Vom Parkplatz in den Zauberwald: Ein Tag im Leben der Waldgruppe der Kita Abenteuerland

Wie Kinder in Dortmunds erster Waldgruppe wachsen, lernen und staunen

Baumstämme statt Sofas und Lehm statt Plastik: In der Waldkita erleben Kinder Natur hautnah – in allen vier Jahreszeiten bei Wind und Wetter. Foto: Romina Hille für Nordstadtblogger.de

In der Dortmunder Kita „Abenteuerland“ gibt es eine besondere Gruppe: die „Waldgruppe“ verbringt ihren Alltag ausschließlich draußen – bei Sonne, Regen und Schnee. Dort, wo Moos, Äste und Lehm das Spielmaterial sind, entdecken die Kinder nicht nur die Natur, sondern auch sich selbst neu. Ein Besuch zeigt, wie viel Bildung, Bewegung und Begeisterung in einem Tagesablauf ohne Wände steckt.

Ein alter Wunsch erwacht endlich zur Wirklichkeit

Die Idee einer Waldgruppe trug Renate Sobottka, Tagesmutter bei der Kita Abenteuerland, die seit vielen Jahren Kinder begleitet, schon lange mit sich. Vor drei Jahren begannen erste Gespräche mit Dr. Eva Barrenberg, der Geschäftsführerin des Frauenzentrums Dortmund.

Ziel war es, eine Gruppe zu gründen, die das ganze Jahr über bei jedem Wetter mitten im Wald unterwegs ist. Doch bis es so weit war, mussten einige Hürden genommen werden. Die Anforderungen an Sicherheitskonzepte und Genehmigungen sind hoch – und besonders in Dortmund erwies es sich als schwierig, überhaupt einen geeigneten Wald zu finden.

Im Sommer war es dann endlich so weit. Mit der Kita Abenteuerland wurde ein passender Träger und im angrenzenden Rahmer Wald ein geeigneter Platz gefunden. Außerdem absolvierte Ruth Hedges, die Leiterin der Gruppe, eine Fortbildung im Bereich Waldpädagogik.

Besonderer Personalschlüssel: Sechs Kinder und vier Fachkräfte

Eine kleine Gruppe von derzeit sechs Kindern, betreut von vier Fachkräften – darunter auch Sobottka – startet seither jeden Morgen an einem Parkplatz in der Nähe der Büschstraße im Stadtteil Huckarde. Dort verabschieden sich die Kinder von ihren Eltern, bevor sie sich gemeinsam auf den Weg in den „Zauberwald“ machen. Der Ort ist liebevoll so benannt – ein geschützter Platz, an dem die Kinder spielen, lernen und sich ausprobieren.

(v.l.) Renate Sobottka, Ruth Hedges und Corinna Seitz betreuen die Waldkitagruppe und sorgen für ein unvergessliches Lernerlebnis. Foto: Romina Hille für Nordstadtblogger.de

Das Konzept sieht dabei vor, den Kindern nicht nur einen außergewöhnlichen Spielort, sondern auch einen besonderen Lernraum zu bieten. Bewegung ist dabei ein zentrales Element: Die Kinder sind fast den ganzen Tag in freier Bewegung – sie laufen, balancieren, klettern und erforschen ihre Umgebung.

Gleichzeitig erleben sie den Wechsel der Jahreszeiten unmittelbar mit. Sie beobachten, wie sich Bäume und Pflanzen verändern, begegnen Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum und entwickeln ein Gefühl für Wetter, Kälte, Wärme und Licht. Die Natur wird so zum Bildungsraum, in dem Kreativität, Selbstständigkeit und Achtsamkeit ganz von selbst gefördert werden – Tag für Tag, bei jedem Wetter.

Ein Kita-Tag zwischen Wimpelkette und Waldboden

Wie so ein Tag im Wald konkret aussieht, zeigt sich beim Besuch im Zauberwald. Der Morgen beginnt mit einem festen Ritual: Nach dem Sammeln am Parkplatz Rahmer Wald um 8 Uhr macht sich die Gruppe mit mehreren kleinen Haltepunkten auf den Weg. Schon unterwegs wird entdeckt, gefragt, benannt – eine Schnecke wird vorsichtig mit einem Blatt gerettet, Baumarten erkennen die Kinder längst von selbst. Am Platz angekommen, markieren bunte Wimpel das Spielfeld. Das Frühstück findet – eingehüllt in Decken – auf Baumstämmen statt. Danach folgt der Morgenkreis mit Liedern, Bewegungsspielen und „Waldi“, dem Stofftier-Maskottchen.

Mit Lehm werden u.a. Futterstationen für Tiere gebaut. Dabei erleben die Kinde den gesamten Prozess. Foto: Romina Hille für Nordstadtblogger.de

Im anschließenden Freispiel erkunden die Kinder den Wald, balancieren auf Ästen oder bauen fantasievolle Konstruktionen aus Naturmaterialien: ein Vogelhaus, eine Lehm-Murmelbahn oder kleine Mooslandschaften. Wer mag, zieht sich zurück – doch meist wird gemeinsam gespielt.

Auch auf praktische Bedürfnisse ist der Alltag vorbereitet: Eine Kompost-Toilette mit Sichtschutz steht in einem abgesteckten Bereich bereit. Die Kinder nutzen sie selbstverständlich – Berührungsängste? Keine Spur.

Um 11.15 Uhr räumen alle gemeinsam auf, um nichts im Wald zurückzulassen. Dann gibt es Mittagessen unter freiem Himmel oder bei schlechtem Wetter im Schutzraum. Die Erzieherinnen erzählen zum Tagesabschluss eine kleine Geschichte, spielen mit den Kindern oder führen eine Traumreise durch. Dann holen die Eltern die Kinder gegen 13 Uhr ab, die voller Eindrücke, mit dreckigen Hosen, aber strahlenden Augen nach Hause gehen.

Lernen mit allen Sinnen in der Natur sorgt für Ausgeglichenheit

Der Aufenthalt im Freien hat spürbare Auswirkungen auf die Kinder – das berichtet das Team übereinstimmend. Durch das tägliche Klettern, Greifen und Balancieren verbessert sich die Motorik deutlich. Auch sprachlich profitieren die Kinder: Beim gemeinsamen Spiel mit Naturmaterialien wird verhandelt, erklärt und gefragt – ganz nebenbei, aber intensiv.

Auch in der Natur gibt es klare Regeln für die Kinder. Foto: Romina Hille für NORDSTADTBLOGGER

Besonders auffällig ist die wachsende Selbstständigkeit. Da es im Wald keine Ersatzmaterialien gibt, lernen die Kinder schnell, an alles zu denken – vom Becher bis zur Regenhose. Sie übernehmen Verantwortung für ihre Ausrüstung und helfen einander, wenn etwas fehlt.

Die Kinder gehen auch im Umgang mit der Natur achtsam um: Sie reißen keine Pflanzen aus, beobachten Tiere, ohne sie zu stören, und füllen Lehmvogelhäuser mit Mehlwürmern – ein spannendes Detail, das sie ganz selbstverständlich akzeptieren. Scheu vor Matsch, Insekten oder kleinen Krabbeltieren? Fehlanzeige.

Und wenn es regnet? Dann ist Matschspielen angesagt. Bei schlechtem Wetter schützt eine große Plane, bei Sturm oder Dauerregen steht ein Raum an der Büschstraße bereit.

Doch sobald es möglich ist, zieht es die Gruppe wieder nach draußen. Denn der Wald ist längst mehr als ein Spielort – er ist zu einem vertrauten Stück Alltag geworden.

Eltern freuen sich auf längere Betreuungszeiten ab Sommer

Auch eine Mutter bemerkt die positiven Veränderungen. Anna Engelhardt hat zwei Kinder in der Waldgruppe und erzählt, wie sehr sich der Alltag ihrer Familie gewandelt hat. In der vorherigen Regel-Kita wirkte ihr älterer Sohn nachmittags oft unausgeglichen – heute kommt er ruhig und zufrieden nach Hause.

Foto: Romina Hille für Nordstadtblogger.de

Dass er sich im Wald frei bewegen, laut sein oder sich zurückziehen kann, tue ihm gut. Auch Bastelarbeiten und Erzählungen von Abenteuern im Wald seien für die Familie etwas Besonderes geworden. Die Natur ersetzt das Spielzeug, sagt Engelhardt – und das völlig problemlos.

Ab Sommer bauen die Verantwortlichen das Angebot weiter aus: Sie betreuen dann bis zu 20 Kinder und erhöhen die Betreuungszeit von derzeit 25 auf 30 Wochenstunden. Für interessierte Familien ist eine Anmeldung weiterhin möglich.

Anna Engelhardt blickt positiv auf die geplanten Veränderungen: „Ich freue mich, wenn die Gruppe so bestehen bleibt. Auch mit mehr Kindern ist der Betreuungsschlüssel weiterhin sehr gut – und draußen ist ja genug Platz.“

Mehr Informationen:

  • Anmelden können Eltern ihre Kinder über das Kita-Portal Dortmund (Notiz „Waldgruppe“ soll angegeben werden) oder persönlich bei der Kita Abenteuerland in der Fuchteystraße 6.
  • Bei Fragen kann die Kita telefonisch unter 023117728871 erreicht werden. 

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