
Kamal Touati wollte aus seinem Leben etwas machen und kam 2016, als Student, nach Deutschland. Heute arbeitet der 29-Jährige als Pflegefachkraft im Knappschaftskrankenhaus in Lütgendortmund und unterstützt seine Familie in Marokko.
Aufwachsen ohne Perspektive – wenn Chancen fehlen
Geboren und aufgewachsen in Marokko, waren Kamals Zukunftsaussichten damals bescheiden: „Als Angehöriger der Unterschicht hast du kaum Chancen. Studieren ist fast ausgeschlossen. Die einzige Option war Armee oder Polizei.“

Nachdem ihn das Militär abgelehnt hatte, fasste er den Entschluss, im Ausland zu studieren. In der Schule hatte er einige Jahre Deutsch als Fremdsprache gelernt, also entschied er sich für Deutschland.
„Eigentlich wollte ich zuerst zu meiner Tante nach Frankreich. Mir wurde aber geraten, mein Visum für Deutschland zu beantragen, weil das Land bessere Perspektiven bieten soll.“
Kamal erhielt zwei Studienzusagen: eine aus Dortmund und eine aus Süddeutschland. Touati entschied sich für Dortmund, weil er hier schon Freunde hatte. „Die Vorstellung, ganz allein in einem fremden Land zu sein, hat mir Angst gemacht.“ 2016 kam Kamal schließlich nach Deutschland.
„Es war wirklich schwer für mich. Die Sprache konnte ich zwar schon, aber ich musste mich auf eine ganz neue Kultur einstellen. In Marokko kennt man die Leute, die in derselben Straße leben. Und hier kenne ich meine Nachbarn nicht einmal. Das Gefühl war fremd“, berichtet Kamal Touati.
Vom Hörsaal auf die Station – neue Chancen statt aufgeben
In Dortmund angekommen, verbrachte er die ersten Monate bei seinen Freunden. Neben seinem BWL-Studium suchte er sich einen Minijob. Eine Voraussetzung für das Visum war ein Sperrkonto mit genügend Geld.

„Das Geld dafür hatte ich mir geliehen, also musste ich meine Schulden schnell wieder abbezahlen.“ Er fand Arbeit in einer Lagerhalle, doch das Studium brach er bereits nach wenigen Wochen ab. „Ich hab das Studium unterschätzt. In Deutschland zu studieren konnte ich mir, nach dieser Erfahrung, nicht mehr vorstellen.“
Damit drohte ihm die Abschiebung. Fatma Karacakurtoğlu, Vereinsvorsitzende von Train of Hope, riet ihm dazu, eine Ausbildung zu beginnen. „Mit einer Ausbildung würde ich mein Visum nicht verlieren“, erzählt der 29-Jährige.
2017 begann Touati eine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft: „Eigentlich war es mein Traum, Politikwissenschaft zu studieren. Aber dafür hab ich keinen Platz bekommen – und in Deutschland studieren war schwer für mich. Die Pflegeausbildung hat mir am Ende auch Spaß gemacht.“
Erfolg, der auch anderen zugutekommt
2020 war er mit der Ausbildung fertig und begann als Pflegefachkraft im Knappschaftskrankenhaus in Dortmund-Brackel zu arbeiten. „Geduld ist in meinem Berufsalltag besonders wichtig. Ich pflege kranke Menschen, da muss man ruhig und einfühlsam sein.“ Seit vier Jahren ist er in Lütgendortmund tätig. Zu seinen Aufgaben gehören die Patientenvorsorge, Medikamentenvergabe, Wundversorgung sowie die Grundpflege.

„Als Pflegekraft bekomme ich viel Zuspruch und Anerkennung, aber ich muss im Alltag auch viel einstecken – vor allem Rassismus“, berichtet Kamal Touati. „Einmal war ich feiern und wurde plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, ich solle keine Frauen begrapschen. Vollkommen unbegründet.“
Erst in solchen Momenten wurde ihm bewusst, wie sehr er Vorurteilen ausgesetzt ist. Dennoch lässt er sich davon nicht entmutigen.
„Solche Momente motivieren mich noch mehr, erfolgreich zu sein. Ich möchte beweisen, dass nicht jeder Migrant gefährlich ist oder nichts leistet. Ich bin nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten, weil ich in meinem Heimatland keine Perspektive hatte. Und deshalb möchte ich auch etwas zurückgeben an das Land, das mir eine Chance eröffnet hat“, betont Touati. „Mein Vater konnte dank meiner Unterstützung in Rente gehen und ich helfe meiner Familie finanziell.“
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