
Jamil Alyou flüchtete im August 2015 aus seiner Heimatstadt Latakia in Syrien nach Dortmund. Heute ist er Sozialarbeiter und Berater für Familien und Jugendliche im Dienstleistungszentrum Migration & Integration der Stadt Dortmund (MigraDo).
Warum Syrien kein Zuhause bleiben konnte
In Syrien studierte Alyou Elektrotechnik und war stolzer Pfadfinder – „Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder!“ Er sagt, er habe nur gute Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in Syrien. Aber nach der Revolution sah er sich vom Regime verfolgt und flüchtete vor dem Krieg. Deutschland war nicht sein Ziel, hierher brachte ihn die Balkan-Route.

Dortmund ist nun seit zehn Jahren sein Zuhause.
2015 herrschte eine einladende, freundliche Stimmung gegenüber den Geflüchteten, erzählt er. Die Zeit war für ihn aber auch herausfordernd.
Alyou war nicht allein in Dortmund angekommen. Er musste für andere Menschen in der Flüchtlingsunterkunft übersetzen. Er konnte zwar noch noch kein deutsch, aber er konnte sich und anderen Geflüchteten mit seinen Englischkenntnisse helfen.
Die größte Herausforderung blieb aber: Ohne Deutschkenntnisse den Weg durch die deutschen Behörden finden. Doch viele Menschen halfen ihm, vor allem ehrenamtliche Helfer:innen.
Der Job als Sicherheit und Heimatsuche
In seinem ein ersten deutschen Job in Bielefeld arbeitete er mit erneuerbaren Energien – passend für einen Elektrotechniker. Schnell erkannte er aber, dass er hier nicht mit Leidenschaft am Werk war. Er traute sich an ein neues Studium.

In sozialer Arbeit fand er sich wieder und konnte auch wieder aus Interesse an der Sache arbeiten, statt nur um den Alltag zu verdrängen. Jetzt als Berater bei MigraDo schätzt er besonders den direkten Kontakt zu seiner Kundschaft und den spürbaren positiven Einfluss, den er auf sie hat. In seinem Arbeitsalltag hört er gerne zu und sucht mit seinen Klienten gemeinsam Lösungen, damit deren Familienleben gelingt.
Bei Train of Hope engagiert er sich neben der Arbeit. Hier fand er seine zweite Heimat, und es war der erste Ort, wo er sich frei entfalten konnte. Ehrenamtlich ist er auch beim Refugee Advisory Board Germany tätig und berät die Politik zu Fragen zu Migration und Flucht.
Wie die Politik die Gesellschaft ändert
Das Eingewöhnen war nicht einfach, aber machbar, sagt er. Oft ist er noch heute mit Vorurteilen konfrontiert, vor allem wegen seines Aussehens. Diesen Leuten begegnet er mit einem Lächeln und versucht häufig auch in den Dialog zu treten, um mit den Vorurteilen aufzuräumen.

Er wünscht sich mehr Toleranz, Dialog und menschlichen Umgang und dass Leute sehen, dass Geflüchtete auch nur Menschen sind. Sie kommen mit Skills und Expertise, nicht nur mit Problemen.
Die aktuelle Remigrationsdebatte kritisiert er. Hier gehe es nicht um Migranten oder Leute auf der Flucht, sondern um die Rechtfertigung deutscher Politik.
Die heutige Stimmung sei zudem prekär. Es wirkt, als seien die Lehren der Geschichte vergessen. Warum ist das Leid in der Vergangenheit nicht mehr präsent – sowie die Rolle der Demokratie?
Über das Gefühl des Ankommens
Jamil Alyou stellt sich nun zumeist als „syrischen Dortmunder“ vor. Das gibt ihm das Gefühl, angekommen zu sein. Er möchte dort sein, wo er etwas bewirken kann. Erfolgreich war er, wenn er nach seinem Tod eine Spur in der Welt hinterlässt, etwas verändert hat, sagt er.

Das Wichtigste: Immer alles versuchen und nicht erschrecken lassen von Ablehnung, Vorurteilen und anderen Hürden. „Wir schaffen das!“ Er hat’s geschafft. Ob die Gesellschaft, das „wir“, es geschafft hat, kann er nicht beantworten und seiner Meinung nach kann das niemand.
Dieser Satz ist ein als Gesellschaft gesetztes Ziel und ein Versprechen, für das jeden Tag gearbeitet werden muss, sagt er. Alyou selbst hat Angela Merkel 2019 im Schloss Bellevue getroffen, als er beim Neujahrempfang des Bundespräsidenten war. Damit ehrte Deutschland sein ehrenamtliches Engagement. Er sagt, er hofft ebenso wie Angela Merkel auf eine offene Gesellschaft.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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Erfolgreiche Beispiele für Integration in Dortmund: „Ja – wir haben es geschafft!“