Das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in NRW veröffentlicht die Jahresbilanz 2025

Rechte Gewalt und Radikalisierung junger Menschen nehmen zu

Demobanner mit der Aufschrift: „Es reicht! Gegen Rechte Gewalt“.
Besonders rechte Gewalt nimmt laut dem Beratungsnetzwerk stetig zu. Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in NRW zieht für das Jahr 2025 eine Bilanz: Rechtsextreme, rassistische, antisemitische sowie queerfeindliche Positionen in Teilen der Öffentlichkeit nehmen deutlich zu. Ebenso steigen die Fallanfragen bei den Beratungsstellen im Kontext rechter Gewalt, zu denen immer mehr jüngere Rechtsextreme gehören. Eine Entwicklung, die aus ihrer Sicht besorgniserregend ist und die Herausforderungen weiter steigen lässt.

Gesellschaftliche Normalisierung rechter Positionen verändert das öffentliche Klima

Laut dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in NRW lässt sich die Zunahme rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und queerfeindlicher Positionen unter anderem besonders auf die politische Landschaft zurückführen.

AfD-Kundgebung nach den Morden in Würzburg.
Die Wahlerfolge der AfD in NRW tragen laut Beratungsnetzwerk zur gesellschaftlichen Normalisierung rechter Positionen bei. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Besonders sichtbar werden diese nämlich durch die kommunalpolitische Präsenz der AfD nach den Wahlen 2025, aber auch in öffentlichen Debatten und Veranstaltungen. Viele Bürger:innen sowie zivilgesellschaftliche Akteure spüren ein verändertes gesellschaftliches Klima.

„Was wir 2025 erleben, ist eine gefährliche Normalisierung von rechten und menschenfeindlichen Positionen – längst nicht mehr nur am Rand, sondern mitten in der Gesellschaft. Die Wahlerfolge der AfD auf kommunaler Ebene in NRW verschieben Diskurse und schaffen ein Klima, in dem sich rechte Akteure bestärkt fühlen“, so Ronja Heukelbach von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus NRW.

Diese Entwicklung beeinflusst das Sicherheitsgefühl vieler Menschen und hemmt das Engagement von Schulen, Vereinen und Initiativen. Beratungsarbeit werde daher immer häufiger benötigt, stößt aber an die Grenzen der vorhandenen Ressourcen, so Heukelbach weiter.

Gewalt und Einschüchterung durch rechte Akteure nehmen in allen Bereichen zu

Dabei verzeichnen die Beratungsstellen in diesem Jahr nicht nur mehr Fälle rechter Gewalt, sondern auch zunehmend komplexe und brutalere Übergriffe. Digitale Angriffe werden koordiniert, Bedrohungen expliziter, körperliche Übergriffe aggressiver.

Banner zu Thomas Schulz Gedenken 2023
Auch in Dortmund endete rechte Gewalt in der Vergangenheit bereits tödlich. Foto: Leopold Achilles

Besonders während des Kommunalwahlkampfs traten Einschüchterungen gegen Kandidierende, Ehrenamtliche und zivilgesellschaftlich Engagierte auf.

„Wir erleben tagtäglich, wie sich rechte, rassistische, antisemitische, queerfeindliche und andere menschenfeindliche Gewalt weiter zuspitzt. Immer mehr Betroffene suchen nach teils schweren Gewalterfahrungen aktiv die Unterstützung der Beratungsstellen und berichten dabei von einer zunehmenden Enthemmung der Gewalt“, erklärt Fabian Reeker von der Opferberatung Rheinland (OBR) die Situation.

Die steigende Zahl und Intensität der Fälle erhöht den Handlungsdruck auf die Beratungsstellen. Sie müssen schneller reagieren, vor Ort präsent sein und Sicherheitsaspekte berücksichtigen, um den Betroffenen professionelle Unterstützung zu gewährleisten.

Immer mehr Jugendliche geraten in rechtsextreme Strukturen

Ein zentraler Trend, der beobachtet werden konnte, ist das gesunkene Alter der Personen, die in rechtsextremen Strukturen aktiv werden. Viele Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren geraten über soziale Medien, Gaming-Communities und Meme-Kultur mit extremistischer Propaganda in Kontakt.

Symbolbild Social Media
Besonders durch social Media werden junge Menschen für rechte Strukturen mobilisiert. Quelle: Pixabay

Diese niedrigschwellige Ansprache erleichtert den Zugang zu extremen Gruppen und stärkt deren Selbstbewusstsein. Jonas Stapper von der Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW warnt:

„Rechtsextreme Strukturen treten wieder selbstbewusster auf und sprechen gezielt Jugendliche an. Ausstiegsarbeit ist daher wichtiger denn je, braucht aber verlässliche Ressourcen.“

Auch wenn die Beratungsstellen Schulen und pädagogische Einrichtungen unterstützen, stoßen sie zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen berichten von Überforderung, während die Radikalisierung Jugendlicher weiter fortschreitet.

Die Beratungsstellen stoßen aufgrund steigender Fallzahlen an ihre Grenzen

Die stetig steigenden Fallzahlen und die zunehmende Komplexität der Fälle stellen die Beratungsstellen vor große Herausforderungen. Neben der quantitativen Zunahme kommen emotionale Belastung, juristische Fragestellungen und Sicherheitsaspekte hinzu, die Wartezeiten verlängern und präventive Arbeit erschweren.

Das antisemitische Graffiti tauchte kürzlich an der S-Bahn Haltestelle „Do-Universität“ auf. Es zeigt einen Davidstern mit einem Hakenkreuz in der Mitte und dem Schriftzug „the irony of becoming what you once hated“, z.D.: „Die Ironie, das zu werden, was du einst gehasst hast“. Foto: Karsten Wickern

Die Beratungsstellen fordern daher eine verlässliche, langfristige Finanzierung. Nur so könne die Arbeit professionell, zeitnah und nachhaltig geleistet werden und Schutz für Betroffene gewährleistet werden.

„Der Anstieg der Beratungsanfragen zeigt, wie dringend Betroffene Unterstützung brauchen. Ohne eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung können wir diesen Menschen nicht mehr in dem Umfang zur Seite stehen, wie es dringend nötig wäre“, so Reeker.

Weitere Informationen: 

Das Beratungsnetzwerk setzt sich aus den Teams der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in NRW, den Opfer- und Betroffenenberatungen OBR und BackUp sowie der Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW zusammen.


Unterstütze uns auf Steady

 Mehr dazu auf Nordstadtblogger:

Rechtsextreme Netzwerke: Neonazi-Szene lockt Jugendliche mit so genannten „Lagerverkäufen“

Stresstest: Neue Zahlen zu Rechtsextremismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert