Archäologische Funde am Burgtor: Neue Einblicke in Dortmunds mittelalterliche Geschichte

Entdeckungen erweitern das Wissen zur Stadtgeschichte im Norden

Blick auf die Baustelle
Foto: Stadt Dortmund / Roland Gorecki

Bei Bauarbeiten zum neuen „Quartier Burgtor“ in Dortmund sind bedeutende archäologische Funde aus dem Mittelalter entdeckt worden. Hochwertige Keramik, ein bogenförmiger Graben und sorgfältig gemauerte Schächte werfen ein neues Licht auf die frühe Entwicklung der Stadt. Archäolog:innen sehen darin wichtige Puzzleteile für das Verständnis der Stadtwerdung. Auch ein Stück jüngerer Stadtgeschichte wurde vor dem Abriss dokumentiert: das ehemalige „Studio X“.

Archäologische Grabung begleitet Großprojekt in der Nordstadt

Bei den Arbeiten für das neue Quartier zwischen Münsterstraße, Steinstraße und Leopoldstraße hatte die Untere Denkmalbehörde eine archäologische Begleitung angeordnet. Die Grabungen führte die Fachfirma EggensteinExca im Mai und Juni durch, begleitet und überwacht von der Denkmalbehörde. Auch die Zufahrt zur Baugrube soll später noch untersucht werden.

Visualisierung des Quartier Burgtor
So soll das Quartier Burgtor einmal aussehen, wenn es fertig ist. Visualisierung: RKW Architektur +

Das Projekt „Quartier Burgtor“ der LINIM-Gruppe sieht über 18.000 Quadratmeter Mietfläche, eine dreigeschossige Tiefgarage sowie einen Nutzungsmix aus Wohnen, Arbeiten und Nahversorgung vor. Geplant ist außerdem ein Hochhaus mit 18 Geschossen am nördlichen Eingang zur City. Als zentraler Bestandteil des Projekts zieht dort die neue Polizeiwache Nord ein, die auf rund 2.800 Quadratmetern moderne Arbeitsbedingungen schaffen soll.

Die städtebaulichen Vorgaben knüpfen an das „City-Konzept 2030“ an. Dort sind markante Hochhäuser an den ehemaligen Stadttoren vorgesehen, die die historische Struktur aufnehmen und gleichzeitig Orientierungspunkte bilden. Als Pendant könnte auf der Südseite des Burgtors eines Tages ein weiteres Hochhaus entstehen.

Spuren des Mittelalters unter der Nachkriegsbebauung entdeckt

Trotz jahrhundertelanger Überprägung des Geländes konnten Archäolog:innen an mehreren Stellen noch mittelalterliche Strukturen nachweisen. Besonders die entdeckte Keramik aus dem Rheinland unterstreiche die gehobene Stellung Dortmunds im Mittelalter und ihre Bedeutung als Reichs- und Hansestadt mit weiträumigen Handelsbeziehungen. Neben der Keramik kamen ein bogenförmiger Graben und mehrere Gruben zum Vorschein. Anhand des Keramikmaterials lassen sich diese Funde in das 11. bis 14. Jahrhundert datieren.

Archäologische Funde
Das Profil eines der beiden gemauerten Schächte (Blickrichtung Westen). Foto: EggensteinExca / Jan Feldmann

Daraus ergeben sich neue Perspektiven auf die Siedlungsgeschichte im nördlichen Stadtgebiet: Möglicherweise handelt es sich um Spuren einer Besiedlung, die bereits vor dem Bau der Stadtbefestigung bestanden hat. „Wir wissen bislang noch nicht allzu viel über die frühe Phase der Stadtwerdung Dortmunds. Solche Funde sind daher ein wichtiger Baustein, um diese Entwicklung künftig besser nachvollziehen zu können“, erklärt Stadtarchäologe Jan Rosbeck von der Unteren Denkmalbehörde Dortmund.

Außerdem kamen zwei sorgfältig gemauerte Schächte ans Licht, von denen einer aus Bruchstein und einer aus Ziegeln errichtet wurde. Eine Nutzung als Brunnen konnte ausgeschlossen werden. Worum es sich handelt, ist bislang nicht geklärt.

Bedeutung der Ergebnisse für die Stadtgeschichte

„Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass auch in stark überprägten Bereichen noch bedeutende archäologische Befunde erhalten sein können. Gerade hier im Norden der Stadt lagen uns bislang nur wenige Nachweise aus dem Mittelalter vor. Die neuen Funde erweitern unser Wissen erheblich“, ergänzt Stadtarchäologe Tobias Zacharias.

Archäologische Funde
Das Profil einer Siedlungsgrube (Blickrichtung Süden). Foto: EggensteinExca / Jan Feldmann

Die Ausgrabungen wurden fotografisch dokumentiert und per 3D-Scan gesichert. Keramiken und Scherben konnten geborgen werden, andere Funde lassen sich aufgrund der Bautiefe des Neubaus nicht erhalten. Inzwischen laufen die Bauarbeiten weiter, damit anschließend die ersten zwei Bauabschnitte realisiert werden können.

Die Untere Denkmalbehörde hebt die gute Zusammenarbeit mit der Fachfirma EggensteinExca und der Grabungsleitung hervor: Nur durch das enge Zusammenspiel von Bauherrn, Fachfirma und Behörde konnte eine sorgfältige Dokumentation der Befunde sichergestellt werden. Die Ergebnisse werden derzeit noch ausgewertet und archiviert. Fest steht aber, dass sie einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der mittelalterlichen Stadtentwicklung Dortmunds leisten werden.

Standort des „Studio X“ jetzt bereit für eine neue Geschichte

Die Denkmalbehörde hat sich vor dem Abriss des alten Gebäudebestands, der Platz gemacht hat für das neue Quartier Burgtor auch nochmal das „Studio X“ angesehen. Das berühmteste Pornokino Dortmunds war über Jahrzehnte auch ein Teil der Dortmunder Stadtgeschichte. In den 1970er Jahren wurde es Nachfolger des Deccla-Kino, später Europa-Palast, das nach dem Zweiten Weltkrieg dort entstand. Seit 2017 stand es leer.

Blick auf die Baustelle
Ausgrabungen am neu entstehenden Quartier Burgtor während des Abrisses der alten Gebäude (Blickrichtung Norden). Im Vordergrund sind eine mittelalterliche Grabenstruktur und eine Grube erkennbar. Foto: Stadt Dortmund / Jan Rosbeck

Die Denkmalbehörde hatte das Ziel, gegebenenfalls Einzelteile des Interieurs zu sichern, um sie später auszustellen. Der Dortmunder Fotokünstler Hendrik Müller hat sich vor dem Abriss ein Bild vor Ort gemacht und einen virtuellen Rundgang durch die Räumlichkeiten erstellt. Als Titel des Rundgangs hat sich der Künstler für ein Zitat von Oscar Wilde entschieden: „StudioX oder ‚Die Moral ist immer die letzte Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen.‘”

Auch eine Ausstellung zum Studio X gab es bereits, unterstützt durch das Kulturbüro. Sie war von Mitte Dezember 2024 bis Mitte Januar 2025 in der Hansastaße (HANS A) zu sehen. Konzipiert hatten die Ausstellung die Künstler:innen Silvia Liebig, Achim Zerpezauer und Hendrik Müller, auch der Dortmunder Sprechchor wirkte mit.

Mehr Informationen: 

Unterstütze uns auf Steady

Mehr zur Thema auf nordstadtbogger.de:

Am Burgtor entsteht ein 18-stöckiges Hochhaus: Wohnen für 11,50 Euro pro Quadratmeter

Das Pornokino „Studio X“ ist Geschichte – Der Eigentümer setzt auf eine städtebauliche Aufwertung am Burgtor

 

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert