„Systemfehler“-Podcast: Wie steht es um die Spaltung der Gesellschaft, Ute Fischer?

Polarisierung und Spaltung in der Gesellschaft und Politik

Foto: Nordstadtblogger-Redaktion

Dass die Gesellschaft gespalten ist, hören wir immer häufiger aus der Politik und in den Medien. Aber was genau ist damit gemeint und stimmt das überhaupt? Ist die Gesellschaft immer stärker polarisiert oder wird hier übertrieben? Genau darüber haben wir mit der Professorin für Sozialwissenschaft Ute Fischer von der Fachhochschule Dortmund in unserem Podcast „Systemfehler“ gesprochen. Und darüber, ob im Dortmunder Kommunalwahlkampf gesellschaftliche Spaltung erkennbar ist. Hört mal rein!

Echokammern führen zu gesellschaftlicher Spaltung

Was ist diese gesellschaftliche Spaltung oder Polarisierung, von der alle reden? Ute Fischer begreift sie so: Wenn die Fähigkeit einer Gesellschaft abnimmt, in den „Streit um das bessere Argument“ konstruktiv zu führen.

Die Sozialwissenschaftlerin Ute Fischer hat zu den Gegner:innen der Corona-Maßnahmen geforscht. Foto: Nordstadtblogger-Redaktion

Verstärkt würden solche Tendenzen durch die Sozialen Medien und deren Algorithmen. Diese seien „Treiber der Echokammern“ und dafür verantwortlich, dass Menschen außer der eigenen Meinung, keine anderen mehr wahrnehmen. Da führe dazu, dass sie nicht mehr fähig sind, Diskussionen zu führen.

Dies habe sich vor allem an den Gegnern der Corona-Maßnahmen gezeigt, erklärt Fischer, die zu diesem Thema geforscht hat. Hier sei auffällig gewesen, dass die Gegner ein geringer ausgeprägtes Solidargefühl der Gesellschaft gegenüber aufwiesen und sich in den Sozialen Medien immer weiter radikalisierten.

Die Sozialen Medien abzuschaffen, würde das Problem aber nicht lösen. „Die Menschen verlangen nach sozialer Geborgenheit. Die Politik muss sich also fragen: Wie kriegen wir diese Bedürfnisse befriedigt?“

Politik hat keine Lösungen für neue Probleme

Die Grundlage dieser Entwicklung hin zu einer gespaltenen Gesellschaft, so Fischer im „Systemfehler“-Podcast, ist das Wegbröckeln von Sinnangeboten in der modernen Gesellschaft. „Das Aufstiegsversprechen, was es lange Zeit gab, gilt heutzutage nicht mehr.“

Polarisierung hilft vor allem (rechts-)populistischen Kräften. Foto: Nordstadtblogger-Redaktion

Das heiße nicht, dass es nur Arbeitslose oder arme Bevölkerungsgruppen radikalisiert würden. „Das ist mittlerweile ein gesamtgesellschaftliches Problem.“

Die Politik schaffe es im derzeit nicht, neu aufkommende Probleme wirkungsvoll zu lösen, weshalb sich diese Bevölkerungsgruppen, die „Demütigungs- und Missachtungserfahrungen“ erleben, von ihr abwenden. Fischer erscheint es deshalb plausibel, dass dieser Frust den (rechts-)populistischen Parteien immer mehr Wähler:innen in die Arme treibt.

Migration als polarisierendes Thema

Ein Thema, welches zur Zeit stark polarisiert: Migration. Das Thema eigne sich laut Fischer deshalb so gut, um gesellschaftliche Spaltung zu betreiben, weil hier gesagt werden kann: „Dein Kind hat keinen Kindergartenplatz, das syrische Kind aber schon.“

Dass die Wahrheit ist, dass es strukturell zu wenig Kita-Plätze gibt, wird in der Debatte dann meistens überhört. „Wir müssen mehr darüber sprechen, was uns Migration konkret bringt, was es für eine Bereicherung für den lokalen Arbeitsmarkt ist“, fordert Fischer.

Das betonen dieser realen positiven Aspekte hole im Zweifel die Empörten nicht zurück, helfe aber in der restlichen Gesellschaft, Vorurteile abzubauen.

Kommunalwahlkampf in Dortmund bisher wenig polarisiert

In Hinblick auf den Kommunalwahlkampf vor Ort spricht Fischer davon, dass hier keine große Polarisierung zu erkennen sei. „Auf kommunaler Ebene gibt es einen großen Konsens, nur in Detailfragen ist man unterschiedlicher Meinung.“ Gesellschaftliche Spaltung entstehe fast nie auf kommunaler Ebene – dafür sind meistens bundespolitische Themen verantwortlich.

Die Sozialwissenschaftlerin Ute Fischer im „Systemfehler“-Podcast. Foto: Nordstadtblogger-Redaktion

„Doch in der Kommune ist der Ort, an dem wir am ehesten gesellschaftlicher Spaltung entgegentreten können“, so Fischer weiter. Denn hier bemerken die Bürger:innen konkret Veränderungen: Sei es eine gute Infrastruktur, eine funktionierende Verwaltung oder weniger Angsträume im öffentlichen Raum.

Doch am Ende ginge es vor allem darum, nach der Wahl für mehr Orte zu sorgen, an denen alle Bürger:innen über Themen, die die gesamte Gesellschaft betrifft, diskutieren können. „Diese Erfahrung zu ermöglichen, ist die Aufgabe der lokalen Politik.“


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