
In der Nacht des 2. auf den 3. August 1944 wurden in Auschwitz-Birkenau rund 3.000 Sinti und Roma (Sinti:zze und Rom:nja) ermordet. Daran erinnerten am Wochenende gleich zwei Veranstaltungen, die neben dem Blick zurück auch alle die Gegenwart in den Blick nahmen. Auf beiden Veranstaltungen wurde deutlich: Auch heute werden Sinti:ze und Roman:ja weiterhin ausgegrenzt und stigmatisiert.
Gedenkort näher an den Ort der Deportation gebracht
Die erste Veranstaltung fand am neuen Standort des Gedenksteins statt, der an die Deportation der letzten Sinti:zze und Rom:nja aus Dortmund nach Auschwitz-Birkenau erinnert. „Hier verliefen die Gleise die früher zum Ostbahnhof führten“, erklärte Bürgermeister Norbert Schilff (SPD). ___STEADY_PAYWALL___

In seiner Rede anlässlich des 81. Jahrestags der Ermordung der letzten gefangenen Sinti und Roma betonte Schilff außerdem die Notwendigkeit, als Stadtgesellschaft für die Inklusion der Sinti:ze und Roman:ja-Communities weiter einzustehen.
„Die Verantwortung zur Erinnerung an diese Gräuel liegen auch beim Staat und bei der Stadt“, erklärt der Bürgermeister Schilff. Zu lange habe der Staat den Völkermord an den Sinti:zze und Rom:nja nicht anerkannt.
„Der Kampf um die Anerkennung unseres Schicksals war ein langer und harter“
Roman Franz, Vorsitzender des Landesverbands der Sinti und Roma NRW, erinnerte ins einer Rede daran, dass die damalige Bundesrepublik Deutschland den Genozid an den Sinti:zze und Rom:nja erst 1982 offiziell als Bürgerkrieg anerkannte. „Der Kampf um die Anerkennung unseres Schicksals war ein langer und harter“, so Franz.

Außerdem blickte er zurück in das Jahr 1998, in der das neueingeweihte Denkmal zum ersten Mal an anderer Stelle (in der Nähe der Weißenburger Straße) eingeweiht wurde. „Kein Mensch wollte damals ein Mahnmal, niemand hat sich dafür interessiert“, rief Franz aus.
Dass es heute wieder Parteien gebe, die alte Ressentiements aufwärmen, um auf Kosten von Minderheiten Politik zu machen, dürfe nicht sein: „So hat es damals angefangen und so fängt es heute wieder an“, warnt Franz in seiner Rede.
„Wie viele Träume hätten leben können?“
„Wie viele wären wir heute, wenn unsere Menschen nicht gestorben wären?“, fragte Amdrita Jakupi vom Dortmunder Verein „Romano Than“ und richtete den Blick auf die Gegenwart: „Eine Demokratie, die nicht ihre Minderheiten schützt, ist keine Demokratie.“

Heute sei es immer noch normal, gegen Sinti:zze und Rom:nja zu hetzen, vor allem von Seiten der AfD. Dies dürfe man aber in einer Demokratie nicht zulassen. Außerdem müsse viel mehr über den Völkermord an den Sinti:ze und Roman:ja aufgeklärt werden – Schüler:innen wüssten heutzutage immer noch viel zu wenig darüber.
In Dortmund sei das Haus der europäischen Roma, erklärte Jakupi. „Wir sind nicht am Überleben, sondern hier um die Gesellschaft aktiv mitzugestalten.“ Sie forderte ferner, dass die Unterstützung der Stadt Dortmund für Romano Than mit dem Jahr nicht enden soll, sodass der Verein weiter seine Bildungsarbeit zur Aufklärung fortsetzen könne.
Vom „vergessenen Holocaust“ an den Sinti:zze und Rom:nja
Das Bündnis Dortmund Gegen Rechts veranstaltete am gleichen Tag eine Gedenkveranstaltung zum „vergessenen Holocaust“ an den Sinti:zze und Rom:nja, eine Formulierung von Zoni Weisz, der diesen Begriff durch seine Rede vor dem Bundestag im Jahre 2011 prägte.

Diese Rede wurde in Auszügen von Claus-Dieter Clausnitzer verlesen. Janine Rutkowski las Gedichte der Sinti und Roma, musikalisch begleitete die Veranstaltung George Velikov.
Roman Franz war auch hier anwesend und beantwortete Fragen aus dem Publikum zum Thema Sinti:zze und Rom:nja. Dabei kam es zu einer kurzen Kontroverse, als eine Person aus dem Publikum fragte, was der Unterschied zwischen Sinti:ze und Roman:ja sei.
Darauf entgegnete eine andere Person, dass sie diese Frage „respektlos“ finde, da heutzutage dieses Wissen, vor allem durch das Internet, dauerhaft verfügbar sei. (die Definition des Landesverbands gibt es (hier).
500.000 Sinti:ze und Roman:ja starben unter der NS-Herrschaft
Dem entgegnete Franz auf dem Podium, dass es ihm lieber sei, wenn diese Fragen ihm gestellt würden, anstatt im Internet womöglich auf falsche Informationen zu stoßen.

Ein kurzer Moment, der doch tief blicken lässt: das Wissen rund um den Völkermord an den Sinti:zze und Rom:nja bleibt auch nach mehr als acht Jahrzehnten nach dem Völkermord nicht so weit verbreitet. Die Auseinandersetzung mit dem Thema und die Erinnerung daran bleibt weiterhin notwendig.
In der Nacht des 2. August 1944 wurden 4300 Sinti und Roma im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der SS in die Gaskammern getrieben und ermordet. Insgesamt starben 500.000 Sinti:zze und Rom:nja während der NS-Herrschaft. Den Völkermord erkannte Westdeutschland erst 1982 an.
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