1500 Beschäftigte aus dem Sozial- und Erziehungsdienst sind aufgerufen

ver.di Dortmund erhöht den Druck: Am Mittwoch streikt Personal in Kitas und Offenem Ganztag

Rund 1.500 Beschäftigte aus Kitas und Offenem Ganztag sind zum Warnstreik in Dortmund aufgerufen. Archivfoto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

Vor der nächsten Verhandlungsrunde Mitte Mai erhöht auch ver.di in Dortmund noch einmal den Druck. Am morgigen Mittwoch (4. Mai 2022) treten Beschäftigte aus Kitas und dem Offenen Ganztag in den Warnstreik. Geplant sind zwei Kundgebungen vor dem Dortmunder CineStar (Nordausgang Hauptbahnhof Dortmund) und einer Abschlusskundgebung auf dem Friedensplatz. Aufgerufen zum Streik sind 1500 Beschäftigte.

„Ihre Arbeit ist fast unbezahlbar, wenn der Wert für eine Gesellschaft daran gemessen wird“

Gerade in Kindertageseinrichtungen und im Schulischen Ganztag sind die sozialpädagogischen Herausforderungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Armut und Ausgrenzung, die Lebenssituation der Familien in der Pandemie und die Notlagen von Menschen, ausgelöst durch die globalen Krisen wie die Klimakrise, die Pandemie und den Krieg in der Ukraine, lassen die Ansprüche an das pädagogische Personal im schulischen Ganztag sowie den Kindertageseinrichtungen stetig steigen.

Streik im Sozial- und Erziehungsdienst geht in die zweite Woche. Martin Steinmetz, ver.di
Martin Steinmetz, Sekretär des Fachbereichs öffentliche Dienstleistungen von ver.di-Westfalen. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

„Die dort beschäftigten Kolleg:innen räumen tagtäglich zahlreiche Problemlagen ab, ganz still, ganz selbstverständlich und bis zur Selbstaufgabe. Sie sind Netzwerker:innen in ihrem beruflichen Kiez. Ihre Arbeit ist fast unbezahlbar, wenn der Wert für eine Gesellschaft daran gemessen wird“, betont Martin Steinmetz, Sekretär des Fachbereichs öffentliche Dienstleistungen ver.di-Westfalen.

„Die Zeit ist reif, die Arbeit mit Kindern und Familien genauso zu bewerten, wie die Arbeit an Maschinen in der Industrie“, macht der Gewerkschafter deutlich. Neben der angemessenen Bezahlung geht es den Warn-Streikenden jedoch insbesondere auch um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel.

Demozug aus der Nordstadt über dann Wallring zum Friedensplatz

Grafik: ver.di

Deswegen gehen sie auf die Straße – und das nicht nur sprichwörtlich: Nach einer Auftaktkundgebung auf dem Platz von Xi’an auf der Nordseite des Hauptbahnhofs (ab 9.30 Uhr)  startet der Protestzug über Paul-Winzen-Straße, Kurfürstenstraße, Mallinckrodtstraße, Leopoldstraße, Burgwall, Schwanenwall, Ostwall und Südwall zum Friedensplatz.

Um 12 Uhr findet dann die Abschlusskundgebung mit Marlene Seckler, Landesfachbereichssekretärin ver.di NRW als Hauptrednerin sowie Redner:innen aus dem Kitabereich und dem Dortmunder Offenen Ganztag auf dem Friedensplatz statt.

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Reaktionen

  1. Sozial- und Erziehungsdienst: Bundesweiter Streik- und Aktionstag der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen und dem schulischen Ganztag am 4. Mai (PM ver.di NRW)

    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft landesweit in den Bezirken des Landesbezirkes NRW Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpflegerinnen, Sozialassistenten und andere Berufsgruppen aus Kitas und dem Ganztag in Schulen zu einem Streik- und Aktionstag am Mittwoch, dem 4. Mai 2022 auf. Hintergrund sind die bislang ergebnislosen Verhandlungen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst und die angespannte Situation in den Einrichtungen der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern.

    Anlass für den Streik- und Aktionstag ist die aktuelle Tarifauseinandersetzung mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst. Die vorangegangenen beiden Tarifrunden im Februar und im März verliefen ergebnislos. ver.di fordert in den Tarifverhandlungen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

    In dieser Tarifauseinandersetzung streiken Beschäftigten dafür, dass sie ihre Arbeit besser im Sinne von Kindern und Familien erfüllen können. Das geht nur über Entlastung und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Die Blockadehaltung der Arbeitgeber am Verhandlungstisch richtet sich daher sowohl gegen die Beschäftigten sowie gegen die Eltern und Kinder. so Andrea Becker, Landesbezirksfachbereichsleiterin NRW. Die Situation in den Tageseinrichtungen für Kinder sei seit Jahren angespannt. Auch die beiden Jahre der Pandemie hätten tiefe Spuren hinterlassen.

    Derzeit fehlt laut Deutschem Jugendinstitut und Robert Koch Institut aufgrund von Krankheit 20 Prozent des Personals. Nach Angaben der Krankenkassen sind die Beschäftigten dieses Arbeitsfeldes, die Beschäftigtengruppe, die am häufigsten an Burnout erkrankt. Auch der im letzten Jahr von ver.di durchgeführte Kita-Personalcheck habe gezeigt, dass die Fachkräfte das Gefühl haben, ihren pädagogischen Aufgaben und den Kindern nicht gerecht werden zu können. Um wirklich pädagogisch arbeiten zu können, fehlen aus der Perspektive der Beschäftigten 173.000 Fachkräfte. Das führe dazu, dass 25 Prozent der Berufsanfänger in den ersten fünf Jahren das Arbeitsfeld verlassen.

    ver.di fordert u.a. Vor- und Nachbereitungszeiten, damit die Fachkräfte mehr Zeit für die pädagogische Arbeit mit den Kindern haben. Außerdem Zeiten, um Praktikantinnen und Praktikanten zu begleiten, einen Anspruch auf Weiterqualifizierung und die finanzielle Anerkennung der gestiegenen Herausforderungen.

    Die dritte Verhandlungsrunde findet am 16. und 17. Mai in Potsdam statt.

  2. Ländermonitor bestätigt ver.di-Befürchtungen: Kita-System in NRW steht vor dem Kollaps (PM)

    Unter dem Slogan „Kitas am Limit“ sind in NRW während der Tarifrunde für den Sozial- und Erziehungsdienst viele Beschäftigte auf die Straße gegangen. Aus Sicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in NRW war schon damals klar: das Kita-System in NRW steht vor einem Kollaps. Diese Befürchtungen bestätigen die Ergebnisse des aktuellen Ländermonitors (20. Oktober 2022) Frühkindliche Bildungssysteme.

    ver.di warnt bereits seit Jahren davor, dass die politischen und rechtlichen Bemühungen um den Ausbau von Kindertageseinrichtungen, nicht mit dem dafür notwendigen Ausbau von Ausbildungskapazitäten für Fachkräfte und damit nicht mit dem notwendigen Blick für den Fachkräftebedarf einhergeht. Besonders spürbar sind daher im Alltag nunmehr die Auswirkungen durch den massiven Fachkräftemangel. Die Folgen spüren jetzt vor allem die Kinder, Eltern und insbesondere die Fachkräfte: Unbesetzte Stellen und ein hoher Krankenstand, der auch auf die hohe Arbeitsbelastung zurückzuführen sei, führen zu einer permanenten Überlastung der Beschäftigten.

    Daraus resultiert ein problematischer Effekt für die Fachkräftegewinnung und -haltung. So beschreibt das Ländermonitoring für NRW:

    „Eine fatale Wechselwirkung erschwert die Gewinnung neuer Fachkräfte und auch die Bindung des vorhandenen Personals an das Berufsfeld: Zu wenig Personal verschlechtert nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung für die Kinder, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte. Dadurch sinken die Chancen, vorhandene Mitarbeiter*innen im Beruf zu halten, was den bestehenden Personalmangel wiederum weiter verschärft.“

    Gruppengröße und Personalschlüssel müssen auf die Agenda!

    „Die wissenschaftlichen Empfehlungen zur Gruppengröße (12 Kinder bei jüngeren Kindern bzw. 18 Kinder bei älteren Kindern) werden laut dem Kita-Ländermonitoring für NRW bei 68% der KiTa-Gruppen nicht erreicht. Das betrifft insbesondere die Gruppen für Kinder im Alter von 2- bzw. 3-jährige bis zur Einschulung (94% bzw. 89%).“

    „Neben dem Personalschlüssel ist in NRW vor allem die Gruppengröße in der frühkindlichen Bildung ein zentrales Problem. Zu große Gruppen führen dazu, dass Kolleginnen und Kollegen den Anspruch auf frühkindliche Bildung und bestmögliche Forderung immer seltener in der Praxis umsetzen können. Wir fordern daher eine schnelle KIBIZ-Reform insbesondere in den zentralen Punkten Personalschlüssel und Gruppengröße. NRW darf keine Zeit verlieren, um die Bildungschancen für Kinder zu verbessern. Das kann außerdem einen Beitrag dazu leisten, Fachkräfte im Beruf zu halten und neue zu finden,“ so Andrea Becker, Landesbezirksfachbereichsleiterin NRW.

    Sofortmaßnahmen erforderlich

    „Um für 2023 eine bedarfsgerechte, d.h. dem Elternwunsch entsprechende und den wissenschaftlichen Standards entsprechende Kindertagesbetreuung sicherzustellen, fehlen nach den Berechnungen des Ländermonitors für NRW rund 65.100 Fachkräfte.“

    „Schon heute fehlen in vielen Kindertagesstätten in NRW Fach- und Ergänzungskräfte. In einigen Kommunen können neu errichtete Kitas nur teilweise öffnen, weil das erforderliche Personal fehlt. Daher ist die Landesregierung gefordert, kurzfristig weitere Maßnahmen zu ergreifen. Um dem Fachkräftemangel und der Belastungssituation sofort abzuhelfen, muss das pädagogische Personal von weiteren nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet werden. Dafür müssen die Gelder im Kibiz NRW (sonstige Personalkraftstunden) aufgestockt werden, um mehr nicht-pädagogisches Personal in den Kitas dauerhaft zu finanzieren,“ so Tjark Sauer, Fachsekretär im Landesbezirksfachbereich NRW.

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