicht weiter führt, war früh absehbar“, erzählt Laker. Er begann sich mit Initiativen im Stadtteil zu vernetzten und die Kirche für Kulturangebote zu öffnen: „Wir wollen eine offene Gemeinde für alle Menschen sein und nicht nur Glaubensort.“

Auch wenn das Gebäude noch im Eigentum der Kirche ist, soll es künftig mit andere Trägern genutzt werden und sich als eine Art Stadtteilzentrum etablieren.

Das Ende der Markus-Kirche ist der Anfang für das SÖZ

In der Markuskirche fand der letzte Gottesdienst bereits Silvester 2022 statt. Dann wurde der Altar abgebaut, die Kirche entwidmet und das Sozial-Ökologische Zentrum SÖZ zog ein. „Das war unsere große Chance“, berichtet Mila Ellee vom SÖZ-Team. Seit dem gibt es Yoga-Kurse, das Queer-Cafe, aktuell eine Foto-Ausstellung über das Leben Jugendlicher in der Ukraine.

Das Bild zeigt eine braune Kirche. Es ist die ehemalige evangelische Markuskirche an der Gut-Heil-Straße. Bäume stehen davor. Sie ist schlicht und hat einen quadratischen Turm.
Erst Markus-Kirche, jetzt Sozial-Ökologisches Zentrum (SÖZ). SÖZ

Alle arbeiten am Umbau und am Programm mit – viele Stunden, alles ehrenamtlich. Jeden Monat wird ein hoher vierstelliger Betrag Miete fällig, der an die Ev. Kirche geht.

Es sei schon ein fairer Preis für 2500 m², Werkstätten, dazu der Garten – aber undenkbar ohne eine Förderung durch die Stadt, so Ellee: „Wir investieren viel Arbeit und Herzblut, obwohl die Förderung bis 2026 befristet ist. Unser Angebot soll weiter kostenlos sein und wir hoffen natürlich, dass es weitergeht.“

Mehr als eine Immobile? Welche Verantwortung hat die Kirche noch für den Ort?

Wer entscheidet über Verkauf, Mischnutzung oder Abriß? In welcher Verantwortung sieht sich die Kirche noch für die Quartiere, in denen sie ihre Gebäude hat? Wie könnten neue Modelle, zum Beispiel für eine geteilte Trägerschaft aussehen? Ein komplexer Prozess, den man in Dortmund gemeinsam gestalten will.

Titelblätter von Broschüren aus der Reihe Gefährdete Dortmunder Kirchen
Drei Titelblätter – St. Aposteln, St. Michael und St. Antonius – von Broschüren der Reihe Gefährdete Dortmunder Kirchen. Foto: Klaus Winter für Nordstadtblogger.de

Noch im Juli 2025 beschloss der alte Rat der Stadt Dortmund die Gründung einer „Zukunftskommission Kirchenbauten“. Sie soll alle an einen Tisch holen, Ideen und Konzepte entwickeln, Veranstaltungen zum Thema begleiten und eventuell notwendige politische Befassungen vorbereiten, „ohne Eigentumsverhältnisse grundsätzlich in Frage zu stellen“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Aber auch das Ziel ist im Beschluss klar formuliert: „Auch jenseits ihrer historischen Rolle sollen Kirchengebäude wenn möglich Gemeingut und Chancenräume für unsere Stadt bleiben.“

Um die Gründung dieser Kommission vorzubereiten und zugleich die notwendige öffentliche Diskussion zu eröffnen, laden die Stadt Dortmund und das Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft der Technischen Universität Dortmund am 6. November 2025 ab 18.00 Uhr zu einer Auftaktveranstaltung in die Ev. Stadtkirche St. Marien (Kleppingstraße/Ostenhellweg) ein.

Gastgeberin in der St. Marienkirche ist die „Stiftung Kulturgut und Kirchenmusik“ der Evangelischen St. Mariengemeinde Dortmund. Weitere Informationen zum Kirchen-Manifest im Internet.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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