
Von Gernot Schwarzdorn
Nepal, Land im Himalaya zwischen Tibet und Indien, das gerade eben erst politisch wieder zur Ruhe gekommen ist, ist ein Land der Gegensätze und Herausforderungen. Diese spiegeln sich sowohl im vorherrschende Kastensystem der Gesellschaftsgruppen wie aber auch in der Rolle der Frauen wieder. Der Dortmunder Verein „Ganesh Nepalhilfe“ macht es sich seit über zehn Jahren zur Aufgabe, den Menschen in Nepal zu helfen. Neben der dauerhaften Unterstützung eines Kinderheims für behinderte Kinder in Kathmandu und der Unterstützung bei akuten Notsituationen im Land, kümmert sich der Verein vor allem um Hilfe für Frauen und Mädchen in Kooperation mit ihrem nepalesischen Partnerverein.
Die Rolle der Frau in der nepalesischen Gesellschaft
Um ein Gefühl für die Arbeit und vor allem die Notwendigkeit der Hilfe zu geben, sind Zahlen und ein grundlegendes Verständnis der dortigen Gesellschaftsstrukturen notwenig. Ein Projekt des Vereins in Kathmandu dient der Herstellung von Hygienebinden für Frauen und Mädchen, die in eigenen Werkstätten von nepalesischen Frauen hergestellt werden.

So wurden im Jahr 2024 insgesamt 2455 Sets a sechs Hygienebinden produziert und verteilt. Im Jahr 2025 sind es bisher 2131 Sets a 6 Hygienebinden. Insgesamt hat der Verein in den letzten beiden Jahren somit weit über 27.500 waschbare Hygienebinden verteilt und damit über 4500 Frauen und Mädchen in Nepals Dörfern versorgt und zu gleich aufgeklärt.
Hinter diesen Zahlen des Projektes „Ganesh Women“ in Kathmandu verbirgt sich wesentlich mehr als nur die reinen Zahlen. Denn die Rolle der Frau in der nepalesischen Gesellschaft und dem religiös geprägten Kastensystem ist bestimmt von Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Diskriminierung.
Die patriarchalische Mann-Frau-Beziehung und die ungleiche Machtverteilung zwischen den Geschlechtern prägt die Gesellschaft und somit den Alltag. Frauen und Mädchen sind der Autorität der Väter und Ehemänner unterworfen und haben weder die gleiche Bildungschancen noch die Möglichkeit, sich selbst zu empowern, zu behaupten. Töchter gelten in der nepalesischen Gesellschaft als Last. Sie werden nicht als vollständiger Teil der Familie angesehen, da sie ohnehin zur Familie ihres Bräutigams ziehen werden. Deshalb investieren Familien weniger in die Ausbildung ihrer Töchter. Noch prekärer ist die Situation, wenn die Familie eines Mädchens arm ist, marginalisiert wird oder auf dem Land lebt.
Stigmatisierung und Ausgrenzung durch Menstruation
Dazu kommt das traditionelle Wegsperren der Frauen während der Monatsblutung. „Chaupadi“, übersetzt „unberührbares Wesen“, nennt sich die in allen Kasten des Hinduismus verwurzelte Praxis. Mädchen und Frauen gelten in dieser Zeit als unrein und werden während der Monatsblutung aus dem Haus oder Dorf verbannt und müssen in einem Viehstall oder einer sogenannten Menstrubationshütte leben.

Zudem ist es ihnen verboten, andere Menschen und die meisten Lebensmittel zu berühren und so dürfen sie sich nur von Brot und Salz ernähren. Dazu kommen die Bildungsnachteile, da sie in dieser Zeit weder lesen noch schreiben dürfen und die Schule nicht besuchen. Zwar gibt es seit 2005 ein Gesetzt, das die „Chaupadi“-Praktik verbietet – doch ist der Glaube so tief in der Gesellschaft verwurzelt, dass der Brauch in vielen Gebieten, besonders im mittleren und tiefen Westen Nepals, noch immer stark verbreitet ist.
Zu der Stigmatisierung und Ausgrenzung, sowie den geringen Wissen über die Periode, kommt noch die Armut. Die regelmäßige Anschaffung von Hygieneprodukten ist eine große finanzielle Belastung, wenn es überhaupt den Zugang für Produkte der Monatshygiene gibt. Als Ergebnis dessen behilft man sich mit alten Stofflappen, Kleiderfetzen oder gepresstem Stroh.
Ein Projekt aus Dortmund: Binden, Aufklärung und Empowerment
Doch damit muss man sich nicht abfinden. Dies dachten sich auch Mitglieder des Dortmunder Vereins Ganesh Nepalhilfe e.V. und seines nepalesischen Partnervereins. So entstand die Idee zu „Ganesh Women“. „Wir rufen deshalb seit 2021 Projekte ins Leben, die explizit Frauen unterstützen. Wir schützen Frauen und Mädchen in Nepals Dörfern vor der Ausgrenzung zur Zeit ihrer Menstruation und wir leisten Aufklärungsarbeit“, erklärt Dori Rindle von Ganesh Nepalhilfe.

Dabei geht es auch darum, das schambesetzte Thema der Menstruation zu enttabuisieren und die Angst davor zu nehmen. „Wir nehmen uns Zeit zur Aufklärung, aber auch zur Evaluation. So fahren wir Verteilungsorte nach einer Zeit erneut an, um Feedback einzuholen und uns die Ideen zur Verbesserung der Binden von den Expertinnen selbst anzuhören, die Frauen, denen die Binden zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung verhelfen“, ergänzt Rindle.
Es ist sehr wichtig, dass es sich hier um aufsuchende Arbeit handelt, bei der das Gespräch über die Binden, deren Nutzung und Reinigung und das Thema Menstruation an sich, einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Zumal die waschbaren Binden den Frauen Schutz und Freiheit schenken – auch, weil es in den Dörfern keine Geschäfte gibt, in denen man Hygieneprodukte wie Binden oder Tampons erwerben kann.
So wurden bisher über 4.500 Sets Binden hergestellt und in Dörfern verteilt. Sechs Binden und ein Stück Seife bilden das kostenlose Hygienepack in einem ebenfalls selbstgenähten Stoffbeutel. Die Binden aus Baumwollfliess, deren Zuschnitte selber gemacht werden, sind wiederbenutzbar und halten etwa ein Jahr. Aus dem selben Stoff werden übrigens auch die traditionelle Hüte der nepalesischen Männer, die Dhaka Topi, hergestellt. Doch es geht nicht nur um die Verteilung von Binden in den Dörfern Nepals.
Eine sichere Arbeit, die Bildung und Selbstständigkeit fördert
Die Binden selber werden bereits von Frauen hergestellt, die aus kleinen Dörfern der Region kommen. In einem 2021 entstandenen Frauenprojekt in Kathmandu, das zum Vereinskonstrukt „Ganesh Women“ gehört, werden in der eigenen Werkstatt die Hygienepakete hergestellt. Aktuell nähen fünf Frauen an fünf Nähstationen die bunten Binden. Sie alle kommen aus besonders stark belastenden Verhältnissen aus Dörfern der Region und die Arbeit im Frauenprojekt bietet Ihnen eine sichere, fair entlohnte Arbeitsstelle, Unabhängigkeit und einen geschützten Raum zum Wohlfühlen. Die Frauen werden hier wirtschaftlich und menschlich gestärkt. „Wir ermöglichen all unseren Mitarbeiterinnen, neben ihrer Arbeit, die ihnen Schutz und Selbstständigkeit verleiht, auch lesen und schreiben zu lernen“, so Rindle.

Seit 2024 erhalten die Näherinnen jeden Freitag während der Arbeitszeit Unterricht. Hintergrund ist, dass knapp die Hälfte aller Nepalesinnen weder lesen noch schreiben kann. Seit diesem Jahr erhalten sie zusätzlich noch Unterrichtsstunden in Englisch und Erste Hilfe. Die Arbeit soll nicht nur erfüllend sein und Geld für die Familie sichern, sie soll auch Freiheit schenken. Dazu gehört auch die Einrichtung von Konten für jede der Näherinnen, mit eigener Bankkarte – was für die Nepalesinnen völlig unbekannt war und zu großer Freude führte.
Es sind kleine Schritte, die hier nach und nach gegangen werden. Doch es wichtig, dass die Menschen, vor allem die Frauen, in Nepal verschiedenste Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Lebenssituation erhalten – und sie die Chance bekommen, ihr Leben eigenständig zu ändern bzw. zu verändern. „Man muss das Land verstehen, um zu helfen – etwas zu verändern, ist die Aufgabe der Menschen vor Ort“, hält Dori Rindle fest.
Mehr Informationen:
- Der Dortmunder Verein „Ganesh Nepalhilfe e.V.“ mit Sitz im Depot hat sich vor elf Jahren gegründet. Die enge Kooperation mit dem Partnerverein vor Ort hilft, Gelder und Sachspenden schnell, zuverlässig, transparent und vor allem bedarfsgerecht in Nepal einzusetzen. Weiteres unter: www.ganesh-nepalhilfe.org.