Eine Kundgebung solidarisierte sich unter dem Motto „Gemeinsam gegen Antisemitismus“

Anlässlich des Anschlags in Halle und des Angriffs der Hamas auf Israel:

Teilnehmende der Kundgebung sind von hinten zu sehen. Sie blicken auf die Bühne vor der Reinoldikirche, auf der Redebeiträge zum Thema Antisemitismus gehalten werden.
Das „Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund“ hat vor der Reinoldikirche unter dem Motto „Gemeinsam gegen Antisemitismus! Wir erinnern an die Opfer der antisemitischen Gewalt in Israel und Halle“ zu einer Kundgebung aufgerufen. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Antisemitismus nimmt in Deutschland seit Jahren spürbar zu. Um ein Zeichen dagegen zu setzen, hat das „Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund“ am 9. Oktober 2025 zu einer Solidaritätskundgebung unter dem Motto „Gemeinsam gegen Antisemitismus“ aufgerufen. Im Mittelpunkt standen der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, der seither weltweit zu einem rapiden Anstieg antisemitischer Vorfälle führt. Ebenso lag der Blick auf den sechsten Jahrestag des Anschlags in Halle am 9. Oktober 2019, bei dem ein bewaffneter Neonazi versuchte, in eine Synagoge einzudringen und zwei Menschen tötete.

Antisemitismus nimmt weiter zu – auch in Dortmund

Wenn auch das Problem des Antisemitismus in Deutschland seit Langem bekannt ist, steigt dieser stetig an. Allein im zweiten Quartal 2025 wurden 899 antisemitische Straftaten erfasst.

Zwi Rappoport bei seiner Rede auf der Kundgebung.
Zwi Rappoport von der Jüdischen Gemeinde Dortmund hielt den ersten Redebeitrag. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Im Vorjahr waren es etwa 715. Auch in Dortmund nehmen die Vorfälle zu. Laut dem Bundesverband RIAS wurden im Jahr 2024 insgesamt 75 Vorfälle gemeldet, was einem Anstieg von 67 Prozent im Vergleich zu 2023 entspricht.

Die meisten dieser Fälle haben einen Bezug zu Israel, befeuert seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Dabei werden teilweise antizionistische und antiisraelische Hetze miteinander verbunden, die oft mit einer antisemitischen Grundhaltung vermischt ist.

Dies griff auch Zwi Rappoport von der jüdischen Gemeinde Dortmund in seinem Redebeitrag vor der Reinoldikirche auf: „Seit dem 7. Oktober tritt Judenhass offener, aggressiver und lauter zutage – oftmals getarnt als Kritik an Israel, tatsächlich jedoch als Hetze gegen Jüdinnen und Juden.“

Banner mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus.“
In Form von Transparenten oder Flaggen zeigten viele Teilnehmende ihr Mitgefühl mit Israel. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Dabei handeln es sich meist um Fälle von Beleidigungen, Nötigung zur Positionierung zu Israels Politik bis hin zu Gewaltandrohungen.

Teilweise treten solche Vorfälle bereits in der Grundschule auf, wie Micha Neumann vom Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus ergänzte. Darüber hinaus kommen sie in verschiedenen Bereichen des Alltags vor – in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz oder sogar im eigenen Wohnumfeld.

Gesellschaftliche Wahrnehmung geht teilweise mit antisemitischen Reaktionen einher

Neben der Zunahme antisemitischer Vorfälle rückte in den Redebeiträgen auch die gesellschaftliche Wahrnehmung des Nahostkonflikts in den Fokus.

Schild auf der Kundgebung, auf dem „Rape is not Resistance“ steht.
Die Hamas verübte bei dem Angriff systematisch Vergewaltigungen, die als gezielte Kriegswaffe genutzt wurden. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

So betonten die Redner:innen, dass das Mitgefühl mit den zivilen Opfern des Krieges in Gaza nicht dazu führen dürfe, die Verantwortung und Ursachen aus dem Blick zu verlieren oder antisemitische Narrative zu verstärken.

„Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass Mitgefühl mit den zivilen Opfern in Gaza verständlich und nachvollziehbar ist“, so Rappoport.

„Aber wenn dabei ausgeblendet wird, dass die Verantwortung für den Ausbruch dieses schrecklichen Krieges allein bei den Terrororganisationen Hamas, Dschihad, Hisbollah und zuletzt bei dem islamistischen Mullah-Regime im Iran zu finden ist, dann führt diese gefährliche Einseitigkeit zu einer Täter-Opfer-Umkehr.“

Alexandra Khariakova während sie auf der Bühne ihre Rede hält.
Ein Redebeitrag wurde von Alexandra Khariakova vom Freundeskreis der Jüdischen Gemeinde für den Kreis Unna e.V. gehalten. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Auch Alexandra Khariakova, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde haKochaw im Kreis Unna, äußerte sich dazu:

„Kaum waren die Nachrichten über das Massaker nach dem 7. Oktober bekannt geworden, begannen bereits die ersten Relativierungen. Doch wer das Massaker des 7. Oktobers relativiert, stellt sich nicht auf die Seite des Friedens, sondern auf die Seite der Täter, die Mord rechtfertigen. Statt Mitgefühlerleben wir Antisemitismus, statt Solidarität erleben wir Schweigen.“

Unsicherheit innerhalb der jüdischen Community auch auf dem Campus erkennbar

Der bestehende Antisemitismus führt vermehrt zu einem unsicheren Gefühl unter der jüdischen Community. Jüdinnen und Juden ziehen sich zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurück.

Hanna Pustilnik auf der Bühne.
Hanna Pustilnik ist Teil der jüdischen Studierendenvereinigung NRW. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Einrichtungen wie Synagogen oder Schulen werden immer stärker bewacht. Auch unter den jüdischen Student:innen mache sich vermehrt eine Unsicherheit auf dem Campus bemerkbar, berichtete Hanna Pustilnik von der Jüdischen Studierendenvereinigung NRW.

„Das ohnehin zurückgezogene jüdische Leben kehrt immer mehr in sich ein. Versammlungen ohne Polizei oder Security sind kaum noch möglich“, so Pustilnik.  „Synagogen, die schon vorher bewacht wurden, stehen nun unter noch strengeren Sicherheitsmaßnahmen. Viele Jüdinnen und Juden meiden die Universitäten, weil sie sich dort nicht mehr sicher fühlen.“

Blick auf die Teilnehmenden der Kundgebung.
Zahlreiche Menschen erschienen zur Kundgebung vor der Reinoldikriche. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Die zunehmende Anspannung zeige sich auch im Alltag, wie sie ergänzte: an Universitäten etwa durch antisemitische Schmierereien oder feindselige Reaktionen auf Solidaritätsbekundungen mit israelischen Opfern.

Der Verband versuche deshalb, jüdischen Studierenden mit einem geschützten Raum in Form eines „Safe Space“ und offener Kommunikation Unterstützung zu bieten, erläuterte die Studentin in ihrem Redebeitrag.

Hoffnung durch Waffenstillstand – Strategien gegen Antisemitismus weiterhin nötig

Trotz der angespannten Lage äußerte Pustilnik auch Hoffnung auf Entlastung. „Vielleicht ist auch die neue Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln und der Waffenstillstand ein Schritt in diese Richtung. Ein Zeichen, dass selbst in der tiefsten Dunkelheit Momente des Lichts möglich sind.”

Bilder der Geiseln der Hamas.
Seit dem Überfall wurden insgesamt etwa 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Hintergrund ist die am 9. Oktober 2025 getroffene Einigung im Nahostkonflikt. Die israelische Regierung und die Hamas haben im ägyptischen Scharm el-Scheich mit Vermittlung der USA, Ägyptens, Katars und der Türkei einen Waffenstillstand und eine Geiselfreilassungs-Vereinbarung beschlossen. Inwiefern diese umgesetzt werde, sei dabei noch abzuwarten.

Ruth Nientiedt, Geschäftsführerin der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Dortmund e.V., appellierte in ihrem Redebeitrag im Kampf gegen den Antisemitismus an den Ausbau von Strategien und Konzepten sowie an die Verantwortung der Kirchen.

Ruth Nientiedt auf der Bühne vorm Mikrofon.
Ruth Nientiedt von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Sie wies darauf hin, dass es bereits Konzepte und Strategien wie den internationalen 5-Punkte-Plan gegen Antisemitismus gebe, der Handlungsfelder wie Bildung, Sichtbarkeit jüdischen Lebens, Rechtsschutz und Partnerschaften benenne, die jedoch noch breit umgesetzt werden müssten.

Besonders die christlichen Kirchen trügen eine historische Verantwortung, da frühere Lehren gegenüber dem Judentum den Boden für modernen Antisemitismus gelegt hätten.

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