
Im Namen einer sogenannten deutschen Kultur versucht die AfD kulturelle Vielfalt zu delegitimieren. Sie attackiert Museen, Theater und Festivals, polemisiert gegen queere Perspektiven, feministische Stimmen und die Aufarbeitung kolonialer Geschichte. Der Streit um die Kolonialismus-Ausstellung auf Zeche Zollern ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr Kultur zum Schauplatz politischer Auseinandersetzungen geworden ist. Warum ist das so und was können Kulturschaffende tun? Am Donnerstag, 18. September 2025, um 19.30 Uhr lädt Nordstadtblogger zur Diskussion über den rechten Kulturkampf ins Dietrich-Keuning-Haus Dortmund ein. Die Veranstaltung findet im Folgeprogramm zur Verleihung des Karl-Zuhorn-Preises des LWL an die Nordstadtblogger-Redaktion statt.
Welche Kultur ist eigentlich unsere?
Die menschenverachtende Ideologie der „Neuen“ Rechten macht auch vor dem Kulturbetrieb nicht halt. Sie macht unmissverständlich deutlich, welche Kultur erwünscht, und welche zu bekämpfen ist: Die deutsche Kultur müsse „reingehalten“ und vor dem Einfluss „Fremder“ – meist pauschal „dem Islam“ – geschützt werden, beschreibt die Amadeu-Antonio-Stiftung in ihre Publikation „Kulturkampf von Rechts“.
Angriffe auf die Kultur sind deshalb immer auch Angriffe auf die vielfältige, offene Gesellschaft. Im Kampf um den Kulturbegriff wird verhandelt, wie wir uns als Gesellschaft verstehen.
Die AfD bringt diese Ideen inzwischen direkt in Parlamente. Ihr kulturpolitischer Sprecher Marc Jongen hat offen davon gesprochen, er wolle die „Entsiffung“ des Kulturbetriebs in Angriff nehmen. Gemeint sind damit all jene Institutionen, Aufführungen oder Ausstellungen, die nicht in ihr mehr oder weniger völkisches Kulturverständnis passen.
Aus der Geschichte der Germanen für die Gegenwart lernen

Europäische Ethnologie, Universität Münster
Zeit einmal genauer hinzuschauen: Im Dietrich-Keuning-Haus geht es zunächst um die Frage, welche Kultur eigentlich unsere ist.
Den Impuls zur Diskussionsrunde gibt Prof. Dr. Elisabeth Timm, Vorsitzende der Kommission für Alltagskulturforschung des LWL und Geschäftsführende Direktorin des Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Universität Münster.
Unter dem Titel „Was meine wissenschaftlichen Vorfahren gefunden haben als sie nach ‚deutscher‘ Kultur suchten“ führt sie in die Forschungsergebnisse ihres Fachs ein und zeigt, dass sich Lebensweisen und kulturelle Formen nicht an Reinheitsgebote halten.

Auch Karl Banghard kennt sich mit deutscher Geschichte aus.
Er leitet seit über 20 Jahren das Freilichtmuseum Oerlinghausen – gegründet 1936 als erstes germanisches Freilichtmuseum der Welt.
„Dieser Erinnerungsort und unsere organisationsschwache Struktur haben nach 1945 immer wieder zu Übernahmeversuchen durch die extreme Rechte geführt“, erzählt Banghard. Sein Buch „Die wahre Geschichte der Germanen“ steht aktuell auf der Spiegel-Bestsellerliste – die Zahl der extrem rechten Kommentare und Zuschriften, die er erhält, ist bereits dreistellig.
Dem Kulturkampf in den sozialen Medien begegnen

Der rechte Kulturkampf findet nicht nur in den Institutionen statt. Er wird ebenso auf Buchmessen und Literaturfestivals ausgetragen und er tobt in den sozialen Medien.
Dr. Kirsten Baumann, Direktorin der LWL-Museen für Industriekultur, gibt zu, dass der Shitstorm im Netz zur Ausstellung „Das ist Kolonial“ das Team auf Zeche Zollern unvorbereitet traf.
Seit dem ist viel passiert, es finden Aufklärungsarbeit und Schulungen im Verband statt, von denen man lernen kann und über die Baumann berichten wird. Ihr geht es darum nach vorne zu schauen: „Wir werden weiter mutig sein und experimentieren.“
Wer fühlt sich repräsentiert – und wer übersehen?
Schlagworte wie „Cancel Culture“ oder „Gender-Ideologie“ werden von den Rechten gezielt eingesetzt, um Kulturschaffende zu diskreditieren und Minderheitenrechte in Frage zu stellen.

Doch warum sind gerade Gendern, Queerness oder Feminismus in den sozialen Medien häufig ein rotes Tuch? Fragen, mit denen Dr. Maxa Zoller vom Internationalen FrauenFilmFest Erfahrungen hat – auch innerhalb der eigenen Szene.
Kann man immer alle mitnehmen? Und muss man das überhaupt? Schließlich braucht es auch eine Avantgarde, um gesellschaftlichen Fortschritt anzustoßen.
Haben sich die Grenzen des Sagbaren bereits verschoben?
Wer fühlt sich heute im Kulturleben repräsentiert – und wer übersehen? Darüber macht sich auch Levent Arslan, Leiter des Dietrich-Keuning-Hauses, Gedanken. Aktuellstes Beispiel für ihn: das Dortmunder Denkmal für die Gastarbeiter:innen.

Aber ob freie Szene oder städtische Kultureinrichtung, der Druck auf die Kulturschaffenden wächst. Die AfD stellt parlamentarische Anfragen, klagt gegen einzelne Produktionen und fordert, Fördermittel zu streichen.
Kultur wird gezielt zum politischen Kampfplatz erklärt. Ziel ist es, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, Ressentiments salonfähig zu machen und das Bild einer homogenen deutschen Kultur zu verankern. Geht der Plan auf? Im August hat Kulturstaatsminister Weimer in seiner Behörde die Verwendung von gendergerechter Sprache mit Sonderzeichen untersagt.
Auf einen Blick:
- Die Veranstaltung „Kulturkampf vor der Haustür“ findet am Donnerstag, 18. September 2025, um 19.30 Uhr im Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstraße 50, Dortmund, statt. Der Eintritt ist frei.
- Anmeldung per E-Mail bis 15. September um 12 Uhr unter veranstaltung@nordstadtblogger.de. Wir bestätigen dann, ob eine Teilnahme möglich ist.
- Hinweis: Die Nordstadtblogger-Redaktion behält sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind sowie in dieser Weise die Veranstaltung stören, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!