Auf dem Teller statt in der Tonne: Verein engagiert sich gegen Lebensmittelverschwendung

Veranstaltung am 27. September nimmt die Problematik in den Blick

Mengen an gerettetem Gemüse liegen auf dem Boden verteilt, während die Ehrenamtlichen die Kisten sortieren.
Der Verein Foodsharing e.V. rettet Lebensmittel unter anderem auf Märkten, in Supermärkten, Bäckereien und Discountern. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Jährlich landen in Deutschland etwa elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll – und das, obwohl vieles davon noch genießbar wäre. Um dem entgegenzutreten, engagiert sich der Verein Foodsharing e.V. für die Lebensmittelrettung, darunter auch in Dortmund. Neben der täglichen Arbeit auf Märkten, Discountern, Supermärkten oder Bäckereien möchte der Verein besonders anlässlich des Tags der Lebensmittelrettung am 27. September 2025 im Rahmen einer Veranstaltung auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen.

Wenn der Markt schließt, beginnt die Arbeit der Lebensmittelrettung

Es ist früher Nachmittag auf dem Hansaplatz in Dortmund, die Zeit, in der sich die Stände des Wochenmarktes, der jeden Mittwoch hier stattfindet, langsam dem Ende neigen. Die letzten Waren werden in Tüten verpackt über die Theke gereicht, während sich dahinter schon die ersten Kisten stapeln.

Kisten gefüllt mit Obst.
Nach Feierabend stapeln sich Kisten mit Lebensmitteln, die sonst im Müll gelandet wären. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger.de

Für vier Frauen, die am Rande des Marktes stehen, beginnt jetzt erst ihre Arbeit. Sie sind Ehrenamtliche des Vereins Foodsharing e.V., eines gemeinnützigen Vereins, der sich aktiv gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt.

Sie organisieren die Rettung von unverkauften, aber noch essbaren Lebensmitteln aus verschiedenen Betrieben wie Supermärkten und Bäckereien, die sonst vernichtet würden.

„Wir können uns in 2er-Teams aufteilen“, schlägt Sonja Lenz in der Runde vor, eine der Ehrenamtlichen, während sie den Blick über den Markt schweifen lässt. Sie ist mit dem Fahrrad angereist, gekoppelt mit einem Anhänger, in dem sie im Anschluss die gesammelten Lebensmittel transportieren wird.

Wartend steht sie gemeinsam mit Anna Koolmees, einer weiteren Ehrenamtlichen, vor einem Obst- und Gemüsehändler – eher zurückhaltend, beobachtend. „Wichtig ist, dass wir den Betrieb bei unserer Arbeit nicht stören. Jetzt gerade ist die Lebensmitteleinsammlung schleppend, sobald die Stände aber abbauen, kommen sie alle auf einmal teilweise auf uns zu“, erklärt Lenz.

Vom Einstieg bei Too Good To Go über Kontakte zu Foodsavern hin zum Foodsharing e.V.

Während die Suche auf dem Markt nach abbauenden Ständen weitergeht, erinnert sich Lenz daran, wie sie überhaupt zu der Arbeit gekommen ist. Einen ausschlaggebenden Punkt kann sie nicht genau nennen, erwidert sie schmunzelnd.

Die zwei Ehrenamtlichen Frauen blicken mit der geretteten Ware in lächelnd in die Kamera.
Anna Koolmees (li.) und Sonja Lenz (re.) vom Verein Foodsharing e.V.. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

„Das war zumindest parallel mit Too Good To Go. Ich kann mich noch genau erinnern: Ich war eine der ersten, die das benutzt hat, als es ganz neu war.

Damals musste ich auch einen Quiz machen, unter anderem ein Hygiene-Quiz“, erzählt sie, während die ersten Kisten, gefüllt mit Salat, Radieschen und Artischocken, auf ihren Armen gestapelt werden – kein Anzeichen, als wären sie bereits verdorben.

„Vor etwa zwei Jahren habe ich dann angefangen, bei einem veganen Projekt mitzumachen, da waren viele Foodsaver dabei. Ich hatte die Quizze ja schon hinter mir, und die haben mich motiviert, weiterzumachen. Irgendwann sagten sie dann: Jetzt musst du aktiv werden. Und so bin ich wirklich aktiv bei Foodsharing geworden‘“, berichtet sie. Am Rand des Marktes, auf einer bereits ausgebreiteten weißen Decke, platziert sie die geretteten Lebensmittel nach und nach, während die Kisten langsam leerer werden.

„Manchmal holen wir beim Bäcker zwei Brötchen an einem Tag ab, manchmal aber auch 150“

Es dauert nicht lange, bis sich schließlich alle vier Ehrenamtlichen vor dem ausgebreiteten Tuch wiederfinden, die Lebensmittel sortierend. Kistenweise Pfirsiche, Packungen von Feigen, Artischocken, die verteilt auf dem Tuch liegen, und unzählige Bananen im Karton, die seit Wochen stapelweise abgeholt werden, erzählt Anna Koolmees.

Ansicht der geretteten Lebensmittel von oben.
Mengen an gesammelten Lebensmittel häufen sich an der Sammelstelle. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger.de

Aus welchem Grund, weiß sie selbst nicht genau. Am meisten werden im Allgemeinen jedoch Backwaren weggeschmissen, gefolgt von Obst und Gemüse und anschließend Milch- und Molkereiprodukten, erklärt Lenz.

„Da schießt einem direkt in den Kopf, was man alles damit zubereiten kann, wenn man das alles sieht“, so Lenz, den Blick dabei auf die Lebensmittel gerichtet, die Arme in die Hüfte gestemmt. „Das ist verhältnismäßig sogar noch wenig, was wir hier heute gerettet haben.“

Teilweise finden sich bis zu 150 Tafeln Schokolade wieder, wenn sie im Supermarkt oder Discounter die Lebensmittel abholen, wie sie auf einem Foto auf ihrem Handy zeigt, auf dem die Tafeln demonstrativ in die Kamera gehalten werden.

Beim Wischen zeigt sie ein Video von einer Ausbeute aus mehreren Backwaren und schwenkt mit der Kamera über den Tisch, auf dem sich unzählige Packungen Mehl, Gelierzucker und sonstige Backzutaten befinden. Eine Szenerie, die an einen überfüllten Vorratsraum erinnert. Eine genaue Menge, die durchschnittlich gerettet wird, ist schwer zu nennen, erklären die Ehrenamtlichen. Pro Person schätzungsweise 20–50 kg. „Genau kann man es aber nicht sagen. Manchmal holen wir beim Bäcker zwei Brötchen an einem Tag ab, manchmal aber auch 150“, so Lenz.

Verteilung über die „Fairteiler“: Ein Angebot nicht nur für Bedürftige

Während die verdorbenen oder vermatschten Lebensmittel aussortiert werden, füllt Koolmees bereits den Kofferraum mit Kisten auf. Sie ist die einzige, die an diesem Tag mit dem Auto angereist ist, und kann demnach am meisten transportieren. In erster Linie werden die Lebensmittel zunächst auf die sogenannten „Fairteiler“ aufgeteilt.

Aussortierung von verdorbenen Lebensmitteln.
Die verdorbenen Lebensmittel werden vor der Verteilung aussortiert. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Es sind öffentliche Stellflächen in Dortmund, an denen gerettete Lebensmittel für alle kostenlos zugänglich gemacht werden.

Sie sind rund um die Uhr geöffnet und bieten Menschen die Möglichkeit, gerettete Lebensmittel abzuholen oder selbst nicht benötigte Lebensmittel dort abzulegen.

Entgegen der verbreiteten Annahme nutzen nicht nur wohnungslose oder obdachlose Menschen das Angebot. So greifen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten darauf zurück, was auch das Ziel des Projektes ist, sagt Lenz, da die geretteten Lebensmittel für jeden zugänglich sein sollen. Sind die Fairteiler aufgefüllt, werden die restlichen Lebensmittel privat oder in regelmäßigen Gruppen verteilt. „Irgendwann geht man aktiv auf die Leute zu, weil man noch so viel übrig hat“, so Lenz.

Aktionstag am Samstag möchte auf die Problematik aufmerksam machen

Mengen, die weit über einen normalen Wocheneinkauf hinausgehen. „Seitdem ich beim Foodsharing bin, kaufe ich kein Gemüse oder Obst mehr ein“, erzählt Lenz, während sie die letzten Gurte ihres Fahrradanhängers verschließt, um sich mit den geretteten Lebensmitteln auf den Weg zu machen.

Hände, die Gemüse in der Hand halten.
Jegliches Obst und Gemüse wird von Foodsharing e.V. abgeholt und anschließend weitergegeben. Foto: Darya Moalim für Nordstadtblogger.de

Um breitgefächerter auf die Thematik der Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen, plant der Verein am kommenden Samstag, den 27. September, bundesweit in rund 30 Städten Veranstaltungen zu diesem Thema. In Dortmund findet diese Aktion auf dem Friedensplatz von 12 bis 16 Uhr statt.

Demonstrativ werden dort Lebensmittel präsentiert, die bereits am Freitag gesammelt wurden, um das Ausmaß der Verschwendung den Menschen bildlich vor Augen zu führen. Geplant ist zudem ein Programm für Kinder, ein sogenanntes „Smoothie-Bike“ zur kostenlosen Zubereitung von Smoothies sowie eine große Verteil-Aktion der geretteten Lebensmittel.


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